SPIEGEL: Frau Elbrecht, der Mobilfunkanbieter Vodafone hat eingeräumt, dass einige Franchisepartner Sicherheitslücken in der Software ausgenutzt haben, um den Kunden Handys, Abos und Tarife ohne ihre Zustimmung zu buchen. Wie funktioniert dieser Betrug?
Elbrecht: Kunden kommen in den Laden, weil sie ein konkretes Problem haben oder eine Beratung wünschen. Die Mitarbeiter schließen dann ohne ihr Wissen einen neuen Vertrag ab, für den sie monatlich zahlen. Viele Verbraucher bemerken die Zusatzbuchung erst nach ein paar Monaten, wenn sie sich über die ungewohnt hohe Telefonrechnung wundern. Dann aber fallen sie aus allen Wolken.
SPIEGEL: Möglich sind diese Zusatzbuchungen offenbar aufgrund von massiven Datenschutzlücken. (Lesen Sie hier, wie ein ehemaliger Shopmanager mutmaßlichen Datenmissbrauch offenlegte). Sind Verträge, die auf eine solche Art abgeschlossen werden, rechtswirksam?
Elbrecht: Juristisch können sich die Kunden entspannen. Sie haben keinen Willen zum Vertragsabschluss ausgesprochen, vorsorglich könnte ein etwaiger Vertrag angefochten werden. Aber zunächst zieht Vodafone das Geld ein. Manche Verbraucher setzen sich zur Wehr und veranlassen Rückbuchungen. Andere beißen in den sauren Apfel, weil ihnen ein Kampf gegen Vodafone aussichtslos erscheint.
SPIEGEL: Gibt es einen besonders skurrilen Fall, der Ihnen in Erinnerung geblieben ist?
Elbrecht: Ein Verbraucher berichtete, er sei per SMS über einen vermeintlichen Vertragsabschluss in einem Vodafone-Shop informiert worden. Der Verbraucher war aber nie in diesem Shop. Nach Intervention durch die Verbraucherzentrale wurde der Vertrag »aus Kulanz« storniert.
SPIEGEL: Das Unternehmen erklärt auf Anfrage des SPIEGEL, ein solches Vorgehen in den Shops nicht zu dulden, »denn dies schadet unseren Kunden. Und es schadet auch uns.« Wie schätzen Sie das ein?
Elbrecht: Wir erhalten deutlich mehr Beschwerden zu Vodafone als zu jedem anderen Netzbetreiber, im letzten Jahr waren es etwa 11.000. Dazu kommt noch die Dunkelziffer. So etwas spricht sich rum. Das könnte sich langfristig auf die Kundenzufriedenheit auswirken und die Bereitschaft erhöhen, zur Konkurrenz zu wechseln.
SPIEGEL: Wie können Neukunden verhindern, dass sie den Shop mit einem ungewollten Zusatzvertrag verlassen?
Elbrecht: Schwierig wird es, wenn noch im Shop ein Vertrag unterschrieben werden soll. Erfolgt die Unterschrift via Tablet, kann der Kunde den Vertrag nicht in Gänze sehen. Er weiß nicht, was er da unterschreibt, und kann nicht erkennen, ob der Shopbetreiber noch irgendwo ein Häkchen gesetzt oder einen Zusatzvertrag gebucht hat.
SPIEGEL: Was raten Sie Kunden in einem solchen Fall?
Elbrecht: Sich nicht unter Druck setzen lassen. Immer darauf bestehen, dass der Vertrag ausgedruckt wird. Die Unterlagen im Zweifelsfall mit nach Hause nehmen und dort in Ruhe lesen. Heißt es dann, das Angebot gelte nur hier und heute, sollten Kunden misstrauisch werden und den Shop am besten sofort verlassen. Grundsätzlich empfehlen wir Verbrauchern, beim Besuch des Shops einen Zeugen mitzunehmen. Das gilt auch bei Gesprächen mit der Service-Hotline.
SPIEGEL: Auch Bestandskunden sollen Opfer von Betrug geworden sein. So sollten sie für Sondertarife, Flatrates und Spiele zahlen, die sie nie gebucht hatten. Was können Kunden tun, wenn ihnen beim Blick auf die Rechnung etwas komisch vorkommt?
Elbrecht: Das oberste Gebot lautet: Sofort reagieren und mit dem Rechnungssteller den Sachverhalt und die Hintergründe der Rechnung klären. Anderenfalls empfiehlt sich, den Rechtsrat der Verbraucherzentrale einzuholen und sich gegebenenfalls bei der Durchsetzung seiner Rechte unterstützen zu lassen.
SPIEGEL: Vodafone gibt an, stichprobenartige Zufriedenheitsanrufe bei Neukunden durchzuführen. Man gehe jedem Hinweis auf Unregelmäßigkeiten nach und fordere Stellungnahmen der jeweiligen Shopbetreiber ein. Kann man dem Unternehmen einen Vorwurf machen, dass es zu wenig zum Schutz der Kunden unternimmt?
Elbrecht: Die Frage ist, ob stichprobenartige Zufriedenheitsanrufe bei Neukunden ausreichen, wenn Bestandskunden ebenso betroffen sind. Ob Vodafone zu wenig zum Schutz der Kunden unternimmt, lässt sich schwer beurteilen. Zumindest steht die Frage im Raum, ob der Konzern schon viel früher hätte reagieren müssen. Die Probleme mit den Shops gibt es ja nicht erst seit heute.
SPIEGEL: Das Unternehmen verkündet, »weder Betrug noch sonstiges Fehlverhalten in seinen Reihen« zu dulden. Gleichzeitig verweist der Konzern darauf, es handele sich um Franchisepartner, nicht um eigene Shops. Ist das Unternehmen für seine Franchiser verantwortlich?
Elbrecht: Die Shops werben mit dem Vodafone-Logo. Das kann der Verbraucher nicht trennen. Sie arbeiten nicht nur mit dem Vertrauen der Marke. Vielmehr verdient Vodafone auch mit. Vodafone muss deshalb seine Hausaufgaben machen und sich von unseriösen Partnershops konsequent und zügig trennen.
Betrug bei Vodafone-Shops: »Verbraucher sollten bei jedem Besuch einen Zeugen mitnehmen« - DER SPIEGEL
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