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Sunday, October 3, 2021

Fabrikschließung, Kurzarbeit – Autoproduktion schrumpft, aber Gewinne steigen - WELT

Die Nachricht kurz vor dem Wochenende hat Schockpotenzial: Opel schließt sein Werk in Eisenach – bis Anfang kommenden Jahres. Was Zehntausende Arbeiter in den Autofabriken im Land in diesem Jahr schon erleben mussten, trifft nun auch die 1300 Opelaner in Thüringen: Sie gehen in Kurzarbeit, weil Bauteile für die Produktion fehlen.

Alle Autohersteller leiden seit Monaten unter Materialengpässen, vor allem Halbleiter für elektronische Steuergeräte sind knapp. Deswegen müssen sie die Bänder anhalten, mal tage- oder wochenweise, an manchen Standorten über Monate hinweg.

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Trotz voller Auftragsbücher schrumpft die Produktion. Mercedes-Benz, Volkswagen, Ford oder BMW – alle sind betroffen, global. „Wir gehen davon aus, dass zehn bis elf Millionen Fahrzeuge in diesem Jahr nicht gebaut werden können“, sagt Albert Waas, Partner bei Boston Consulting.

Noch vor einem Monat hatte er die Ausfälle auf sieben bis acht Millionen Wagen geschätzt. Für das kommende Jahr rechnet Boston Consulting global mit einem Minus von fünf Millionen Autos. „Der Chipmangel bremst die wirtschaftliche Erholung der Autoindustrie nach Corona ab“, sagt Waas.

Trotz Krise steigen die Renditen der Konzerne

Nicht aber die der Aktionäre. Die Gewinne der Unternehmen sind im ersten Halbjahr trotz massiver Produktionsausfälle auf ein Rekordniveau gestiegen. 71,5 Milliarden Euro verdienten die 16 größten Autokonzerne der Welt laut einer Auswertung von EY bis zum Sommer.

Die deutschen Hersteller kamen dabei auf eine Marge von 11,2 Prozent, bei BMW betrug sie sogar 14,5 Prozent. Für das Gesamtjahr haben die Bayern nun ihre Gewinnprognose angehoben. „Zwar wird aufgrund der weiterhin angespannten Liefersituation bei Halbleitern auch in den nächsten Monaten mit Beeinträchtigungen von Produktion und Absatz gerechnet. Die BMW AG erwartet jedoch, dass anhaltend positive Preiseffekte bei den Neu- und Gebrauchtwagen im Gesamtjahresergebnis die negativen Absatzeffekte überkompensieren“, erklärt das Unternehmen in bestem Börsendeutsch.

Übersetzt heißt das: Statt auf Masse setzen die Hersteller in der Chipkrise auf Klasse. Gebaut werden vorrangig diejenigen Modelle, die dem Unternehmen am meisten Gewinn bringen. Rabatte müssen sie ihren Kunden angesichts des Nachfrageüberhangs nicht mehr einräumen, auch die Preise für Gebrauchtwagen sind deutlich gestiegen. Und die Kosten in den Werken können die Konzerne dank Kurzarbeit flexibel nach unten schrauben.

Quelle: Infografik WELT

Wie schon im ersten Corona-Jahr profitieren alle von diesem Arbeitsmarktinstrument. Mit Ausnahme der Steuerzahler, denn die Bundesagentur für Arbeit kann die Milliardenkosten des Kurzarbeitergelds nicht mehr aus der eigenen Kasse finanzieren. Nachdem Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Leistungen in der Krise ausgeweitet hat, fallen für die Unternehmen kaum noch Kosten für Kurzarbeiter an.

Dank IG-Metall-Verträgen sind die Abschläge für die Beschäftigten überschaubar. In Eisenach etwa stockt der Stellantis-Konzern, zu dem Opel gehört, das Kurzarbeitergeld auf 90 Prozent des Lohns auf. Die Arbeiter haben also bis 2022 frei und bekommen trotzdem nur zehn Prozent weniger Geld.

Das Modell Opel Grandland X bauen Kollegen im Stellantis-Werk im französischen Sochaux weiter, dort produzieren sie auch das fast baugleiche Schwestermodell Peugeot 3008. Für den Konzern dürfte diese Arbeitsaufteilung billiger sein, als zwei Werke gleichzeitig auf halber Kraft laufen zu lassen.

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Autobranche in Not

Bereichern sich die Autokonzerne auf Kosten der Sozialkassen, wie es Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) Opel vorwirft? „Es gibt mit Sicherheit Optimierungsversuche, dafür ist die Kurzarbeit aber nicht gedacht“, sagt Kai Bliesener, Leiter des Bereichs Fahrzeugbau und Zulieferer beim Vorstand der IG Metall.

„Die Gefahr von Missbrauch besteht natürlich. Aber die Chipkrise ist real, man darf sie nicht kleinreden.“ Da die Auftragsbücher der Hersteller voll sind, viele Kunden monatelang auf ihre Autos warten müssen, könnte ja produziert werden. Nur mangelt es an Vorprodukten.

Bliesener sorgt sich um die Zulieferunternehmen, deren finanzielle Lage vor Corona schon schwach war. Sie stecken nun in der Klemme: Einerseits können sie weniger Teile an die Hersteller liefern, andererseits müssen sie die gestiegenen Materialpreise zum Großteil selbst verkraften.

Viele Beschäftigte in Kurzarbeit

So kommen Teile der Autoindustrie aus dem Krisenmodus nicht heraus. Im vergangenen Jahr hatten die Unternehmen aufgrund von Corona für 822.000 Personen Kurzarbeit angemeldet, für manche davon mehrfach. Diese Zahl der Bundesagentur für Arbeit entspricht in etwa der Gesamtbelegschaft der Industrie.

Die Hochzeit der Kurzarbeit waren die Lockdown-Monate März und April 2020, als ein Großteil der Werke stillgelegt wurde. Danach hielt die Normalisierung der Produktion aber nur von September bis November, seit Dezember 2020 sind im Durchschnitt jeden Monat wieder mehr als 20.000 Beschäftigte neu in Kurzarbeit gemeldet worden. In diesem Jahr lag der Höhepunkt im Juli bei 48.837 Kurzarbeitern in der Autoindustrie.

Im Oktober könnte diese Zahl wieder übertroffen werden. Allein schon, weil bei Volkswagen im Stammwerk Wolfsburg seit Freitag alle Bänder stillstehen. Mit Ausnahme eines Tages wird dort bis zum 15. Oktober kein Auto produziert. Mehr als 60.000 Mitarbeiter hat VW in Wolfsburg, für alle am Band hat der Konzern Kurzarbeit angemeldet.

Arbeitnehmer haben Angst vor der Zukunft

Auch wenn die finanziellen Folgen für die Autobauer nicht dramatisch sind, macht die Kurzarbeit den Mitarbeitern Angst, sagt Gewerkschafter Bliesener. „Allein schon die Tatsache verstärkt die Sorge der Menschen um den eigenen Arbeitsplatz.“

Dazu komme, dass die Ausfälle oft sehr kurzfristig angekündigt werden. So ist es beispielsweise im Ford-Werk in Saarlouis, das WELT AM SONNTAG im Mai besichtigt hatte, als dort die Produktion stillstand. Nach mehr als einem halben Jahr Kurzarbeit wird dort seit Mitte August wieder produziert – und von Woche zu Woche neu entschieden, ob die Mitarbeiter wieder in Kurzarbeit gehen müssen.

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Die Fiesta-Produktion in Köln hat Ford wegen des Materialmangels bis Ende Oktober eingestellt. Was mit den Werken nach der Krise geschieht, ist noch nicht klar. Ford hat sehr spät mit dem Umstieg auf die Elektromobilität begonnen und noch keine schlüssige Strategie für sein künftiges Geschäft auf dem Alten Kontinent vorgelegt.

„Wir werden in Europa nicht mehr die Produktionszahlen erreichen, die wir vor der Krise hatten“, sagt Berater Waas. Er rechnet zwar nicht mit einer Welle von Fabrikschließungen, allein schon wegen der starken Rolle der Gewerkschaften. Dennoch werde es weitere Verlagerungen nach Osteuropa und China geben. Und Werke in Europa, die sich nicht rechnen, könnten ja auch verkauft oder anders genutzt werden.

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