Sie haben sich ein vornehmes Umfeld ausgesucht bei Volkswagen, um ihre neueste Kreation für die automobile Zukunft vorzustellen: Die „Chantilly Arts & Elegance“ auf einem französischen Schloss bei Paris, eine Luxus-Autoschau mit vielen sündhaft teuren Prototypen. Dort muss die Designstudie Gen.Travel von Volkswagen wie ein Fremdkörper wirken. Denn die Bilder, die der Konzern von seinem „ikonischen Fahrzeug“ im „visionären Design von übermorgen“ verbreitet hat, zeugen nicht gerade von Eleganz. Es lässt sich bekanntlich streiten über Geschmack, ich finde den Wagen hässlich.
Auf den Bildern erinnert die Form an ein plumpes Spielzeugauto, auf das eine blasenartig gewölbte Kanzel aufgesetzt wurde. Nach hinten wird diese Kabine schmaler und flacher. Außerdem schwarz, sodass man wohl von innen nicht hinter das Auto sehen kann. Dafür blickt man nach vorne durchs halbrunde Glas auf eine Kühlerhaube, deren Sinn sich nicht erschließt. Ein Motor ist da ja nicht darunter, denn der Gen.Travel fährt selbstverständlich elektrisch und völlig autonom.
Es setzt sich für Volkswagen mit diesem Auto fort, woran der Konzern aktuell schwer krankt: Die Autos sehen nicht mehr gut aus. Vor allem die Elektroautos ID.3 und ID.4 können optisch nicht mit früheren Verbrenner-Generationen mithalten. Der ID.4 wirkt bullig, klobig, noch deutlich weniger elegant als die aktuelle Studie. Im Innenraum ist Plastik verbaut, das zu billig wirkt für Autos, die über 40.000 Euro kosten. Selbst Führungskräfte in Wolfsburg murren vernehmlich über diese Design-Schwächen. Als der neue Konzernchef Oliver Blume vor seinen Topmanagern versprach, wieder mehr Wert auf die Produktqualität zu legen, erntete er viel Beifall. Jetzt muss er auch liefern.
Vom Design bei Volkswagen hängt viel ab für den ganzen Konzern. Anderen Marken in der Gruppe fällt es leichter, attraktive Autos auf die Straße zu bringen, oder Visionen zu entwickeln. Seat räumt mit seiner Sumbarke Cupra reihenweise Preise ab, Skoda hat sich optisch abgesetzt von Volkswagen. Und die „Sphere“-Visionsmodelle von Audi, eine autonom-elektrische Fahrzeug-Trilogie, sind schöne, futuristische Autos. Mit VW-Logo würden sie aber nicht funktionieren.
Wer einen Volkswagen fährt, einen Golf oder Tiguan, will damit nicht auffallen. Die Autos sollen solide, zeitlos, zuverlässig wirken. Wie deutsche Mittelschicht eben. Für extravagantes Design sind andere Marken zuständig.
Langweilig darf es aber auch nicht sein. Volkswagens einziges optisch wirklich gelungenes Elektro-Modell ist der ID.Buzz, die Reinkarnation des legendären VW Bulli. Der gefeuerte Konzernchef Herbert Diess hatte sich damit gebrüstet, der Antreiber des Modells gewesen zu sein. Aber was hilft so ein Nischenprodukt mit vergleichsweise kleinen Produktionszahlen, wenn die großen, millionenfach geplanten Umsatzbringer nicht laufen?
Im vergangenen Jahr hatte VW auf der Automesse IAA eine Studie für den kommenden Elektro-Kleinwagen vorgestellt, die entfernt an einen Trabi erinnerte – auch weil die Karosserie des Wagens aus einem modernen Kunststoff gefertigt ist, statt aus Stahl. Der Wagen sah originell aus, aber er wird in dieser Form ganz bestimmt nicht gebaut werden als Serienfahrzeug. Der optische Schritt wäre für die Kundschaft zu groß.
Das gilt auch für die Studie Gen.Travel. „Form follows freedom“ nennt VW-Chefdesigner Klaus Zyciora das Konzept. Nun kann man das Prinzip Freiheit für jeden Lebensbereich durchdeklinieren. Aber was die Gestaltung eines autonom fahrenden Autos damit zu tun hat, ist leider nicht nachzuvollziehen. Vielleicht ist damit einfach nur gemeint, dass man einen besonders freien Blick aus dem fahrenden Auto hat.
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Prototyp Gen.Travel: VWs sehen immer schlimmer aus - WELT - WELT
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