Als die Menschen 1952 im Süden Tansanias von einer neuen Krankheit heimgesucht wurden, benannten sie diese nach dem auffälligsten Symptom: das Leiden, das Menschen beugt. In ihrer Sprache: Chikungunya. Die Erkrankung, von der man heute weiß, dass sie von einem Virus ausgelöst und durch Mücken übertragen wird, kann neben Fieber, Hautausschlägen und grippeähnlichen Symptomen so starke Gelenkschmerzen hervorrufen, dass Menschen sich in ihrem Leiden krümmen. Bei etwa einem Drittel der Infizierten dauert die Pein über Wochen an. Bei einigen auch Monate oder sogar Jahre.
Mittlerweile ist das Chikungunya-Fieber in mehr als 100 Ländern, vor allem in Afrika, Asien und Südamerika, aufgetaucht. Gezielt wirkende Arzneien oder Impfstoffe gibt es noch immer nicht. Doch mittlerweile arbeiten Forscher an gleich mehreren Vakzinen. Das erste, ein Produkt der französischen Firma Valneva, hat nun die dritte und letzte Studienphase abgeschlossen. Zulassungsanträge sind bereits in den USA und Europa gestellt.
Die Ergebnisse dieser Tests sehen zunächst gut aus. Nahezu alle Studienteilnehmer hatten 28 Tage nach der Verabreichung einer Impfdosis eine Immunantwort gegen das Virus entwickelt. 99 Prozent der 263 erwachsenen Probanden hatten ausreichend hohe Mengen neutralisierender Antikörper gebildet, schrieben die Forscherinnen und Forscher des Unternehmens im Fachblatt Lancet. Auch ein halbes Jahr nach der Impfspritze verblieben die Antikörper auf einem hohen Niveau. Die knapp 100 Personen in der Kontrollgruppe zeigten keine entsprechende Immunantwort.
Unklar ist, in welchem Maß durch die Impfungen tatsächlich Infektionen oder Krankheiten verhindert
Die Studie war in den USA durchgeführt worden, wo Chikungunya-Infektionen nur sporadisch auftreten. Und das ist die größte Schwachstelle: In welchem Maß durch die Impfungen tatsächlich Infektionen oder Krankheiten verhindert werden, konnte in dem kaum betroffenen Land gar nicht ermittelt werden. Es wurden lediglich Antikörper-Titer vermessen.
Die US-Zulassungsbehörde FDA und ihr europäisches Pendant, die EMA, hatten dieses Vorgehen genehmigt, "weil herkömmliche Wirksamkeitsstudien bei realen Ausbrüchen des Chikungunya-Fiebers (die unvorhersehbar sind und sich schnell ausbreiten) kaum durchführbar sind", schreibt Kathryn Stephenson von der Harvard Medical School in einem begleitenden Kommentar im Lancet.
Es ist anzunehmen, dass das Vakzin namens VLA1553 einen gewissen Schutz vor der Krankheit bietet. "Von früheren Studien dieser Art wissen wir, dass hohe neutralisierende Antikörperkonzentrationen bei Virusinfektionen auch mit einer Verhinderung der Krankheit korrelieren", sagt Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin am Universitätsklinikum Tübingen.
Das Produkt ist zudem ein Lebendimpfstoff; solcherart Vakzine sind in der Regel sehr effektiv. Dem Körper wird ein abgeschwächter Erreger verabreicht, der nicht mehr krank macht und sich nur sehr begrenzt vermehrt, damit aber das Immunsystem ankurbelt. Doch wen er am Ende wie sehr und wie lange schützt, bleibt im aktuellen Fall offen.
Eine weitere Schwäche dieses Ansatzes ist, dass man nicht sagen kann, wie gut sich die Ergebnisse auf jene Menschen übertragen lassen, die am meisten Schutz brauchen: Einwohner der bekannten Endemiegebiete, deren Gesundheit, Immunsysteme und Lebensbedingungen ganz anders sein können als im bisherigen Testgebiet. "Letzten Endes ist es so strenggenommen erst mal ,nur' eine Reiseimpfung", sagt Kremsner.
Die Krankheit erobert immer mehr Gebiete
Die Verträglichkeit des Vakzins wurde ebenfalls nur in den USA überprüft, allerdings mit mehr Probanden als in den Wirksamkeitstests. Etwa 4100 Menschen erhielten den Impfstoff, knapp 3100 ein Scheinpräparat. Ernste Beschwerden traten bei 1,5 Prozent der Geimpften und 0,8 Prozent in der Placebo-Gruppe auf. Insgesamt beschrieben die Autorinnen und Autoren das Produkt als "allgemein gut verträglich".
13 Frauen, die die Impfung erhalten hatten, wurden während des Studienzeitraumes schwanger. Drei von ihnen brachten ihr Kind vorzeitig zur Welt. Dieser Anteil ist etwas höher als man erwarten würde, allerdings lagen bei zwei der Frauen bereits Risiken für eine Frühgeburt vor. Die Zahl von drei Ereignissen ist letztlich auch zu gering, um sie statistisch sicher bewerten zu können.
Am Chikungunya-Fieber erkrankten nach Angaben der Weltgesundheitsbehörde WHO allein seit 2005 mehr als zwei Millionen Menschen. Die Gebiete, in denen es zu Übertragungen kommt, dehnen sich immer weiter aus - eine Entwicklung, die der Klimawandel noch befeuern dürfte. Auch Europa könnte künftig mehr Erkrankungen sehen.
Auf dem Kontinent wurden bereits 2007 die ersten Übertragungen beobachtet; damals ereignete sich ein Ausbruch mit mehr als 200 Infizierten in Italien. In den folgenden Jahren wurden auch aus Frankreich Fälle berichtet. Das Risiko, dass sich das Virus künftig in Europa ausbreitet, ist hoch, schreibt die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC. Sie verweist darauf, dass die Überträgermücken vom Typ Aedes in vielen Ländern der EU, besonders aber an der Mittelmeerküste, verbreitet sind.
Auch in Teilen Deutschlands wird Aedes albopictus, auch Asiatische Tigermücke genannt, bereits gesichtet. Vor Kurzem warnten daher Forscher des Robert-Koch-Instituts, dass die Erderwärmung die Wahrscheinlichkeit steigert, dass das einst tropische Fieber künftig auch hier übertragen wird.
Mit Material des Science Media Centers
Erster Impfstoff gegen Chikungunya - Gesundheit - SZ.de - Süddeutsche Zeitung - SZ.de
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