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Sunday, May 22, 2022

Personalausfälle: Warten statt Fliegen: Erhebliche Engpässe durch Mangelwirtschaft in der Luftfahrt - Handelsblatt

Frankfurt Bis zu 300 Meter lange Warteschlangen, Wartezeiten von mehr als 40 Minuten: Wer am vergangenen Wochenende an den Flughäfen Düsseldorf oder Köln-Bonn abheben wollte, brauchte vor allem Geduld. Personalmangel bei den Sicherheitsdiensten und den Bodendienstleistern sorgte für große Probleme – wieder einmal.

Warten statt Fliegen scheint gegen Ende der Pandemie zum „New Normal“ in der Luftfahrt zu werden. Ob bei Sicherheitskontrollen, Ausladen des Gepäcks, im Catering, bei den Lotsen, in Cockpits und Kabinen – der Branche fehlt überall Personal. Die in der großen Not der Coronakrise hektisch erarbeiteten Programme für Stellenabbau rächen sich. Aber auch die schlechte Bezahlung bei den Bodendiensten etwa macht sich bemerkbar.

Nun, wo Fliegen wieder möglich ist, wird es zur Qual. Vor einer Woche hat es Passagiere in Hamburg getroffen: Weil sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krankgemeldet hatten, gab es laut Bundespolizei bei den Sicherheitskontrollen große Engpässe. Fluggäste mussten bis zu 90 Minuten warten, einige verpassten ihren Flug.

Lufthansa sagte nach Rücksprache mit dem Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport rund um Ostern eine dreistellige Zahl an Flügen vorsorglich ab, damit die Abfertigung der Jets nicht vollends zusammenbrach. Lufthansa-Chef Carsten Spohr lobt die Kooperation mit Fraport in dieser Situation, zufrieden ist er nicht. „Das kann natürlich nicht die Lösung sein“, sagte Spohr vergangene Woche auf der Hauptversammlung von Lufthansa. Doch vorerst werden solche Absagen wohl Teil der Lösung bleiben. „Der vor uns liegende Sommer wird herausfordernd“, stimmt der Airlinechef die Kunden bereits auf weitere Engpässe ein.

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Fluggesellschaften und Flughäfen haben in der Krise massiv Stellen abgebaut, um ihre angespannten Bilanzen zu retten. Allein Lufthansa reduzierte die Belegschaft um ein Viertel auf noch knapp über 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nachdem die Kunden zu Jahresbeginn wegen der Omikron-Variante zurückhaltend bei Flügen waren, ist die Nachfrage in den zurückliegenden Wochen stark gestiegen – stärker, als viele Luftfahrt-Manager erwartet hatten.

Personalplanung wurde zum Teil zu spät angepasst

„Die Unternehmen haben ihre Personalkapazitäten zu spät wieder hochgefahren“, sagt Gerald Wissel von der Luftfahrtberatung Airborne Consulting. Zudem würden einige Firmen einen Teil der Mitarbeiter immer noch in Kurzarbeit beschäftigen. Die Bundesregierung hat die großzügige und bilanzschonende Regelung bis Ende Juni verlängert.

>> Lesen Sie dazu: Lufthansa-Chef Spohr will volle Kapazität schon vor 2025 erreichen

Werden die Kollegen und Kolleginnen zurückgeholt, müssen sie wegen der hohen Sicherheitsanforderungen erneut geschult werden. „Das sorgt für einen großen Schulungsstau“, sagt Wissel. Zudem gebe es Engpässe bei den Zuverlässigkeitsprüfungen, wie sie zum Beispiel für das Bodenpersonal vorgeschrieben seien. „Die Behörden haben selbst Personalprobleme“, erklärt Wissel.

Hinzu kommt die Pandemie. Auch wenn aktuell wegen der hohen Impfquoten keine Überlastung des Gesundheitssystems mehr droht, Infizierte müssen weiterhin in die Isolation. Das verschärft die Not. So konnte Lufthansa Ende April auf Europaflügen nur ein sehr eingeschränktes Catering anbieten, da beim Dienstleister Gategroup immer wieder Personal in die Quarantäne musste.

Auch wenn der Personalmangel im besten Fall schnell behoben werden könnte, es würde wohl nur begrenzt helfen. Denn das Problem ist kein rein deutsches. In ganz Europa fehlen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Piloten im Cockpit eines Airbus A321

In den USA werden die Piloten bereits knapp, auch in Europa könnte das bald der Fall sein.

(Foto:&#160imago/imagebroker)

Die niederländische KLM musste Ende April eine zweistellige Zahl an Flügen in Amsterdam und Rotterdam streichen, um einen Kollaps zu vermeiden. Easyjet wiederum überlegt, auf einigen Flügen die Zahl der buchbaren Plätze zu reduzieren. Der Flug kann dann mit drei statt mit vier Kabinenmitarbeitern starten.

British Airways will im wichtigen Sommergeschäft fünf Prozent der geplanten Kapazität kürzen. Seit Anfang April hat die Airline bereits 1400 Flüge abgesagt. Immer wieder kommt es an Flughäfen wie Birmingham und Manchester zu chaotischen Situationen, Passagiere müssen zuweilen mehrere Stunden auf ihre Abfertigung warten.

Die Unternehmen versuchen mit Macht, neues Personal zu finden. Die Lufthansa-Tochter Eurowings etwa lockt für ihre Expansion in Skandinavien mit Antrittsprämien. Noch bis Ende Mai bietet das Unternehmen Kapitänen, die für mindestens 24 Monate unterschreiben, umgerechnet 10.000 Euro. Copiloten sollen die Hälfte bekommen.

In Großbritannien arbeitet das Verkehrsministerium derweil an einer Regelung, wonach in der Luftfahrt unerfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits loslegen können, bevor die Behörden deren Zuverlässigkeit abschließend bescheinigt haben. Es wäre ein Novum.

Akuter Pilotenmangel in den USA

Dennoch dürfte es im Sommer richtig eng werden. Dann erwarten die Fluggesellschaften eine Auslastung, die nicht mehr weit vom Vorkrisenniveau entfernt ist. Stefan Schulte, der Chef des Flughafenbetreibers Fraport, warnt deshalb schon seit Längerem vor längeren Schlangen in Spitzenzeiten.

Spätestens dann dürfte auch das Personal im Cockpit knapp werden. Aktuell können die meisten Fluggesellschaften in Europa den Bedarf noch abfedern. Piloten mit gültigen Lizenzen sind im Dauereinsatz. Währenddessen können jene Pilotinnen und Piloten, die in der Krise nicht geflogen sind, ihre Schulungen absolvieren.

Im Sommer wird das nicht mehr in jedem Fall funktionieren. Viele Flugzeugführer haben ihr Unternehmen in der Pandemie verlassen. Bei Lufthansa nutzten rund 400 Piloten die Abfindungsangebote – mehr, als das Management erwartet hatte. Nun will die „Hansa“ wieder einstellen.

Aber das ist nicht so einfach, wie der Blick in die USA zeigt. Dort herrscht ein akuter Pilotenmangel. In der Pandemie gingen Tausende in den Ruhestand. Nun heuern die Airlines an, was immer möglich ist. Allein der Lufthansa-Partner United Airlines sucht in diesem Jahr 13.000 Pilotinnen und Piloten. In einem normalen Jahr sind es maximal 5000.

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