Der Genfer Salon abgesagt, die Autoshow in New York verschoben und ob die von Frankfurt nach München verlegte IAA stattfindet, ist unsicher: Die Autowelt ist noch immer wie gelähmt von der Pandemie. In China hat die Branche Covid-19 dagegen weitgehend abgehakt. In Shanghai feiert sie mit mehr als 1000 Ausstellern die erste und vielleicht einzige große Automesse des Jahres – mit aufwendigem Hygienekonzept samt Körpertemperatur-Kontrolle und Corona-App.
Grund zur Freude haben die Unternehmen in China allemal. Die Absatzzahlen steigen schnell, die Prognosen sind rosig: Im Vergleich zum Lockdown-geprägten Vorjahr sind die Zulassungen im ersten Quartal 2021 um 75 Prozent auf rund 6,5 Millionen gestiegen, meldet die Strategieberatung Berylls in München. Mit einem Bestand von 287 Millionen Fahrzeugen hat China in diesem Jahr zudem die USA als Autoland Nummer eins abgelöst, betont Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research in Duisburg.
Dabei bleibt ein bedeutender Unterschied, der weiteres Wachstum verheißt: Während der US-Markt mit 871 Autos pro 1000 Einwohnern als gesättigt gilt, ist der Nachholbedarf in China bei 205 Autos auf 1000 Einwohner ungebrochen. »Der größte Automarkt der Welt ist 2021 dabei, seinen Abstand zum Rest der Welt erheblich zu erweitern«, so Dudenhöffer. »China fährt allen anderen davon.«
Angesichts dieser Zahlen strahlen auch deutsche Autobosse, wenn sie nach Osten schauen. War China schon in den vergangenen Jahren meist ihr wichtigster Absatzmarkt, ist die Bedeutung mit dem frühen Neustart nach der Pandemie weiter gewachsen. Dass Daimler oder BMW gerade Rekordquartale mitten in der Krise verkünden konnten, verdanken sie vor allem ihren Kunden in der Volksrepublik.
»China ist nicht nur die wichtigste Pkw-Absatzregion für uns, sondern auch der weltweit führende Markt für Elektroautos«, sagte Daimlers Statthalter in Peking, Hubertus Troska, während er gleich zwei neue Stromer enthüllte. Seine Kollegen bei Audi oder BMW präsentierten in Shanghai ebenfalls neue E-Autos.
China als wichtigster Markt treibt längst auch technologisch die elektrische Revolution. Die sogenannten New Energy Vehicles (NEV) sind dort laut Berryls-Experte Jan Burgard die großen Gewinner des ersten Quartals. Von ihnen wurden 510.000 Exemplare abgesetzt, was einem Wachstum von 280 Prozent gegenüber 2020 und 86 Prozent gemessen an 2019 entspricht.
Mehr Konkurrenz für deutsche Luxusmarken
Für den Run auf dieses Segment seien die vielen neuen Modelle verantwortlich, darunter Model 3 und Model Y von Tesla oder Hongguangs Mini EV. Die Flut neuer Akkumodelle aus Europa werde diese Entwicklung beschleunigen, ist Burgard überzeugt. Kombiniert mit dem noch immer guten Ruf von »Made in Germany« werde das den Absatz vor allem der Premiummarken beflügeln. Volumenmarken müssten stärker um jeden Kunden kämpfen.
Auch Daimler, BMW, Audi und Porsche steuern indes womöglich härteren Zeiten entgegen. Reichlich Gegenwind in den kommenden Jahren sieht Strategieberater Burgard: »Wir beobachten, wie der Wettbewerb auf dem chinesischen Markt in allen Segmenten zunimmt. Und wir sehen viele neue lokale Hersteller, die zum Sprung auf den europäischen Markt ansetzen oder sich bereits in ersten Regionen etablieren, wie etwa MG, Nio oder XPeng.«
So ist die Messe in Shanghai zwar eine Party für die deutschen Autohersteller – aber auch eine Warnung.
Automesse in Shanghai: China ist die Rettung für deutsche Autobauer – und die größte Gefahr - DER SPIEGEL
Read More
No comments:
Post a Comment