EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton und Intel-Chef Pat Gelsinger hatten viel zu bereden. Beinahe drei Stunden saßen beide am Freitag in Brüssel zum Lunch zusammen. Es sei alles andere als ein gemütliches gemeinsames Essen gewesen, hieß es nachher. Beide Seiten hätten intensiv miteinander verhandelt, unter welchen Bedingungen sich Intel in der EU engagieren und an der europäischen Halbleiter-Allianz beteiligen kann, hieß es aus dem Umfeld von Breton. Gelsinger habe akzeptiert, dass die Europäische Union bei dem geplanten Aus- und Aufbau der europäischen Halbleiterfertigung die Richtung vorgeben werde. Intel könnte dabei eine durchaus zentrale Rolle zukommen.
Die Halbleiter-Produktion liegt heute zum Großteil in der Hand asiatischer Hersteller. Die Autohersteller und andere Industriekonzerne haben momentan große Problem mit der Halbleiterversorgung und müssen deshalb die Produktion zurückfahren. Breton wiederum will die EU mit der Halbleiter-Allianz deshalb wieder unabhängiger machen. Bis zum Jahr 2030 will er den Anteil der Europäer an der Halbleiterfertigung auf der Welt von 10 auf 20 Prozent steigern. Sein Fokus liegt dabei vor allem auf Chips kleinster Größen, die weit unter der Dicke eines Haares liegen.
Er will Produktionskapazitäten für Chips von 2 Nanometern oder sogar weniger aufbauen. Dazu aber sind die europäischen Unternehmen ohne eine Beteiligung von Unternehmen wie Intel, des taiwanesischen Unternehmens TSMC oder der Koreaner von Samsung kaum in der Lage – weshalb Breton momentan den Kontakt mit den drei Konzernen sucht.
Mit gemischtem Erfolg. Ein Gespräch mit Samsung kam bisher nicht zustande. Die Begeisterung von TSMC, in Europa Fabriken aufzubauen, hält sich offenbar in Grenzen. Zwar sprach Breton am Freitag auch mit deren Europa-Chefin, Maria Marced. Die Taiwaner haben aber signalisiert, dass sie derzeit nicht im großen Stil in Europa investieren wollen. Dass der Intel-Vorstandsvorsitzende Gelsinger sogar persönlich anreiste, hatte denn auch zumal in Zeiten von Corona durchaus Signalwirkung.
Tatsächlich nutzte Gelsinger seinen Aufenthalt in Brüssel, um seine Bedingungen zu diktieren. Im Gespräch mit Breton fiel nach Informationen der F.A.Z. zwar kein Wort dazu. Auch um mögliche Standorte für die Halbleiterfertigung, im Branchenjargon ist stets nur von „fabs“ die Rede, ging es nicht.
m Gespräch mit mehreren europäischen Medien allerdings nannte Gelsinger Zahlen: Intel fordert 8 Milliarden Euro staatliche Hilfen für den Bau einer Chipfabrik in Europa. Sein Unternehmen habe die europäischen Regierung wie auch die amerikanische Regierung aufgefordert, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um bei der Produktion mit der Konkurrenz aus Asien mithalten zu können. Eine Chip-Fabrik koste rund 10 Milliarden Euro, und üblicherweise baue man nicht nur eine, sondern gleich zwei Fabriken, erläuterte Intel auf Anfrage der F.A.Z. In Asien seien 40 Prozent eine übliche Subvention. So kommt man dann bei einer Gesamtsumme von 20 Milliarden Euro auf Staatshilfen von 8 Milliarden Euro.
Werben um attraktive Bedingungen
Im Umfeld von Breton wollte sich zu dieser Summe niemand äußern. Der Franzose lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Batterie-Allianz am Geld nicht scheitern soll. Im Gespräch mit der F.A.Z. stellte er vor einigen Tagen öffentliche Mittel im höheren zweistelligen Milliardenbereich in Aussicht. Nutzen will er dafür das EU-Instrument zur Förderung wichtige Projekte im gemeinsamen europäischen Interesse, kurz IPCEI, das großzügige staatliche Hilfen erlaubt, die über den ansonsten strikten EU-Rahmen spürbar hinausgehen.
Wo Intel die Fabriken bauen könnte, will das Unternehmen erst in der zweiten Hälfe des Jahres entscheiden. Für den Konzern gibt es auch keinen Grund, die Entscheidung zu überstürzen. So sehr Breton auch betont, die Europäer bestimmten die Bedingungen für die Beteiligung Intels an der Halbleiter-Allianz – die Entscheider von Intel wissen genau, dass für die Mitgliedstaaten der Bau von Halbleiter-Fabriken und die daran hängenden Tausenden an Arbeitsplätzen extrem attraktiv ist. Das gilt auch für Deutschland. Mit dem Wissen lässt es sich gut um die attraktivsten Bedingungen für ein Engagement werben.
Gelsinger hat sich in den vergangenen Tagen in Deutschland sowohl mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) als auch dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) getroffen. Er hat BMW und die Deutsche Telekom besucht. Auch den Hauptsitz von VW soll er nach Agenturberichten besucht haben – was Intel indessen dementierte.
VW-Chef Diess wiederum möchte, dass der größte deutsche Autohersteller künftig eigene Hochleistungschips entwickelt, was ein Engagement von Intel in Europa attraktiver machen würde: Die Rentabilität neuer Fertigungskapazitäten in der EU hängt natürlich von der entsprechenden Nachfrage ab.
Zudem soll die Halbleiter-Allianz schließlich auch die Forschung und Entwicklung vorantreiben. Europa will nicht nur verlängerte Werkbank sein, wie Wirtschaftsminister Altmaier nach einem Treffen mit Breton am Donnerstag betonte. Auf Seiten der Europäer sollen sich an der Chip-Allianz unter anderen die niederländischen Unternehmen ASML und NXP beteiligten, mit denen Breton in der kommenden Woche sprechen will. Auch mit Infineon und STMicroelectronics ist der Franzose im Gespräch.
Intel-Chef fordert Milliarden-Subventionen für neue Chipfabrik - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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