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Sunday, May 23, 2021

Mängelware aus Asien: EU nimmt Amazon und Co. in die Pflicht - WELT

Die Gefahr, in Deutschland fabrikneue Elektrogeräte zu kaufen, die sich schnell als Elektroschrott erweisen, ist groß. Allein im vergangenen Jahr hat die Bundesnetzagentur 21 Millionen fehlerhafte Produkte aus dem Verkehr gezogen.

Mal sind es WLAN-Verstärker, die die Signale des Nachbarn stören. Mal bringt ein sogenannter Wasservitalisierer den Amateurfunk durcheinander. Oder es kommen Babyphones auf den Markt, die keine deutsche Bedienungsanleitung haben. Der Großteil solcher Mängelware kommt als Direktimport aus China und wird über Marktplätze im Internet angeboten.

Das Risiko für die Hersteller ist gering, selbst wenn ihre Ware dem Zoll oder der Netzagentur negativ auffällt. Mehr als einen Verlust der Produktionskosten haben sie kaum zu befürchten. Für eine weitergehende Haftung sind die Produzenten in der Regel in Deutschland nicht greifbar – nicht für die Käufer und auch nicht für die Behörden.

Juristen loben Verschärfung der Kontrollen

Das allerdings soll sich bald ändern. Am 16. Juli tritt eine neue Regelung der EU in Kraft: die sogenannte Marktüberwachungsverordnung. Juristen loben die klarer gefassten Vorschriften, eine Verschärfung der Kontrollen auf Übereinstimmung mit europäischen Vorschriften – und die geplante engere Kooperation der Behörden.

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Schon bisher mussten Hersteller in China und anderen Drittländern einen Ansprechpartner in der EU benennen, der für die Behörden technische Unterlagen bereithält, die Produkte überwacht und im Zweifel für Mängel geradesteht. Doch das funktioniert in der Praxis oft nicht.

Die neue Verordnung soll nun Hersteller und Bevollmächtigte sowie Importeure und die Versender der Ware in die Pflicht nehmen. Also auch große Internetmarktplätze wie Amazon oder Ebay. Sie gelten, anders als bisher, künftig ebenfalls als „verantwortlicher Wirtschaftsakteur“ für den Fall, dass sie die Produkte als Logistik-Dienstleister auf den Weg gebracht haben und dass in der EU weder der Hersteller noch sein Importeur oder ein Bevollmächtigter für die Kontrolleure greifbar sind.

Amazon übernimmt Rolle als „verantwortliche Person“

Die wichtigsten Marktplatzbetreiber reagieren. Amazon etwa bietet betroffenen Händlern auf der Plattform an, die neue Rolle als „verantwortliche Person“ zu übernehmen. Für eine Gebühr von 25 Euro monatlich je Verkäufer hält der Konzern die erforderlichen Unterlagen etwa zur europäischen CE-Kennzeichnung bereit und sorgt dafür, dass Behörden wie die Bundesnetzagentur sie einsehen können, sofern der „Versand durch Amazon“ erfolgt ist.

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(FILES) In this file photo taken on February 02, 2021, an Amazon delivery driver carries boxes into a van outside of a distribution facility in Hawthorne, California. - A week of blockbuster earnings reports from Big Tech culminates Thursday with Amazon revealing profits from pandemic-revved online shopping and growing reliance on internet-hosted services. The e-commerce colossus is among the internet giants whose businesses thrived as precautions against Covid-19 led people around the world to go online for work, school, shopping and socializing. (Photo by Patrick T. FALLON / AFP)
Onlinehandel

Bei erkannten Sicherheitsproblemen wird Amazon auch selbst aktiv. Zum Service, so heißt es in den Vertragsbedingungen, gehöre die Unterrichtung der Marktüberwachungsbehörden über mögliche Mängel, „wenn Amazon Grund zu der Annahme hat, dass diese Produkte ein Risiko darstellen könnten“.

„Amazon hat spezielle Hilfsinformationen für Verkaufspartner erstellt, sie seit fast einem Jahr wiederholt über diese Anforderung informiert und Lösungen entwickelt, die sie dabei unterstützen, gesetzeskonform zu agieren“, sagte ein Sprecher der deutschen Tochterfirma in München. Das ist auch eine Maßnahme zur Absicherung des eigenen Geschäfts. Denn Herstellern aus Drittländern, die die neuen Anforderungen ignorieren, droht ab der zweiten Julihälfte der Rausschmiss aus dem Marktplatz.

Schwelle zum Schummeln ist niedrig

Die Expertin Giorgia Carandente von der Kanzlei Taylor Wessing sieht eine „neue Ära für die Produktsicherheit“ heraufziehen. Ein Sprecher der Bundesnetzagentur sagt, die Verordnung „ist aus unserer Sicht eine Verbesserung gegenüber dem Status quo“. Wie wirksam und praxistauglich sie am Ende wirklich sei, werde sich allerdings noch zeigen müssen.

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Skeptisch ist Jörg Brettschneider, ein im China-Handel erfahrener Rechtsanwalt aus Hamburg. Es werde zumindest dauern, bis sich die neuen Regeln herumgesprochen hätten. „Viele Händler aus China sind auf die Marktüberwachungsverordnung noch nicht vorbereitet“, sagt er. Das gelte ganz grundsätzlich für Regulierungen und Normen für Produktionssicherheit. Viele Hersteller und Importeure hätten daher nicht im Blick, welche Folgen die Regeln für sie haben.

„Viele fangen einfach an, Überseegeschäfte zu machen, und lernen erst durch Sanktionen“, so Brettschneider. „Das hat auch etwas mit kultureller Prägung und dem Regulierungsumfeld in China zu tun.“ In Shenzhen etwa, einem Zentrum für Exportproduktion, existierten bisher kaum staatliche Regulierungen. Die Schwelle zum Schummeln ist deshalb niedrig. So kommt es häufiger vor, dass deutsche Firmen von Exporteuren ungefragt als „Bevollmächtigte“ innerhalb der EU genannt werden.

„Die Missbrauchsproblematik wird zunehmen“

„Immer wieder drucken chinesische Unternehmen die Adressen deutscher GmbHs auf ihre Produkte, ohne dass diese davon wissen“, sagt Brettschneider. So etwas könne extrem unangenehm werden, spätestens wenn Schäden durch Erzeugnisse entstünden, die nicht den Anforderungen der EU an die Produktsicherheit entsprächen.

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Das hat zum Beispiel Peng Lu, Geschäftsführer des Hamburger China-Importeurs Brandsstock, erfahren. Es war im vergangenen Jahr, der Frühphase der Corona-Pandemie, als er Probleme bekam. In Deutschland waren Gesichtsmasken Mangelware. Aber Peng Lu hatte Kontakt zu einem Hersteller in seinem Heimatland. Der konnte liefern wie geplant.

„Doch es gab Qualitätsprobleme mit einer Charge“, sagt Peng Lu. Und der Produzent hatte Brandsstock als seinen Bevollmächtigten für die EU auf den Verkaufspackungen angegeben. Ohne entsprechende Verträge mit dem Hamburger Unternehmen und ohne es vorher informiert zu haben. Anwalt Brettschneider erwartet, dass solche Fälle mit steigendem Regulierungsdruck in der EU mehr und mehr werden: „Die Missbrauchsproblematik wird ab Sommer meines Erachtens sehr stark zunehmen.“

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