Das beliebteste Getränk der Deutschen – Kaffee wird mit 166 Litern im Jahr pro Kopf am meisten getrunken – wird deutlich teurer. Und das nicht nur ein bisschen: Marktführer Tchibo hebt die Kaffeepreise je nach Sorte und Herkunftsland zwischen 50 Cent und 1,30 Euro pro Pfund an. Ein Pfund des Filterkaffees Feine Milde kostet dann 6,99 Euro. Zuvor waren es 5,69 Euro. Begründet wird dies mit den gestiegenen Preisen für Rohkaffee, besonders für die in Deutschland stark nachgefragte Sorte Arabica.
Für den Kaffeemarkt in Deutschland hat der Schritt von Tchibo eine große Bedeutung. Schließlich betreibt das Hamburger Familienunternehmen rund 900 eigene Kaffeeläden. Vor allem aber kommen im Lebensmitteleinzelhandel weitere rund 24.300 Depots als Verkaufsregale hinzu. Nicht nur in den Tchibo-Läden, sondern auch etwa bei Edeka oder Rewe setzt Tchibo über diese Depots die Kaffeepreise selbst fest.
Die anderen großen Kaffeeröster Dallmayr, Darboven oder Melitta sind dagegen ebenso wie die Kaffeekonzerne Jacobs oder Nestlé wesentlich von der Preispolitik des Einzelhandels abhängig.
So kann zum Beispiel das Münchener Familienunternehmen Dallmayr den Preis für die Marke Prodomo durchaus anheben und dies bei Preisverhandlungen mit den Supermarktketten auch durchsetzen. Doch welche Preisaktionen oder Sonderpreise dann Edeka, Rewe und Co. machen und was der Privatkunde am Ende tatsächlich für den Kaffee aus München bezahlt, dies unterliegt der Preishoheit der Einzelhandelsunternehmen.
„Seit vergangenem Sommer sind die Rohkaffeepreise um 50 Prozent gestiegen“, heißt es bei Tchibo zur Begründung. Dieser Entwicklung trage das Unternehmen nun Rechnung. Sobald die Rohkaffeepreise dies wieder zuließen, werde Tchibo die Preise senken.
Tatsächlich haben sich die Preise am Weltmarkt stark verändert. So wurde das Pfund Arabica-Rohkaffee (Lib, das britische Pfund entspricht 454 Gramm) im vergangenen Februar zu 1,21 Dollar (1,06 Euro) gehandelt. Aktuell steht der Preis an den Kaffeebörsen mit 2,42 Dollar bei exakt dem doppelten Wert.
Lidl übt Druck aus
Als Grund für die rasante Entwicklung gelten vor allem Wettereinflüsse und schwache Ernten. So haben Regenfälle und auch Trockenheit im weltweit größten Anbauland für Rohkaffee, in Brasilien, zu Ausfällen geführt. Zudem fehlen in den Ländern viele Arbeitskräfte als Folge der Corona-Pandemie.
Bei einem Vertreter der Anbauländer, bei der Organisation Fairtrade, gibt es Zustimmung. „Wenn die Preiserhöhung den Produzenten vor Ort hilft, dann ist sie überfällig“, sagt Dieter Overath, Geschäftsführer von Fairtrade Deutschland, im WELT-Gespräch.
Teilweise werde Kaffee in Deutschland derzeit unter dem Produktionswert verkauft. Doch die Corona-Pandemie wie auch der Klimawandel erschwere die Arbeit der Kaffeebauern und führe zu Ernteausfällen. „Ich vertraue einmal darauf, dass die Preisanhebung auch dort ankommt, wo sie hingehört“, sagt Overath.
Bewegung in den deutschen Kaffeemarkt dürfte demnächst auch durch den Discounter Lidl kommen. Denn das Unternehmen will den eigenen Kaffee statt in fremden Röstereien nun selbst verarbeiten.
Schon Ende März soll in Nordrhein-Westfalen in Rheine die eigene Rösterei den Betrieb aufnehmen. Zunächst sind 50.000 Tonnen Rohkaffeeverarbeitung im Jahr vorgesehen. Lidl will dadurch Druck auf die Preise anderer Hersteller ausüben.
Kaffee wird nur in wenigen Ländern der Erde gepflanzt und geerntet. Denn die Kaffeepflanze wächst nur in tropischen Regionen rund um den Äquator, weil sie viel Niederschlag und Temperaturen über 21 Grad Celsius benötigt.
Die größten Produzenten der wichtigsten Sorte Arabica sind Brasilien und Kolumbien. Andere Anbauländer von Bedeutung sind Costa Rica, Mexiko und Guatemala. Die weltweit meistverkaufte Kaffeesorte ist Nescafé aus dem Nestlé-Konzern.
Die zweitwichtigste Sorte Robusta wird dagegen vor allem in Afrika und Asien angebaut. Darunter ist Vietnam zu einem der größten Verkäufer des eher günstigen Robusta-Kaffees aufgestiegen. Nach Erdöl ist der Kaffee der meistgehandelte Exportrohstoff.
Tchibo ist in acht Ländern tätig. In den Läden wie auch im Onlinehandel kommen zum Kaffee die bekannten Gebrauchsartikel hinzu. Bei Tchibo arbeiten rund 11.420 Beschäftigte. Für das Geschäftsjahr 2020 nennt das Unternehmen einen Umsatz von 3,13 Milliarden Euro, so viel wie im Jahr zuvor. Beim Röstkaffee ist Tchibo nach eigenen Angaben Marktführer in Deutschland, Österreich, Tschechien und Ungarn.
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Kaffee-Inflation: Plus 22 Prozent – Deutschland erlebt den Preisschock - WELT
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