Es klingt eigentlich nach der Situation, die sich jedes Unternehmen wünscht: „Die Nachfrage ist hoch und übersteigt das Angebot deutlich“, sagt Infineon-Chef Reinhard Ploss. Der Chipkonzern aus Neubiberg in der Nähe von München müsste zu den großen Gewinnern der weltweiten Halbleiter-Knappheit gehören, schließlich liefert Infineon genau das: Halbleiter.
Doch auch der deutsche Chipkonzern hatte in den vergangenen Monaten mit erheblichen Problemen bei der Produktion zu kämpfen und muss seine Kunden länger warten lassen.
„Wir liefern so viel und so schnell wie möglich“, verspricht Ploss der gebeutelten Automobilindustrie, in der zeitweise Bänder stillstehen und Autos nicht ausgeliefert werden können, weil die passenden Chips fehlen. Die Ursachen für die Knappheit sind vielfältig, allein bei Infineon reichen sie von einem Wintersturm, der die Produktion in Texas beeinträchtigt hatte bis zu einem starken Anstieg von Corona-Fällen in Malaysia.
Nur dank der extrem hohen Nachfrage konnte der Konzern so überhaupt noch ein Plus beim Umsatz verzeichnen, der lag mit 2,7 Milliarden Euro in den Monaten April bis Juni etwa auf dem Niveau des Vorquartals. Immerhin stieg der Gewinn deutlich um 21 Prozent auf nun 245 Millionen Euro. Das liegt auch daran, dass aufgrund der Knappheit teils höhere Preise erzielt werden konnten.
Vor allem die Pandemie traf den Konzern in den letzten Monaten hart: 20 Tage lang stand das Werk in der Provinz Malaka in Malaysia wegen Infektionen still, 400 bis 500 Millionen Chips konnten nicht wie geplant produziert werden. Auch hier entstehen vor allem Halbleiter für die Autoindustrie. Rund 100 Millionen Euro Umsatz wird allein dieser Ausfall Infineon wohl kosten.
Wirklich zum Tragen wird dieser Effekt aber wohl erst im nächsten Jahr kommen. „Wir honorieren längerfristige Verträge“, sagt Ploss. Darin stehen noch die alten Preise, als die Chips noch nicht zum raren Produkt geworden waren. „Preissteigerungseffekt werden wir langfristig sehen.“ Allerdings seien auch die Kosten für die Vorprodukte und Rohstoffe deutlich gestiegen.
Dennoch müssen Autokäufer nicht mit drastisch steigenden Preisen für Fahrzeuge rechnen, dafür ist der Anteil der Halbleiter an den Gesamtkosten nicht hoch genug. Selbst wenn der Wert der Chips von derzeit 400 bis 500 Euro ansteigt, fällt das beim Gesamtpreis der meisten Neuwagen noch nicht wirklich ins Gewicht.
Hilfe kommt aus Österreich
Zumindest kann sich Infineon seine Kunden und damit auch die Konditionen und Preise, zu denen sie künftig beliefert werden, derzeit aussuchen. Der Auftragseingang ist auf Rekordhoch, schon jetzt könnten mit den Bestellungen die Kapazitäten für die nächsten zwei Jahre ausgelastet werden. Der Konzern hat deshalb sogar wieder von einer automatischen Auftragsbestätigung auf eine manuelle Freigabe umgestellt. „Wir rechnen damit, dass der Auftragsbestand weiter steigt“, sagt Ploss.
Auch die Knappheit wird wohl noch eine ganze Weile anhalten. „Liefereinschränkungen bleiben allgegenwärtig“, sagt Ploss. Das sind keine guten Nachrichten für die Autobauer. „Wir kämpfen bei den Auftragsfertigern um jeden zusätzlichen Wafer“, sagt der Infineon-Chef. Aus Wafern, den runden Siliziumscheiben, entstehen die einzelnen Chips, nicht alle stellt Infineon selbst her, sondern lässt einige auch bei Drittfirmen anfertigen.
Bei Infineon versucht man, die Kapazitäten so schnell wie möglich auszuweiten, das Werk im österreichischen Villach geht in diesen Tagen in Betrieb – früher als geplant. Und auch eine Kooperation mit dem taiwanesischen Auftragsfertiger TSMC beim Aufbau einer Fertigung in Deutschland scheint möglich.
Infineon-Chef Ploss wollte solche Pläne, über die derzeit spekuliert wird, zwar nicht ausdrücklich bestätigen. „TSMC ist für uns ein sehr wichtiger, leistungsfähiger Lieferant, wir sind überzeugt, dass sich die Zusammenarbeit noch weiterentwickeln lässt“, sagte er. „Es wäre eine durchaus interessante Überlegung, TSMC in Deutschland zu haben.“
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Lieferengpässe: Chip-Mangel für Infineon eine trügerische Hoffnung - WELT
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