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Monday, June 7, 2021

„Silicon Saxony“: Bosch soll Europas Technologieführung zurückerobern - WELT

Es ist ein großer Schritt für den Technologiekonzern Bosch – und es soll auch ein großer Schritt für die Europäische Union (EU) sein. Erstmals seit rund zwei Jahrzehnten wird auf dem Kontinent wieder eine große, neu gebaute Fabrik für Halbleiter eröffnet. Das Werk von Bosch in Dresden liefert ab Juli Chips für Elektrowerkzeuge des Unternehmens und ab September für die Automobilindustrie.

„Mit unserem Engagement stärken wir den Technologie- und Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagte Konzernchef Volkmar Denner zur Eröffnung. „Das ‚Silicon Saxony‘ ist Europas größter Mikroelektronikstandort und der fünftgrößte weltweit. Jeder dritte in Europa produzierte Chip wird hier gefertigt.“

Die meisten Chips werden inzwischen allerdings außerhalb Europas gefertigt. Diese Abhängigkeit bekommt derzeit vor allem die Autoindustrie zu spüren. Weltweit herrscht ein Lieferengpass bei Halbleitern, der dazu führt, dass die Produktion in vielen Fabriken stillsteht. Hunderttausende Autos können deswegen nicht gefertigt werden.

Die fehlenden Chips sind Standardprodukte, die von wenigen Herstellern in Asien und den USA hergestellt werden. In der neuen Fabrik in Sachsen werden diese Standardteile zwar nicht gefertigt, dennoch könne sie am Markt dazu beitragen, „dass der Druck etwas reduziert wird“, sagte Denner.

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Und sie soll dazu beitragen, dass Europa strategisch wieder unabhängiger wird vom weltweiten Halbleitermarkt. Die EU zählt die Fabrik zu den „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI), also wichtigen gemeinsamen Projekten, die aus besonders großen Töpfen gefördert werden. Das macht den Weg frei für einen staatlichen Zuschuss von 200 Millionen Euro – bei einer Investitionssumme von rund einer Milliarde Euro.

„Als Teil der neuen Digitalstrategie der EU ist es unser Ziel, 20 Prozent der zukunftsweisenden Halbleiter bis zum Jahr 2030 selbst herzustellen“, sagte EU-Vizepräsidentin Margrethe Vestager. Es gehe darum, eine digitale, inklusive Gesellschaft zu schaffen, „in der Technologie wirklich den Menschen dient“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte die wachsende Bedeutung von Chips als Rohstoff der modernen Wirtschaft. „Früher galt Öl als Lebenselixier einer Volkswirtschaft, und heute sind wir dringender denn je auf Halbleiter angewiesen“, sagte sie. Europa müsse auf weniger Abhängigkeit vom Weltmarkt hinarbeiten, auch um in Krisen wie der aktuellen widerstandsfähiger zu werden. „Wir sind nicht in der Poleposition, sondern wir müssen aufholen“, sagte Merkel.

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Für Bosch ist die Fabrik die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Unternehmens. Zuletzt hatte der Stiftungskonzern im Jahr 2010 in seine deutlich ältere Chipfabrik in Reutlingen 600 Millionen Euro investiert. Mikroelektronik stellt Bosch bereits seit den 50er-Jahren her, in Kombination mit Sensoren und der entsprechenden Software bildet sie die Grundlage von Systemen wie ABS und ESP im Auto. Die Halbleiter aus Sachsen wird das Unternehmen vor allem für eigene Produkte verwenden, die es Autoherstellern zuliefert. Ein Teil der Chips soll auch an andere Firmen weiterverkauft werden.

Zwar gilt Bosch als größter Automobilzulieferer der Welt, bei Halbleitern für die Branche ist der Hersteller aber nur die Nummer sechs. Andere Zulieferer wie etwa Continental oder ZF Friedrichshafen kaufen ihre Halbleiter von spezialisierten Herstellern ein. Auf Platz eins bei den Chips fürs Auto rangiert der deutsche Konkurrent Infineon mit 13 Prozent Marktanteil. Der Chef des Unternehmens, Reinhard Ploss, lobte die neue Fabrik als „wichtigen Meilenstein für Bosch und für den Standort“.

In kurzen Videobotschaften gratulierten außerdem die Chefs der Chipriesen Intel, Nvidia, ST Microelectronics und Texas Instruments. Auch Glückwünsche von Bosch-Kunden wie General-Motors-Chefin Mary Barra, Ola Källenius, Vorstandschef von Daimler, und BMW-Chef Oliver Zipse wurden eingespielt. Zipse betonte, dass in jedem neuen Auto Tausende Halbleiter verbaut werden. Die neue Fertigung sei deswegen auch für die Versorgungssicherheit der Branche in Deutschland hochrelevant.

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Die Branche geht davon aus, dass der Wert der Mikroelektronik in einem Neuwagen in zwei Jahren 600 Euro erreichen wird – im Jahr 1998 waren es noch 120 Euro. Laut Bosch waren im Jahr 2019 in jedem neuen Fahrzeug auf der Welt im Durchschnitt 17 von dem Unternehmen gefertigte Chips eingebaut. Diesen Wert will Denner natürlich steigern.

Neben Autohalbleitern fertigt Bosch unter anderem Mikrosensoren, die in nahezu jedem Smartphone auf der Welt eingebaut werden. Sie sorgen dafür, dass das Gerät Bewegungen erkennt und beispielsweise das Bild kippt, wenn die Anzeige gedreht wird.

Wie viele Halbleiter das Unternehmen künftig produzieren wird, wollte Denner nicht beziffern. „Wir werden aber eine deutlich größere Kapazität haben“, sagte er. Die Reinraumfläche in Dresden ist mit 72.000 Quadratmetern doppelt so groß wie in Reutlingen. Außerdem nutzt Bosch in Sachsen Silizium-Wafer mit einem Durchmesser von 300 Millimetern, etwa der Größe einer Langspielplatte. Auf diese Trägerplatten passen doppelt so viele Chips wie auf die 200-Millimeter-Wafer, die in der bestehenden Fabrik produziert werden.

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Merkel nannte das Bosch-Werk ein „Paradebeispiel für die Fabrik der Zukunft“. Tatsächlich läuft die Produktion vollständig automatisiert und wird mithilfe von künstlicher Intelligenz gesteuert und optimiert. Für Denner ist das Werk ein erstes großes Aushängeschild seiner AIoT-Strategie – der Verbindung aus künstlicher Intelligenz und dem Internet der Dinge, also einer vollständigen Vernetzung aller Maschinen und Bauteile.

Die Fabrik hat auch einen „digitalen Zwilling“ – eine Computeranimation, in der sich Mitarbeiter mit Virtual-Reality-Brillen bewegen könne, ohne das echte Gebäude zu betreten. Einfache Fabrikarbeiter werden in einem solchen Hightech-Umfeld praktisch nicht mehr gebraucht. Zum Start arbeiten 250 Menschen in dem Werk, unter Volllast sollen es einmal 700 Beschäftigte werden.

Der Großteil der Beschäftigten seien „extrem gut ausgebildete Halbleiterspezialisten“, sagte Harald Kröger, in der Bosch-Geschäftsführung für den Bereich zuständig. Dass es in der Region Dresden, dem „Silicon Saxony“, so viele spezialisierte Ingenieure für Mikroelektronik gibt, war neben den Subventionen auch ein Argument für die Schwaben, dort zu investieren.

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