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Thursday, May 5, 2022

Verbraucher: Historische Inflations-Mix bringt Deutschland die Rezession - WELT - WELT

Kein Unternehmen hebt leichtfertig die Preise an. Zu groß ist die Angst, damit Kunden zu vergraulen und dem eigenen Geschäft zu schaden. Umso mehr lassen die Zahlen aufhorchen, die das Münchener Ifo-Institut jetzt vorgelegt hat: Demnach bereiten fast zwei Drittel aller Firmen hierzulande Preissteigerungen vor.

„Immer mehr Unternehmen planen, die Preise in den kommenden drei Monaten zu erhöhen“, sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Der von ihm ermittelte Index der Preiserwartungen ist im April auf 62 Punkte gesprungen, das ist der höchste Wert, seitdem die Ifo-Forscher regelmäßig Umfragen durchführen.

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Wie ungewöhnlich eine so breite Front von Betrieben ist, die die Preise anheben will, zeigt der historische Vergleich: Im Schnitt hatten in den 30 Jahren vor 2022 jeweils nur zwölf Prozent der Firmen konkrete Preiserhöhungspläne für die nahe Zukunft. Der jetzige Wert ist also fünfmal so hoch wie normal. Schon im März hatte der Ifo-Index der Preiserwartungen ein historisches Hoch markiert, es lag bei 55 Punkten aber deutlich unter dem jetzigen Stand.

Wenn eine so große Zahl von Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen verteuern will, hat das weitreichende Folgen für die Gesamtwirtschaft. Für Verbraucher bedeutet es, dass sie sich auf weiter steigende Preise einstellen müssen: Hochinflation in praktisch allen Lebensbereichen – und keineswegs nur bei einzelnen Gütern. Die Chance, dass die aktuelle Teuerungswelle in nächster Zeit abebbt, ist den Ifo-Daten zufolge sehr gering.

Quelle: Infografik WELT

Für den April hat das Statistische Bundesamt die Inflation in Deutschland bei 7,4 Prozent verortet. Das war der stärkste Anstieg der Verbraucherpreise seit 40 Jahren. Folgt man der Ifo-Umfrage, sind die Hoffnungen, dass sich die Situation bald normalisiert, wohl erst mal erledigt.

Anhaltende Kostensteigerungen prognostiziert

„Die Inflation in Deutschland dürfte auch in den kommenden Monaten bei über sieben Prozent liegen“, sagt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser mit Blick auf die breit angelegten Preiserhöhungspläne der Unternehmen. Besonders hoch waren die Ifo-Preiserwartungen im Großhandel mit 79 Punkten, gefolgt vom Einzelhandel mit 75 Punkten und der Industrie mit 73 Punkten. Am Ende der Skala liegen der Bau mit 64 Punkten und die Dienstleister mit 52 Punkten.

Nicht nur auf Deutschlands Verbraucher kommen schwierige Zeiten zu. Auch die deutsche Wirtschaft leidet unter den anhaltenden Kostensteigerungen. Ein Großteil der Inflation ist zwar importiert, aber in einem Ausmaß, wie es Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat. Allenfalls in den Ölkrisen der 1970er und frühen 1980er-Jahre kam durch die Importe ein ähnlicher heftiger Preisschub ins Land.

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In den Dekaden dazwischen wirkten Einfuhren häufig eher deflationär: Im Zuge der Globalisierung drückten sie das Preisniveau und verbilligten Produkte und Dienstleistungen für deutsche Verbraucher. Schon im März lagen die Preise für Importe insgesamt 31 Prozent höher als ein Jahr zuvor, wie aus einer Erhebung des Statistischen Bundesamts hervorgeht.

Importierte Energieträger waren den Daten zufolge 161 Prozent teurer als vor einem Jahr. Zu diesen Energieträgern zählen Erdgas, Erdöl und Kohle, aber auch Benzin und Diesel. Diese Preisexplosion ist eine Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine.

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Verteuert haben sich jedoch auch Erze, Agrargüter und andere Rohstoffe, ebenso Computerchips und andere Vorprodukte, die häufig aus Asien kommen und ohne die die deutsche Industrie nicht arbeiten kann. Die Volksrepublik China hat mit Lockdowns und geschlossenen Häfen im Zuge ihrer Zero-Covid-Politik ein Abreißen der Lieferketten provoziert.

Geringere Gewinnerwartung und Investitionen

So nennen die Firmen denn auch gestiegene Kosten bei der Beschaffung von Energie, Rohstoffen, sonstigen Vorprodukten und Handelswaren als Hauptgrund für ihre teils kräftigen Preisanhebungen. Die breit angelegte Verteuerung der Produktion birgt für die hiesige Wirtschaft eine Reihe von Risiken.

Eines ist geringere Profitabilität. „In unserer jüngsten Befragung gaben die Unternehmen an, dass sie diese Kosten nicht vollständig an ihre Kunden weitergeben können und entsprechend ihre Gewinnmargen verringern“, gibt Wollmershäuser zu bedenken.

Quelle: Infografik WELT

Geringere Gewinnspannen dämpfen ihrerseits die Investitionsneigung der Betriebe und könnten mit dazu führen, dass sich die Konjunktur abkühlt. Genau dafür mehren sich in jüngerer Zeit die Hinweise, zumal sich anderen EU-Ländern, die zu Deutschlands wichtigsten Abnehmern zählen, mit ähnlichen Problemen konfrontiert sehen.

So sind die Auftragseingänge der deutschen Industrie im März um 4,7 Prozent zurückgefallen, wie aus gerade vorgelegten Zahlen hervorgeht. Zuvor hatte Wiesbaden bereits schwächere Ausfuhren gemeldet. Ökonomen deuten dies als Warnzeichen, dass Deutschland in eine Rezession schlittern könnte.

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„Die deutsche Wirtschaft ist auf Abschwung programmiert. Die Exporte gaben im März kräftig nach, nun neigen auch die Auftragseingänge den zweiten Monat in Folge zur Schwäche“, sagt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank in Liechtenstein. Der Krieg in der Ukraine sei ein Faktor, der den Unternehmen die Investitionslaune verderbe. Doch die anhaltenden Lieferkettenprobleme und die steigenden Kosten spielten ebenfalls eine Rolle.

Volle Auftragsbücher und hohe Investitionsneigung

Immer mehr Ökonomen befürchten, dass die Sommermonate für die deutsche Konjunktur eine Durststrecke bringen. „Die Belastungen sind gegenwärtig zu groß. Eine Rezession wird immer wahrscheinlicher“, sagt Gitzel. Die importierte Inflation hat daran erheblichen Anteil. Zusammen mit den Unsicherheiten des Krieges bremst die wirtschaftliche Dynamik auf brachiale Weise. So braut sich 2022 eine toxische Mischung zusammen, die das Oberste nach unten kehrt.

Experten warnen vor einer Lohn-Preis-Spirale

Die Rekord-Inflation macht aus Durchschnittseinkommen kleine Einkommen. Viele versuchen daher, beim Autofahren, Heizen oder dem anstehenden Urlaub zu sparen. Die Gewerkschaften fordern jetzt, die Inflation müsse durch Lohnerhöhungen ausgeglichen werden. Doch die Arbeitgeber winken ab.

Quelle: WELT / Sebastian Plantholt

Das Paradoxe ist, dass die Zeichen für 2022 eigentlich auf Aufschwung standen: „Noch immer warten viele Aufträge auf Abarbeitung. Gleichzeitig möchte die öffentliche Hand in die Erneuerung der Energiewirtschaft investieren. Auch die Unternehmen sind bereit für Digitalisierung und eine CO₂-Reduktion Geld in die Hand zu nehmen“, sagt Gitzel.

Jetzt aber mangelt es entweder an Material oder Personal: „In der Unternehmerschaft kommt Frust auf, Investitionen werden zurückgestellt.“ Es sei durchaus möglich, dass die deutsche Wirtschaft mit vollen Auftragsbüchern und grundsätzlich vorhandener Investitionsbereitschaft in eine Rezession rutscht.

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