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Thursday, April 15, 2021

Greensill-Pleite: Die deutschen Zocker-Kommunen waren gewarnt - WELT

Am 8. April war die Welt in Markt Lappersdorf wieder in Ordnung. An diesem Tag gingen 100.260 Euro auf dem Konto der Gemeinde im Norden von Regensburg ein. Geld, das bei der Greensill Bank angelegt wurde und nun vom Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken zurückerstattet wurde. 100.000 waren die ursprüngliche Anlagesumme. 260 Euro gab es noch als Zinsen.

„Die Angelegenheit ist somit für den Markt Lappersdorf zufriedenstellend abgeschlossen. Wir bedanken uns bei den beteiligten Stellen für die schnelle und unkomplizierte Abwicklung“, teilte Bürgermeister Christian Hauner (Freie Wähler) mit.

Wie kann das sein? Städte, Gemeinden, sogar das Bundesland Thüringen haben bei der Pleitebank Greensill Geld angelegt – auf Nimmerwiedersehen. Bis zu 500 Millionen Euro sollen es laut Branchenkennern sein. Belegt sind bislang nur 343 Millionen Euro von 38 Kommunen plus das Bundesland Thüringen. Die Anlagesummen liegen zwischen 100.000 und 50 Millionen Euro. Und diese Anlagen erfolgten auf volles eigenes Risiko, weil die Einlagensicherung für Kommunen im Oktober 2017 aufgehoben wurde.

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03.03.2021, Bremen: Ein Schild mit dem Firmennamen «Greensill Bank» hängt am Eingang der Bremer Privatbank. Die Finanzaufsicht Bafin macht die in Turbulenzen geratene Bremer Greensill Bank AG dicht. Foto: Sina Schuldt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Finanzskandal

Lappersdorf bekam sein Geld trotzdem zurück, weil die Stadt ihr Geld schon im Jahr 2016 für fünf Jahre bei Greensill angelegt hatte, als die Einlagensicherung noch galt. „Die von uns getätigten Einlagen bei der Greensill Bank AG waren zu keinem Zeitpunkt in Gefahr“, sagt Hauner. Als die Einlagensicherung für die Kommunen im Bereich der Privatbanken aufgehoben wurde, sei für bereits getätigte Einlagen ein garantierter Bestandsschutz erhalten geblieben.

So viel Glück hatten andere nicht. Aber auch Monheim in Nordrhein-Westfalen, dass 38 Millionen verspielt hat oder Eschborn in Hessen, das 35 Millionen verloren hat, hätten ohne weiteres wissen können, wie unsicher ihre Geldanlage ist. Denn schon im Jahr 2019, fast zwei Jahre vor der Greensill-Pleite, hat die Schweizer Ratingagentur Independent Credit View (I-CV) die Greensill Bank als Ramsch bewertet – die Agentur Scope hatte die Bonität der Bank noch mit „A“ bewertet.

„Die Transparenz der Greensill Gruppe und der Greensill Bank waren nicht kapitalmarktwürdig und verdienten erst recht kein Investment Grade Rating“, so I-CV kürzlich. Die Mängelliste sei lang gewesen: Stutzig gemacht hätte, dass es eine Vielzahl von finanziellen Verflechtungen zwischen den Konzerngesellschaften ohne freien Zugang zu einer Konzernstruktur und einem Konzernabschluss gegeben habe. Eine Kommunikation zu Investoren habe es auch nicht gegeben und Geschäftspläne seien regelmäßig verfehlt worden.

„Eine Black-Box“

Man habe „eine winzige Bank“ vorgefunden, „die in kürzester Zeit das Einlagevolumen hochpumpt, in zwei Jahren mehr als verzehnfacht, um was zu finanzieren? Internationale Lieferketten, eine Black-Box.“ Bis zum Jahr 2019 sei die größte Einnahmequelle der Bank nach dem Zinsergebnis die Leasinggebühren, die die Bank von der Muttergesellschaft für die Finanzierung der Privatflugzeuge des Firmengründers Lex Greensill erhielt.

„All das bedeutet nicht, dass wir die Pleite vorhergesehen haben“, sagt die Schweizer Agentur, die Greensill im Auftrag einer nicht näher genannten deutschen Kommune unter die Lupe genommen habe. „Wir haben unseren Kunden aber bereits 2019 die Greensill Bank in gleich deutlichen Worten, wie wir dies nun auch öffentlich tun, beschrieben und diese im tiefen NonInvestment Grade eingestuft.“ Natürlich hat der Kunde sein Geld nicht zu Greensill getragen.

Es gebe andere Möglichkeiten für Kommunen, sagt Richard Feininger, Gesellschafter bei der Vermögensverwaltung Böhke & Compagnie Consultants KG in Braunschweig. Mit der richtigen Strategie lasse sich ein Szenario, wie das, vor dem jetzt fast 40 deutsche Gemeinden stehen, vermeiden, ohne auf kapitalerhaltende Rendite zu verzichten.

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„Seit der Abschaffung der Einlagensicherung für Städte und Gemeinden, sind Kämmerer deswegen gezwungen, sich mit dem Thema Kapitalanlage und Risikomanagement zu beschäftigen. Denn wie die Greensill-Insolvenz wieder einmal gezeigt hat, auch Festgelder und Co. bergen Gefahren, sie sind nur vielleicht nicht so offensichtlich wie bei börsennotierten Anlagen“, so Feiniger.

Er hat die Stadt Verl und deren Kämmerer Heribert Schönauer beraten und schon 2018 ein mittel- bis langfristiges Vermögensanlagekonzept umgesetzt. Feiniger: „Es soll positive Rendite bei gleichzeitig hoher Sicherheit und Verfügbarkeit ermöglichen.“

Verl, eine Stadt im Nordosten Nordrhein-Westfalens in der Nähe von Bielefeld, hatte die Vorgabe gemacht, dass in zwei bis drei Jahren Liquidität gebraucht werde. Die Antwort sei ein Mix aus verschiedenen Anleihen mit kurzen Restlaufzeiten gewesen.

Kommunen brauchen kluge Anlagestrategien

Die Suche nach diesen Anleihen mit der richtigen Balance von Kurs und Coupon sei mit der Arbeit eines Trüffelschweins vergleichbar, aber es sei möglich. Feiniger: „Am Ende kommen wir vielleicht auch nur auf Null Prozent, aber das ist besser als minus 0,6 Prozent bei der Deutschen Bank – oder der Totalverlust bei Greensill.“

Aktuell sei in Verl eine weitere Vermögensanlage in der Umsetzung, die das Ziel verfolge, künftig nur noch ein Teil der vorhandenen Liquidität kurzfristig verfügbar auf Bankkonten zu verwahren. Negativzinsen auf die Liquiditätsreserven zu vermeiden, sei eine Herausforderung, sagt Feiniger.

Auf Basis einer mehrjährigen Haushaltsplanung seien individuelle Anlagestrategien erarbeitet worden. Langfristig werde Geld in einen bestehenden Spezialfonds investiert. Der Vorteil: Sollte eine der verantwortlichen Banken oder Vermögensverwalter insolvent gehen, gelten die Anlagen im Fonds als Sondervermögen und seien somit geschützt.

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„Im kurzfristigen Segment werden Rentenpapiere mit geringen Restlaufzeiten aus der Euro-Zone und Großbritannien genutzt. Hier liegt der Fokus darauf, lediglich Negativzinsen zu vermeiden. Im mittelfristigen Bereich wird durch eine Mischung von Staats- und Unternehmensanleihen sowie einem kleineren Aktienbaustein eine jährliche Rendite von 1,5 Prozent zum Inflationsausgleich angepeilt.

„Durch solch ein Modell können Kommunen Strafzinsen effektiv vermeiden und die Risiken minimieren“, sagt Feiniger. Natürlich würde für kurzfristig anfallende Ausgaben auch Geld auf dem Konto gebraucht, aber ohne Einlagensicherung für die öffentliche Hand sollten Kämmerer die trügerische Sicherheit von Bankeinlagen stets mit einkalkulieren, rät Feiniger.

Die Anlagetipps für jeden Kämmerer von Feininger: Nicht nur auf einen Anbieter vertrauen, sondern lieber breit gestreut die Chancen des Kapitalmarkts für liquide Mittel nutzen. „Und wenn schon Risiken eingegangen werden, dann nur gegen eine entsprechende Risikoprämie. Mit einem ausreichenden Zeithorizont bietet hier der Kapitalmarkt gute Chancen, da Marktschwankungen ausgesessen werden können“, sagt der Berater.

Zudem solle man unbedingt auf unabhängige Beratung setzen, wenn man nicht genug Anlagekompetenz im eigenen Haus habe. Feiniger: „Und Vorsicht: Produktanbieter sind im Zweifel immer ihrem Produkt und nicht in erster Linie dem Kunden verpflichtet.“ Außerdem: So viel Glück wie in Markt Lappersdorf gibt es kein zweites Mal.

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