Die von den sieben führenden Industriestaaten (G7) geplante globale Mindeststeuer dürfte dem deutschen Fiskus wenig bringen. Das ist das Ergebnis von Berechnungen, welche die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte angestellt hat. Demnach werden die Reformen, die Steuerdumping unterbinden und zu einer faireren Verteilung der Einnahmen führen sollten, höchstens 700 Millionen Euro zusätzlich in die deutsche Staatskasse spülen.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte intern einen Milliardenbetrag in Aussicht gestellt. Die G7 wollen Unternehmensgewinne weltweit mit mindestens 15 Prozent besteuern, von Gewinnen in Ländern mit niedrigeren Steuersätzen könnten die Staaten des jeweiligen Firmensitzes zusätzlich Steuern abschöpfen.
Außerdem sollen im Zuge der sogenannten Marktbesteuerung die 100 umsatzstärksten Unternehmen der Welt 20 Prozent des Gewinns dort versteuern, wo sie ihn erzielen – und nicht dort, wo sie ihren Sitz haben. Das soll aber nur für Firmen mit besonders hohen Gewinnspannen gelten, zehn Prozent sind im Gespräch. Nach Berechnungen von Deloitte könnte diese Marktbesteuerung 200 bis 300 Millionen Euro Steuermehreinnahmen bringen – vor allem von amerikanischen und chinesischen Konzernen, die hierzulande hohe Umsätze erzielen, wie Google, Microsoft und Alibaba.
Die globale Mindeststeuer brächte 380 Millionen Euro zusätzlich. Zum Vergleich: Allein die Kaffeesteuer bringt dem Fiskus jährlich 1,1 Milliarden Euro ein. »Gemessen an dem Compliance-Aufwand, der auf die Unternehmen zukommt, werden die deutschen Steuermehreinnahmen überschaubar sein«, sagt Björn Heidecke, Steuerexperte bei Deloitte. In den meisten anderen Industriestaaten werde das Ergebnis ähnlich ausfallen.
Die Mindeststeuer würde Deloitte zufolge rund 46.000 Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen treffen, vor allem aus den Branchen Handel und Konsumgüter, Finanzdienstleistungen und Automobil. Sie haben viele Töchter in Ländern mit geringem Steuersatz oder sogenannten Präferenzregimen, etwa in Irland, Ungarn, den Niederlanden oder Luxemburg. Autohersteller und -zulieferer beispielsweise produzieren und verkaufen viel in Südosteuropa, Handelskonzerne unterhalten dort große Vertriebsgesellschaften.
Von der Marktsteuer für die globalen Großkonzerne wären voraussichtlich lediglich sieben deutsche Konzerne betroffen. Gemessen am Umsatz zählen VW, Daimler, BMW, die Allianz, die Telekom sowie Siemens und Bosch zu den 100 größten der Welt. Jedoch sind sie derzeit alle nicht profitabel genug, um das aktuell diskutierte Gewinnkriterium zu erfüllen und tatsächlich zusätzliche Steuern abführen zu müssen. Noch ist aber unklar, wie die Regierungen die »größten« Unternehmen definieren wollen, diese könnten beispielsweise auch nach ihrer Marktkapitalisierung bewertet werden – womit noch weniger deutsche Konzerne in die Spitzengruppe gehören dürften.
Bei 21 Prozent Mindeststeuer steigen Einnahmen sprunghaft
Würden die Industriestaaten ambitioniertere Pläne verfolgen, könnten die Mehreinnahmen für Deutschland und andere Länder weitaus höher ausfallen. Läge der Mindeststeuersatz beispielsweise – wie zunächst von den USA vorgeschlagen – bei 21 Prozent, würden die Mehreinnahmen sprunghaft auf 1,6 Milliarden Euro steigen, weil deutlich mehr Länder mit ihren Steuersätzen unter dem neuen Mindestsatz lägen.
Die Mehreinnahmen könnten jedoch auch noch spärlicher ausfallen. Beispielsweise ist noch unklar, ob die Finanz- und die Rohstoffbranche bei den Steuerplänen ausgeklammert werden. Großbritannien soll einem Bericht der »Financial Times« zufolge eine Ausnahme für die Banken durchgesetzt haben.
Ebenso müssen die Staaten noch klären, ob sie sich bei der Mindeststeuer lediglich am Steuersatz orientieren und damit an der nominalen Besteuerung, oder ob sie sogenannte Präferenzregime berücksichtigen, die den Unternehmen in Staaten wie den Niederlanden und Luxemburg Schlupflöcher bieten und zu niedrigeren effektiven Steuern führen. Deloitte hat in ihren Berechnungen die Präferenzregime berücksichtigt, sonst würde die globale Mindeststeuer noch weniger Geld einspielen.
Am 9. und 10. Juli wollen sich die Finanzminister der G20 mit den Reformplänen befassen.
Exklusive Berechnungen: Globale Mindeststeuer bringt nur Peanuts - DER SPIEGEL
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