Ab 17 Uhr will die Lokführergewerkschaft GDL ihre dritte Streikrunde starten. Zunächst im Güterverkehr, ab frühem Donnerstagmorgen soll auch der Personenverkehr bestreikt werden. Während viele Bahn-Kunden und weite Teile der Wirtschaft fluchen, gibt es auch Bereiche, die von der anstehenden Arbeitsniederlegung profitieren.
Die Lufthansa und ihre Billigtochter Eurowings etwa. Der Streik treibt die Buchungen laut einem Sprecher für innerdeutsche Flüge deutlich nach oben – sie weitet deshalb ihr Flugangebot bis kommenden Dienstag um mehr als 7000 Sitzplätze aus, wie ein Konzernsprecher mitteilte. Auf etwa 150 Flügen setze man größere Flugzeuge ein als eigentlich geplant und biete insgesamt rund 30 zusätzliche Flüge an.
Im Fokus stehen bei der Lufthansa unter anderem Verbindungen von Frankfurt und München nach Berlin und Hamburg und zurück. Eurowings verstärkt vor allem das Flugangebot von Düsseldorf, Köln/Bonn und Stuttgart nach Berlin und zurück.
Mit dem insgesamt mehr als fünftägigen Streik im Güterverkehr schadet die GDL aus Sicht des Unternehmens dem Ziel, mehr Transporte auf die Schiene zu verlagern. »Es ist damit ein Streik gegen das Klima«, teilte DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta mit. »Für den umweltfreundlichen Schienengüterverkehr werden die Folgen weit über den eigentlichen Streik hinausreichen.«
Bundesregierung: Folgen »auf das unvermeidbare Maß« beschränken
Der geplante Streikauftakt am Mittwochabend liege mitten in der Produktionswoche und treffe damit die Wirtschaft. Sie rechne damit, dass Kunden Transporte auf Lastwagen verlagern. DB Cargo habe auch Kooperationspartner mit dem Fahren von Zügen beauftragt, um system- und versorgungsrelevanten Verkehr sicherzustellen. Man setze alles daran, dass alle für die Industrie wichtigen Züge gefahren werden.
So warnte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vor Produktionsausfällen, bereits beim letzten Streik wurden negative Folgen für die Lieferketten beklagt. BDI-Präsident Siegfried Russwurm sagte, es sei auch möglich, dass Unternehmen Transporte dauerhaft vom Zug auf Lastwagen verlagern.
Die Bundesregierung setzt angesichts der nächsten großen Streikwelle auf eine rasche Verständigung im Tarifstreit. Man hoffe, dass in diesem Konflikt »zügig eine für alle Seiten tragfähige Lösung« gefunden werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Die Regierung appelliere zudem an die Verhandlungspartner, auch vor dem Hintergrund der Coronapandemie negative Auswirkungen auf die Fahrgäste und die betroffene Wirtschaft »wirklich auf das unvermeidbare Maß« zu beschränken.
Mit Blick auf Rufe nach einem Einschreiten der Politik sagte Seibert, im Sinne der Tarifautonomie sei es Sache der Tarifpartner, zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch hatte Kanzlerin Angela Merkel zum Handeln gefordert.
Lieferprobleme in der Chemieindustrie
Besonders betroffen vom Streik im Güterverkehr ist unter anderem die chemische Industrie. »Erneut müssen die Unternehmen mit ihren Kunden und Logistikdienstleistern kurzfristig flexible Lösungen entwickeln«, teilte der Verband der Chemischen Industrie mit. »Das zieht einen immensen Personalaufwand und erhebliche zusätzliche Kosten nach sich.«
Die erneute Unterbrechung gefährde die wirtschaftliche Erholung, warnte der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen. »Massenguttransporte, etwa die Rohstoffversorgung der Stahlindustrie, müssen jetzt so weit wie möglich auf die Binnenschifffahrt verlagert werden. Zeitkritische Güter werden trotz knapper Laderaumkapazitäten nur mittels Lkw zu transportieren sein«, teilte der Verkehrsexperte des Verbands, Carsten Taucke, mit.
Der Streik verzögere nun die Auslieferung an Kunden der chemisch-pharmazeutischen Industrie, heißt es vom Verband der Chemischen Industrie. »Für viele Stoffe ist die Bahn das Transportmittel der Wahl, da für einige Chemikalien der Schienenweg üblicherweise vorgeschrieben ist.« Das gelte etwa für viele Gefahrgüter, die wegen des geringeren Unfallrisikos in Zügen transportiert werden müssen.
Zwar hält die Deutsche Bahn nur noch rund 43 Prozent am Güterverkehr auf der Schiene; das übrige Geschäft übernehmen Konkurrenten. Doch die Bahn dominiert den Einzelwagenverkehr, auf den etwa die Chemieindustrie in vielen Fällen angewiesen ist. Dabei werden Einzelwaggons in großen Rangierbahnhöfen zu langen Zügen zusammengestellt.
Das Ende der Aktionen hat die Gewerkschaft für den kommenden Dienstagmorgen angekündigt. Insgesamt dürfte der Bahnverkehr in Deutschland damit mehr als fünf Tage lang erheblich eingeschränkt sein.
Sonderflüge: Bahnstreik beschert Lufthansa und Eurowings Zusatzarbeit - DER SPIEGEL
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