Die Luftfahrtindustrie reagiert auf den wachsenden Druck für umweltfreundlichere Flugzeuge. Nach der Airbus-Ankündigung, bis 2035 ein Nullemissionsflugzeug mit Wasserstofftechnologie auf den Markt zu bringen, kommt jetzt auch eine Weichenstellung aus der Triebwerksbranche.
Das große amerikanisch-französische Gemeinschaftsunternehmen CFM, das seit Jahrzehnten alle Boeing-737-Modelle und grob die Hälfte aller Airbus-A320-Flugzeuge mit Triebwerken versorgt, schlägt einen Öko-Zukunftsantrieb für die nächste Flugzeuggeneration vor: Eine Mischung aus einem Jet- und Propellertriebwerk. Experten sprechen von der Open-Rotor-Technik.
2035 könnte das Triebwerk einsatzbereit sein, für das jetzt ein gemeinsames Entwicklungsprogramm gestartet wurde. Falls die bisherigen CFM-Kunden Airbus, Boeing und Comac aus China dieses Triebwerk bestellen, wäre es der größte Technologiewandel in der Zivilluftfahrt seit Jahrzehnten.
Alle größeren Passagierflugzeuge basieren derzeit auf Turbinen-Strahltriebwerken, meist mit großen Schaufelblättern (Fan) am Lufteinlass. Sie blasen wie ein Propeller große Luftmengen nach hinten und sorgen so für Schub. Aus Sicherheitsgründen ist der Triebwerke-Fan bislang ummantelt. Der Sicherheitsmantel soll im neuen Konzept abgestreift werden.
Seit 40 Jahren testen Ingenieure in diversen Bündnissen den Open-Rotor-Antrieb. Die Grundidee ist, dass sich der Fan wie ein großer Propeller offen dreht. Bislang sahen die Konzepte gegenläufige Propeller vor. Nun schlägt CFM im Projekt Rise (Revolutionary Innovation for Sustainable Engines) die Entwicklung des Triebwerks mit nur einem großen offenen Rotor vor.
Das Triebwerk soll 20 Prozent weniger Kerosin als aktuelle Triebwerke verbrauchen, was auch 20 Prozent weniger CO2 bedeuten würde. Statt Kerosin soll das Triebwerk jedoch entweder mit dem Öko-Treibstoff SAF (Sustainable Air Fuel) oder auch Wasserstoff betrieben werden, was die CO2-Einsparung gegenüber Kerosin auf 80 bis 100 Prozent erhöhen würde.
Wettlauf um die Öko-Triebwerke
Bislang sind Triebwerke nur bis 50 Prozent Öko-Treibstoff von den Aufsichtsbehörden zugelassen. Künftig sollen es 100 Prozent SAF werden. Diesen Öko-Treibstoff gibt es derzeit nur in Minimalmengen, zum fünffachen Preis.
Hinter CFM steht ein 50:50-Gemeinschaftsunternehmen aus dem größten Triebwerkshersteller der USA, General Electric Aviation, sowie der Nummer eins in Frankreich, Safran. Gegründet 1974, gehört das transatlantische Bündnis CFM zum kleinen Kreis der bedeutenden Triebwerkshersteller wie Pratt & Whitney (USA) mit seinem deutschen Kooperationspartner MTU Aero Engines sowie dem britischen Hersteller Rolls-Royce.
Wie es jetzt zur Bekanntgabe des Rise-Projektes hieß, wird das Gemeinschaftsunternehmen CFM bis mindestens 2050 verlängert. GE-Aviation-Chef John Slattery forderte während der Präsentation die Konkurrenz auf, in den Wettbewerb um neue Öko-Antriebe einzutreten. Zunächst handele es sich bei dem Rise-Projekt um ein Technologievorhaben und noch nicht um die konkrete Ankündigung eines neuen Triebwerks. Dies hänge von den Flugzeugherstellern und ihrer Modellplanung ab.
Das Open-Rotor-Triebwerk ermögliche neue Flugzeugkonstruktionen, etwa mit dem Antrieb im Heck. GE und Safran hoffen auf staatliche Unterstützung bei der Entwicklung des neuen Antriebs. GE-Aviation-Chef Slattery erklärte, dass dieses neue Open-Rotor-Triebwerk nicht lauter sein wird als ein modernes Leap-Triebwerk von CFM.
Es müssten keine Abstriche bei der Geschwindigkeit gemacht werden. Bei der Präsentation wurden keine konkreten Angaben über den Durchmesser der Turbinen oder den Schub gemacht. Seit 2019 wurden gemeinsame Entwicklungen mit neuen Technologien und neuen Materialien gemacht.
Fairer Wettbewerb
In einer ersten Reaktion begrüßte Airbus das Open Rotor-Technologieprojekt von CFM. „Das ist sehr willkommen“, sagte Airbus-Programmmanager Philippe Mhun im Rahmen einer virtuellen Pressekonferenz über die aktuelle Airbus-Situation. Vorteilhaft sei, dass bei diesem Triebwerk unterschiedliche Energieträger, wie der Öko-Treibstoff SAF oder auch Wasserstoff zum Einsatz kommen können. „Alle Schritte zum umweltfreundlichen Fliegen sind gut“, sagte Mhun.
Zu den positiven Signalen zählt Airbus auch die Entwicklung im jahrzehntelangen transatlantischen Konflikt über Staatshilfen sowie Strafzölle für die Flugzeughersteller. Nachdem die Welthandelsorganisation entschieden hatte, die EU habe gegen Subventionsregeln für Airbus verstoßen, verhängten die USA Zölle in Höhe von 7,5 Milliarden Dollar (rund 6,2 Milliarden Euro).
Nach einer ähnlichen WTO-Entscheidung zu Boeing reagierte die EU im November mit Strafzöllen von vier Milliarden Dollar. Nach Amtsantritt des neuen Präsidenten Joe Biden einigten sich beide Seiten darauf, die Zölle erst einmal auszusetzen. Nun haben sich die EU und die USA auf einen Vertrag zur Beendigung des Streits um Subventionen für Airbus und Boeing geeinigt.
Beide Seiten hätten sich auf ein Fünf-Jahres-Abkommen zur Aussetzung der milliardenschweren Strafzölle geeinigt, sagte die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai am Dienstag. Wie Airbus-Verkaufschef Christian Scherer bei der Airbus-Pressekonferenz sagte, wird mit der Einigung eine Grundlage für die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen geschaffen. So würden „Lose-Lose“-Zölle für beide Seiten vermieden.
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Airbus und Boeing: 2035 Kerosin-frei durch den „Öko-Propeller“ - WELT
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