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Sunday, January 30, 2022

Ford in Saarlouis: Das Werk im Saarland kämpft ums Überleben - WELT

Als Jim Farley in der letzten Januarwoche einen Produktionsrekord verkündete, den 40-Millionsten F150 Pick-up, verknüpfte der Chef des US-Automobilkonzerns Ford das mit einer kleinen Botschaft: Für jeden der über vier Jahrzehnte gebauten Trucks gelte der Slogan „Built Ford Tough“, schrieb der Manager auf Twitter.

Robust – so kann man nicht nur die Fahrzeuge nennen, beliebt vor allem bei Handwerkern und Unternehmern in den USA, sondern auch Farleys Umgang mit Mitarbeitern und Politikern in Europa. Der Ford-Chef hat einen Standortwettbewerb losgetreten zwischen zwei seiner eigenen Fabriken: der im deutschen Saarlouis und der in Valencia, Spanien. Es geht darum, in welchem Werk ab 2025 ein neues vollelektrisches Modell von Ford gebaut werden soll. Also ums Überleben im Zeitalter der Elektromobilität.

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Beide Werke – die lokalen Manager, Betriebsräte, unterstützt von Politikern – sollten bis 27. Januar ihre Konzepte vorlegen für die Ansiedelung der Stromer. Sprich: Lohnzugeständnisse, Effizienzsteigerungen, Subventionen. Die Papiere sind eingereicht, der Inhalt geheim. Bis Mitte des Jahres soll eine Entscheidung fallen.

Die Zahlen sprechen für Valencia

Schon vor dem Abgabetermin waren die Emotionen hochgekocht. Die Arbeiter haben Angst um ihre Jobs. Die Fabrik in Saarlouis baut den Ford Focus, dessen Produktion 2025 beendet werden soll. Was danach kommt, ist offen. In einer gemeinsamen Erklärung hatten die deutschen Betriebsräte Ford-Europachef Stuart Rowley im Herbst aufgefordert, den Bieterwettbewerb zu beenden. „Er ist das Gegenteil von Sozialpartnerschaft und spaltet die Belegschaften über die Grenzen und Standorte hinweg“, heißt es in ihrem Schreiben. Rowley scheint das anders zu sehen.

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Die nackten Zahlen sprechen wohl für Valencia. Dort liegt das Lohnniveau etwa ein Drittel unter dem deutschen Tarif – und Medienberichten zufolge bieten die spanischen Arbeitnehmervertreter an, auf Erhöhungen erst einmal zu verzichten. Ihre Kollegen aus dem Saarland haben dagegen ein gemeinsames Paket mit den Werkern in Köln geschnürt. Außerdem betont die Landespolitik die Vorteile des Standorts: Viele Zulieferer, qualifizierte Fachkräfte und vor allem eine Batteriefabrik, die das chinesische Unternehmen SVolt mit staatlicher Hilfe im Saarland errichten soll.

„Wir kämpfen gemeinsam mit aller Kraft dafür, dass Ford im Saarland eine Zukunft hat“, lassen Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) verlauten. Was bemerkenswert ist, denn die beiden Politiker kämpfen gerade gegeneinander. Am 27. März ist Landtagswahl im Saarland, da will Rehlinger Hans als Ministerpräsidentin ablösen.

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Im Fall Ford demonstrieren sie trotzdem noch Einigkeit – und haben dem Unternehmen offenbar Subventionen in Aussicht gestellt, wenn es sein bestehendes Werk für die E-Auto-Fertigung umrüstet. Die Regionalregierung von Valencia hat das gleiche getan. Außerdem hat man dort eine Initiative gegründet, die eine Batteriezellfabrik in der Nähe des Ford-Werks ansiedeln will – um den Standortvorteil der Saarländer zu kompensieren.

Politik will Umschulungen bezahlen

Auch die deutsche Bundesregierung hat sich in den Fall eingeschaltet. Im Wahlkampf hatte der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Genossen im Werk in Saarlouis besucht. Nahezu die komplette Belegschaft ist dort Mitglied der IG Metall, 4800 Mitarbeiter hat das Werk. Auch die Gewerkschaft hat im Poker mit Ford viel zu verlieren. Nach Informationen von WELT hat sich die Bundesregierung bemüht, ebenfalls Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen. Man sei am Angebot zur Sicherung des Ford-Werkes „mit keinem konkreten Beitrag beteiligt“, sagte eine Sprecherin von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

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Der Minister habe aber einen Brief beigesteuert, mit Ausführungen „zu den Zielen der Bundesregierung in Bezug auf den Leitmarkt für Elektromobilität“. Darin weise er auch „auf die Unterstützungsmöglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit hin, die im Rahmen der Regelungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch möglich sind. Hierzu zählt beispielsweise die Beratung über und Förderung von Qualifizierungsmaßnahmen für Beschäftigte.“ Im Klartext: Sollte Ford es wünschen, wird die Politik für Umschulungen der Mitarbeiter gern und großzügig zahlen.

Das Unternehmen selbst kommentiert den ganzen Vorgang nicht. Man wolle „die Zukunft der Mobilität in Europa vorantreiben und ein führender Hersteller für vollständig vernetzte und elektrifizierte Fahrzeuge werden“, heißt es aus der Deutschland-Zentrale in Köln. „Mit diesem Ziel werden wir die Transformation unseres Geschäftes in Europa weiter vorantreiben.“ Damit könnte auch Verkleinerung gemeint sein.

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Denn auf dem alten Kontinent laufen die Geschäfte des Autobauers schlechter als im Heimatmarkt. Von Rekorden ist hier keine Rede, im Gegenteil. Die vier Werke sind kaum ausgelastet. Im vergangenen Jahr schrumpfte der Fahrzeugabsatz laut Jato Dynamics in den wesentlichen europäischen Märkten auf nur noch 554.000 Pkw, das sind 44 Prozent weniger als im Jahr 2019. Keine andere Automarke ist in der Pandemie derart steil abgestürzt.

Ford hat die Nachfrage nach E-Autos völlig unterschätzt

Dazu kommt, dass Ford die Elektrifizierung verschlafen hat. Ein einziges Batterie-Modell ist derzeit im Angebot: der in Mexiko gefertigte Mustang Mach-E. Konzernchef Farley hat inzwischen eine Aufholjagd mit Milliarden-Investitionen gestartet. Sein wichtigster Schritt geht aber am europäischen Markt vorbei: Ford bringt den F150 als Elektroauto auf den Markt, mit einer riesigen Batterie, gewaltiger Motorleistung und Steckdosen, an die Handwerker ihre Maschinen anschließen können. In diesem Jahr sollen 150.000 Stück davon gebaut werden, ab nächstem Jahr mindestens 200.000. Ford hatte die Zahl der potenziellen Interessenten völlig unterschätzt.

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In Europa löst Ford das Problem zunächst mithilfe von Volkswagen. Ab 2024 wird in Köln ein Elektrofahrzeug produziert, für das VW die sogenannte Plattform liefert. Es wird in vielen Bauteilen und der wesentlichen Technik dem ID.3 von VW gleichen. Erst mit dem neuen Modell, das im Standortwettbewerb zwischen Saarlouis und Valencia vergeben wird, bringt Ford eigene Elektroauto-Technologie in die Alte Welt.

Wie die Entscheidung ausgefallen ist, dürfte im Juni vermutlich der neue Pkw-Chef der Marke in Europa verkünden: Martin Sander. Der bisherige Audi-Manager startet am 1. Juni und verantwortet zugleich das Deutschland-Geschäft, unter dem weiter amtierenden Europachef Rowley. Bis dahin fehlt bei Ford in Köln ein starker Mann an der Spitze. Der langjährige Deutschlandchef Gunnar Herrmann hatte sich im November überraschend in den Aufsichtsrat verabschiedet, sein Stellvertreter Hans Jörg Klein hat das Unternehmen ebenso plötzlich verlassen.

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Sander steht also gleich zum Start eine Feuerprobe bevor. „Built Ford Tough“ dürfte sein Auftrag sein – das kriselnde Geschäft in Europa wieder robust machen. Ob Sander entsprechend robust mit Mitarbeitern und Politikern über Transformation und Stellenabbau verhandeln kann, kann er dann gleich unter Beweis stellen.

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