Tief im Südwesten des Landes hat es ihn schon gegeben – den Zwei-Euro-Moment an der Straßentankstelle. Gleich zwei Aral-Stationen haben in den Vormittagsstunden für ihre teuerste Benzinsorte 2,07 Euro je Liter an den Preismast geschrieben und damit einen Höchstpreis markiert.
Auf den Autobahnen gibt es diesen Preisstand ebenfalls: Nahe Würzburgs betraf es Tankstellen von Aral sowie Agip mit 2,08 Euro und 2,09 Euro für besondere Benzinsorten. Rund 360 Autobahntankstellen gibt es im Land, gegenüber 14.100 Benzinstationen jenseits der Autobahnen eher eine geringe Zahl. In vielen Fällen lässt sich daher abseits der Autobahntrassen eine Alternative zum Auftanken finden.
Selbst wenn der Automobilklub ADAC die betroffenen Kraftstoffsorten als Nische bezeichnet und deren Absatz im Vergleich zu den gängigen Sorten gering sein wird, zeigt die neue Wegmarke doch eine Bewegung: Die Preise für Benzin und Diesel klettern nach oben und auch eine Preisschwelle von zwei Euro schreckt die Tankstellenketten nicht ab.
Dieser heikle Trend dürfte derzeit Millionen Autofahrer beunruhigen, die regelmäßig pendeln oder eventuell auf Urlaubsfahrt sind. Denn trotz des Rückgangs der Rohölnotierungen müssen die Tankkunden in Deutschland mehr bezahlen als noch vor einer Woche.
So ist Rohöl der Nordseesorte Brent seit der vergangenen Woche um etwa einen Dollar in der Notierung gefallen und liegt derzeit bei rund 72 Dollar (61 Euro) je Barrel (159 Liter Fass). Zugleich vermeldet der ADAC, dass ein Liter Superbenzin E10 derzeit im bundesweiten Durchschnitt 1,56 Euro kostet.
Das sind 0,7 Cent mehr als vor Wochenfrist. Der Preis für Diesel stieg um 0,3 Cent auf durchschnittlich 1,39 Euro. Von den Jahreshöchstständen, die gleich am Anfang August gemessen wurden, sind die Tankstellenpreise aktuell jedoch wieder ein Stück weit entfernt.
Anstieg wohl nicht von Dauer
Der ADAC sieht vor allem den Urlaubsverkehr als Treiber der Preise im Benzinmarkt. „Der Reiseverkehr und die gestiegene Nachfrage sind die Auslöser für den erneuten Preisanstieg“, sagte ein Sprecher des Automobilklubs. Die Auswirkungen seien zwar nicht direkt zu beziffern.
Auch seien die Zeiten vorüber, in denen die Tankstellenketten regelmäßig vor den Ostertagen oder zu bundesweit einheitlichen Feiertagen Benzin und Diesel verteuert hätten. „Es ist jedoch klar erkennbar, dass die Tankstellen versuchen, hier noch etwas abzuschöpfen“, sagte der Sprecher.
Dafür liege der Versuch der Stationsbetreiber nahe, die Verkaufspreise etwas länger hochzuhalten und erst später als sonst im täglichen Auf und Ab üblich wieder zu senken. Nach Ansicht des ADAC besteht derzeit Spielraum für Preissenkungen an den Zapfsäulen.
Auch andere Marktkenner sehen das ähnlich. „An den Tankstellen gibt es einen spürbaren Anstieg der Nachfrage. Das wirkt sich auf die Preise aus“, sagt Kai Eckert, Chefredakteur des Energie Informationsdienstes (EID). Der Trend gehe zwar derzeit noch hoch, jedoch werde dies nicht von Dauer sein.
So rechnet Energieexperte Eckert damit, dass sich die jüngsten Beschlüsse der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) auswirken und die Preise sinken lassen werden. „Wenn die Öllieferungen in den Ländern wieder hochgefahren werden, wird dies abmildernd auf die Tankstellenpreise wirken“, sagt Eckert.
Zudem seien die Weltmärkte für Energie derzeit auch von Investoren und deren Aussicht auf hohe Gewinne getrieben. „Wenn die Spekulation aus dem Markt wieder heraus ist, wird sich die Situation verändern“, sagt Eckert.
Trendwende durch Corona
Die Höchststände der besonderen Benzin- und Dieselsorten beunruhigen den Experten nicht. Zwar würden diese so genannten Premiumkraftstoffe in Einzelfällen schon an die Zwei-Euro-Grenze heranreichen, sie spielten aber im gesamten Kraftstoffmarkt kaum eine Rolle.
Tatsächlich können die Autofahrer selbst Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen. Mit der Wahl der richtigen – und damit günstigsten – Tankstelle sowie des optimalen Tankzeitpunkts könne jeder Einzelne nicht nur Geld sparen, heißt es beim ADAC. Auch der Wettbewerb auf dem Kraftstoffmarkt werde dadurch angeheizt.
Tanken ist in der Regel zwischen 18 Uhr und 19 Uhr und dann wieder zwischen 20 Uhr und 22 Uhr am günstigsten. Neu ist die Unterbrechung dieser Phase. Denn genau in der Stunde dazwischen heben viele Tankstellenketten seit kurzem die Preise wieder an. Allerdings gilt dieser Trend nicht bundesweit. Lokal kann das Preisgebaren der Tankstellenbetreiber recht unterschiedlich sein.
Doch für die Einnahmen des Tankstellenpächters ist der Tankstellenshop gegenüber Benzin und Diesel der wichtigere Teil seines Geschäfts. Und dort hat sich seit der Hochphase der Corona-Pandemie mit wenig Autofahrten und seltenen Tankstellenbesuchen die Lage wieder gedreht.
Das geht aus Daten des Dienstleisters Eurodata hervor, die das Branchenmagazin Tankstellen-Welt veröffentlicht hat. Danach steigerte im Mai 2021 das gewinnträchtigste Verkaufsprodukt der Stationen, der Kaffee zum Mitnehmen, den Umsatz um zwölf Prozent. Bei Kaffeegetränken ist die Gewinnmarge für die Stationsbetreiber besonders hoch.
Lebensmittel von der Tankstelle erreichten in dem Monat sogar ein Umsatzplus von 19 Prozent. Zigaretten waren dagegen laut den Daten auch in der Zeit der Pandemie stark nachgefragt.
Tabakwaren steigerten danach ihren Umsatz im Corona-Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr gleich um ein Viertel. Dieses Absatzniveau hat sich nun im laufenden Jahr nicht weiter erhöht, aber zumindest gehalten.
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Benzin und Diesel: Warum der Zwei-Euro-Moment an der Tankstelle so heikel ist - WELT
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