Der erste Eindruck: Kolossal! Wer das Auto auf Basis von Fotoansichten für filigran hielt, staunt. Der Ioniq 5 ist ein wuchtiges Auto, und das liegt an den Maßen, nicht am Design.
Das sagt der Hersteller: »Ein neues Mobilitätserlebnis für die nächste Generation«, fabuliert Ioniq-Designchef SangYup Lee. Leere Worthülsen? Die kann sich Hyundai beim Ioniq 5 nicht leisten. Die Erwartungen an das Fahrzeug sind hoch, die elektrische Plattform E-GMP, auf der es basiert, ist viel gelobt. Auf ihr hat Lees Team ein Auto mit frischen Linien gezeichnet. Die Designer hatten alle Freiheiten, dank variablem Radstand und dem für E-Autos typischen Skateboard-Aufbau.
Hyundais echte E-Offensive startet später als beim Vorbild und Hauptkonkurrenten VW, der Autos auf Basis des modularen E-Baukastens MEB schon 2020 unters Volk gebracht hat, beginnend mit dem ID.3. Doch den Rückstand macht Hyundai mit besserer Technik wett. Als erste Volumenmarke nutzen die Koreaner eine Betriebsspannung von 800 Volt, was Ladezeiten drastisch reduziert. Das tun auch Porsche und Audi, nicht aber VW oder Mercedes beim EQS, sie setzen 400-Volt-Technik ein.
Macht Hyundai also alles richtig? Viel einzuwenden gegen diesen Aufschlag gibt es auf den ersten Blick nicht. Vielleicht dies: Dass der Ioniq 5 auch die übrige eigene Elektro-Modellpalette alt aussehen lässt. Autos wie der Kona oder der alte Ioniq wirken gegen das neue Modell wie Fahrzeuge zweiter Wahl.
Das ist uns aufgefallen: Kaum ein Wagen wirkt so wohnlich wie der Ioniq 5. Nicht nur, weil er ungeheuer geräumig ist mit großem Radstand, üppigem Format und im Boden versteckter Technik. Die Sitze kommen Sesseln nahe, das Armaturenbrett weicht einer Art Sideboard, die Instrumente wirken wie ausgestellt in digitale Bilderrahmen. Zudem ist Platz für eine Pinnwand neben dem Lenkrad. An ihr lassen sich Notizzettel oder Souvenirs mit Magneten befestigen.
Zwischen den Passagieren in der ersten Reihe gleitet eine verschiebbare Mittelkonsole. Der Boden ist topfeben, das erleichtert spontane Seitenwechsel etwa beim Aussteigen. Hinterbänkler genießen üppige Beinfreiheit – die vorderen Lehnen sind so konstruiert, dass sie viel Raum gewähren. Die Bank lässt sich zudem elektrisch um fast 14 Zentimeter verschieben. Dazu gibt’s reichlich Platz im Kofferraum und auch noch einen Frunk, also eine Ablage für Kleinkram unter der Fronthaube – anders als bei den kompakten E-Modellen des VW-Konzerns.
Farblich wirkt der Testwagen innen zwar wie ein Rückfall in Hyundais graue, eintönige Vorzeit. Doch der Ioniq 5 punktet mit nachhaltigen Materialien: Bezugsstoffe aus Zuckerrohrfasern, Leder, das mit Leinsamenextrakten behandelt wurde, dazu Recyclingkunststoffe, beschichtet mit Lacken aus Raps- und Maisöl.
Das Auto beschleunigt explosiv, ansonsten fährt es unspektakulär. Eindruck hinterlässt der Wendekreis. Er ist bei der Größe des Autos fast winzig, die Vorderräder lassen sich sehr weit einschlagen. So rangiert man das große Fahrzeug angenehm leicht, zumal eine 360-Grad-Kamera unterstützt. Sehr gut geregelt ist die Rekuperation: Da gibt es die üblichen Stufen, die kilometerweites Segeln oder eine starke Verzögerung ohne mechanische Bremse erlauben. Auf Wunsch passt der Wagen die Verzögerung automatisch an und nutzt dabei Abstandsregelung und Navigationsdaten. So wird das Bremspedal fast überflüssig. Wer will, regelt die Rekuperation mit den einstigen Schaltwippen am Lenkrad und bringt den Wagen so auch mit der Hand zum Stehen.
Das muss man wissen: Die Preise für den Ioniq 5 beginnen bei 41.900 Euro, die Auslieferung startet im Mai. Es gibt je zwei Versionen mit zwei Motoren und Allrad- oder einem Motor und Heckantrieb. So decken die Koreaner ein Leistungsspektrum von 125 kW bis 225 kW ab. Die Höchstgeschwindigkeit ist elektronisch stets auf 185 km/h beschränkt. Bei der Batterie bietet Hyundai 58 oder 72,6 kWh Speicherkapazität. Das verspricht Normreichweiten von bis zu 485 Kilometern im WLTP-Zyklus. Weil der Ioniq 5 als erstes Elektroauto neben Porsche Taycan und Audi e-tron GT mit 800-Volt-Technik arbeitet, setzt er an der Ladesäule Bestmarken: Von zehn auf 80 Prozent braucht er unter optimalen Bedingungen 18 Minuten; damit fließt Energie für 100 Kilometer Fahrt in bestenfalls fünf Minuten.
Überhaupt, die Energie: Der Ioniq 5 ist das erste Elektroauto, für das es auf Wunsch anstelle des Panoramadachs ein Dach mit Solarzellen gibt, die im Jahr Strom für bis zu 2000 Kilometer Reichweite liefern. Und während andere Fahrzeuge nur USB- und 12-Volt-Buchsen oder allenfalls einen 230-Volt-Steckerdose im Fahrzeug haben, lässt sich der Akku des Ioniq 5 auch von außen an der Ladebuchse anzapfen, mit einem Adapter. So kann der Fahrer mit dem Auto-Akku ein E-Bike laden, im Schrebergarten den Rasenmäher betreiben oder einem anderen Stromer mit leerer Batterie aushelfen. Selten hat ein Hersteller so deutlich aufgezeigt, wozu E-Autos in der Lage sind – all das werden gewöhnliche Autos mit Verbrennungsmotor in der Form wohl nie können.
Fast nebensächlich erscheinen da das Head-up-Display mit Augmented Reality wie in der neuen S-Klasse, ein Autobahnassistent, der automatisch überholt, oder der Parkassistent, mit dem der Ioniq 5 selbstständig aus engen Parklücken rollt, wenn der Fahrer außen auf den Knopf am Zündschlüssel drückt.
Dem VW ID.4 und dem Skoda Enyaq als wichtigsten Konkurrenten ist der Ioniq 5 damit zum Teil deutlich voraus. Er ist etwas größer und bietet mehr Platz und Stauraum, hat die schnellere Ladetechnik und das innovativere Innenleben. Beim Preis liegt die einstige Billigmarke aber auch über den europäischen Konkurrenten: Den ID.4 gibt es ab 36.950, den Enyaq ab 33.800 Euro. Auch das 15.000 Euro teurere Model Y von Tesla kann nicht alles, was der Hyundai kann – es ist nicht so geräumig, weniger wohnlich und versorgt andere nicht so mit Strom wie der Ioniq.
Das werden wir nicht vergessen: Die Relax-Funktion der Vordersitze. Sie verwandelt den Ioniq 5 auf Knopfdruck in eine Lounge. Wie in der Businessclass eines Flugzeugs klappt die Lehne weit nach hinten, das Sitzkissen stellt sich schräg und unter den Kniekehlen klappt eine Beinauflage hervor. Entspannter lässt sich die Zeit an der Steckdose kaum absitzen.
Hersteller: |
Hyundai |
Typ: |
Ioniq 5 |
Karosserie: |
SUV |
Motor: |
zwei E-Maschinen |
Getriebe: |
Eingang-Automatik |
Antrieb: |
Allrad |
Leistung: |
225 kW/305 PS |
Drehmoment: |
605 Nm |
Von 0 auf 100 km/h: |
5,2 Sek. |
Höchstgeschw.: |
185 km/h |
Batteriekapazität: |
72,6 kWh |
Verbrauch: |
k.A. |
Reichweite (WLTP): |
zirka 342 km |
CO2-Ausstoß: |
0 g/km |
Leergewicht: |
k.A. |
Kofferraum: |
527 Liter |
Umgebaut: |
1587 Liter |
Maße: |
4635 / 1890 / 1605 mm |
Preis: |
ab zirka 50.000 Euro (Baureihe ab 41.900 Euro) |
Autogramm: Hyundai Ioniq 5: Vorteil Korea - DER SPIEGEL
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