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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag
Für Washington sind Halbleiter nun offiziell ein wesentlicher Teil der Infrastruktur Amerikas, die im nationalen Interesse geschützt und gefördert werden muss. "Chips, Wafer, Batterien, Breitband - alles ist Infrastruktur", sagte US-Präsident Joe Biden jüngst auf einer Onlinekonferenz mit 18 Konzernchefs aus den Branchen Autos, Chips, Rüstung und Technologie. Der Grundstoff für Wafer, jene dünnen Platten, auf denen Chips gefertigt werden, ist schließlich namensgebend für das Silicon Valley, das weltweit größte Zentrum für technologischen Fortschritt.
Biden will 2.300 Milliarden US-Dollar in Infrastrukturprojekte stecken, in Brücken und Straßen, Daten- und Telekommunikationsnetze. Jeweils 50 Milliarden davon sollen in die Fertigung und Entwicklung von Chips in den USA investiert werden. Der Präsident fügt dem Programm seines Vorgängers Donald Trump, "CHIPS for America Act", ein weiteres Kapitel hinzu.
Keine US-Chips für China
Die Liste chinesischer Technologie-Unternehmen, die mit bestimmten Chips, die in den USA oder im Auftrag von US-Firmen entwickelt oder hergestellt werden, nicht mehr beliefert werden dürfen, wurde ebenfalls verlängert. Neu darauf sind Hersteller von sogenannten Supercomputern aus China, die Anlagen für militärische Zwecke bauen - Supercomputer bestehend aus untereinander verbundenen Hochleistungsnetzwerkrechner. Diese in Datenzentren gebündelte Rechenleistung wird auch für die Steuerung moderner Waffensysteme und andere militärische Zwecke eingesetzt. Das macht Washington in Bezug auf China nun besonders nervös, weil Software und vor allem Chips, die in Amerika und in westlichen Ländern entwickelt werden, dafür ein wesentlicher Rohstoff sind.
In den Rechenzentren von Konzernen, Universitäten und Forschungseinrichtungen bewältigen Großrechner datenintensive Projekte wie Simulationen, das Entziffern genetischer Codes, Veränderungen bei Klima und Wetter oder komplexe, selbstlernende Algorithmen, die künstliche Intelligenz. KI wird aber auch militärisch genutzt. China drängt hier mit großem finanziellem Aufwand an die Weltspitze. Die bisher von Washington gegen Peking verfügten Lieferstopps von Chips führten dazu, dass stark betroffene Konzerne wie etwa Huawei, Hersteller von Internetdatenweichen, Ausrüstung von 5G-Mobilfunknetzen und Smartphones, sehr hohe Vorräte aufgebaut haben. Mit 380 Milliarden Dollar für 2020 erreichten Chinas Chip-Importe knapp ein Fünftel der Gesamteinfuhren.
Diese Entwicklung und die durch die Pandemie stark beschleunigte Digitalisierung in vielen Bereich der globalen Wirtschaft und Gesellschaft erhöhen den Bedarf an digitalen Chips, die für computerähnliche Technologien eingesetzt werden, enorm. Zudem gab es weltweit mehrere Produktionsausfälle. Das verschärft bestehende Lieferverzögerungen, vor allem in der Autoindustrie. Knapp sind etwa Mikrocontroller - programmierbare Steuereinheiten, die ähnlich wie Computerchips gefertigt werden. Weil sich die kapitalintensive Fertigung mit sehr kleinen Chipstrukturen für Lieferanten der Autoindustrie mit eigener Produktion wie Infineon, NXP Semiconductors, Texas Instruments oder Renesas nicht lohnt, vergeben sie die Produktion an Auftragsfertiger wie Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC). Die Asiaten sind auf diesem Gebiet die Nummer 1.
Während der Pandemie wurden bei Auftragsfertigern wie TSMC freie Kapazitäten häufig an Kunden aus den boomenden Chipsegmenten Computer und Smartphones vergeben, auch weil Autokonzerne wegen der dramatischen Einbrüche der Nachfrage während der ersten Monate der Pandemie Bestellungen stark drosselten. Nun fehlen Kapazitäten, um die Lieferengpässe zu beheben.
Die Branche bleibt im Aufwind
Halbleiter für Computer und Smartphones lieferten 2019, im Jahr vor Corona, rund 60 Prozent von den weltweit 421 Milliarden Dollar Erlös in der Branche. Die Autobauer stehen nur für ein Zehntel dieser Erlöse und haben entsprechend weniger Gewicht. Während Corona dürfte sich das Verhältnis in den Auftragsbüchern der Auftragsfertiger auch deshalb weiter zugunsten von Computer- und Handychips verschoben haben.
Lieferanten der Autoindustrie wie der größte Chipzulieferer der Branche, Infineon, erhöhen ihre Kapazitäten so weit wie möglich, signalisieren aber, dass zusätzliche Bestellungen mehr kosten. "Infineon fertigt selbst, wenn sich daraus ein Wettbewerbsvorteil ergibt", sagt Strategievorstand Helmut Gassel. Ausgelagert werde die Herstellung, wenn die Differenzierung zu Konkurrenten im Design und in der Architektur, nicht aber in der Fertigungstechnologie liege, so wie bei Mikrocontrollern.
Die Autoindustrie liefert 40 Prozent des auf knapp elf Milliarden Euro geschätzten Jahresumsatzes von Infineon. Daimler, VW, Toyota und BMW bauen ihr Geschäft mit Elektro- und Hybridautos beschleunigt aus. In Autos mit Verbrennermotoren werden laut der Technologie-Denkfabrik ITIF pro Fahrzeug 50 bis 150 Chips verbaut, bei Elektro- und Hybridantrieben sind es bis zu 3.000. Chips für diese Fahrzeuge werden im Jahr 2025 rund 30 Prozent von Infineons Spartenumsatz liefern, schätzt Union-Investment-Fondsmanager Markus Golinski.
Aufragsfertiger voll ausgelastet
Die Chip-Nachfrage bleibt über alle Abnehmerbranchen stark. Auftragsfertiger TSMC investiert während der nächsten drei Jahre 100 Milliarden Dollar in zusätzliche Kapazitäten. Der Konzern warnt vor Lieferengpässen bis ins nächste Jahr hinein. Der Marktanteil des auch technologisch führenden Primus im Foundry-Geschäft ist größer als jener der drei nächstgrößeren Anbieter zusammen. Bei TSMC mit Kunden aus allen Abnehmerbranchen sind die Chipfabriken nahezu ausgelastet.
Grafikchip-Entwickler NVIDIA, ein wichtiger Kunde, präsentierte jüngst seinen ersten Steuerungschip für Netzwerkrechner. Einige Mikroprozessoren kosten mehr als 1.000 Dollar pro Stück. NVIDIAs Chip soll 2023 auf den Markt kommen. Noch dominiert Intel das Geschäft mit einem Anteil von mehr als 90 Prozent. Anleger trauen NVIDIA jedoch zu, schnell erfolgreich zu sein. Der Aktienkurs legte jedenfalls zu.
Auf den Kauflisten der Anleger stehen auch Ausrüster, deren Anlagen für höhere Kapazitäten auf jeden Fall benötigt werden. So etwa der größte Ausrüster Applied Materials und Firmen, die in ihren Nischen dominieren wie ASML in der Chiplithografie und LAM Research bei Fertigungstechnologien für Speicherchips. Halbleiter bleiben ein wichtiger Schlüssel für den technologischen Fortschritt.
INVESTOR-INFO
Infineon
Mit dem Kauf des US-Konzerns Cypress im April 2020 rückte Infineon zum weltgrößten Autochip-Entwickler auf. Die Münchner fokussieren sich auf Technologien, die in Europa stark sind, wie Leistungshalbleiter. In diesen Segmenten ist Infineon mit geschätzt knapp elf Milliarden Euro Umsatz im laufenden Geschäftsjahr weltweit führend. Infineon profitiert von den Digitaltrends in verschiedenen Industrien. Cypress war Infineons zweiter Milliardendeal im Silicon Valley.
NVIDIAs Börsenwert ist knapp 50 Prozent höher als der von Intel, gemessen am Umsatz der weltweit größten Chipkonzerne. NVIDIA ist mit Halbleitern auch außerhalb seines Kerngeschäfts Grafikchips erfolgreich, anders als Intel. Ein Trost im Bezug auf die laufende Übernahme des Chipentwicklers ARM: Sollte sie untersagt werden, dürfte dort auch kein Konkurrent zum Zug kommen.
Ausrüster und ein Chip-ETF
Um seine Investitionspläne zu finanzieren, platzierte Auftragsfertiger TSMC Anleihen im Wert von 3,5 Milliarden Dollar. Alle größeren Chip-Entwickler bestellen bei dem Konzern. Damit profitieren Anleger mit der Aktie ähnlich wie mit dem VanEck Semiconductor ETF (ISIN: IE 00B MC3 873 6) von vielen Trends in der Branche. Der größte Ausrüster der Halbleiterbranche, Applied Materials, sowie ASML, weltweit einziger Lieferant von Lithografie-Anlagen für die kleinsten Chipstrukturen, profitieren von dem nun beschleunigten Ausbau der Kapazitäten. LAM Research ist der technologisch führende Ausrüster bei der Fertigungstechnologie von Speicherchips.
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