Zum Abschied kann Bayer-Chef Baumann nochmals gute Zahlen vermelden. Die Aktionäre sollen eine deutlich höhere Dividende erhalten. Doch diese Fassade kann die Probleme nur schwer verdecken: Der Glyphosat-Komplex kostet weiter Milliarden. Und der neue Chef muss sich mit der Frage nach der Zerschlagung befassen.
Bayers langjähriger Konzernlenker Werner Baumann tritt mit reichlich Baustellen ab. Seinem Nachfolger hinterlässt er maue Geschäftsaussichten und die Diskussion um die Aufspaltung des Pharma- und Agrarkonzerns. Obendrein ist weiter kein Ende im jahrelangen Rechtsstreit um den Unkrautvernichter Glyphosat absehbar, der Aktienkurs dümpelt weiter im Keller. Doch der 60-Jährige zeigt sich zufrieden: "Ich übergebe meinem Nachfolger Bill Anderson zum 1. Juni 2023 ein strategisch sehr gut aufgestelltes Unternehmen", erklärte er. Der Konzern stehe auf einem "extrem starken und robusten Fundament" und sei in den richtigen Bereichen tätig.
Nun liegt es an Anderson - zuletzt Pharmachef bei Roche - das Vertrauen der Aktionäre, das Baumann mit der milliardenschweren Übernahme von Monsanto verspielt hat, wiederherzustellen. Zu den Forderungen von Investoren nach einer Aufspaltung von Bayer oder einer Trennung vom Geschäft mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten wollte sich der Vorstand nicht äußern. "Bill wird sicherlich, sobald er dann an Bord ist, Fragen wie diese gerne beantworten", zeigte Baumann auf seinen Nachfolger.
Nach Einschätzung von Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment, sind die Wiederherstellung des Investorenvertrauens und die Überprüfung der Konzernstruktur die wichtigsten Aufgaben für Anderson. "Zufriedene Aktionäre sind die beste Waffe, um sich gegen eine Zerschlagung zu wehren", sagte Manns. "Baumann übergibt ein sanierungsbedürftiges Unternehmen, an dem die Schäden durch den 'Hurrikan Glyphosat' so gut es ging ausgebessert wurden und die ersten Reparaturarbeiten an der Bausubstanz begonnen haben."
In diesem Jahr werden die Altlasten aus der Monsanto-Übernahme, mit der sich Bayer die Glyphosat-Klagewelle in den USA eingehandelt hatte, abermals die Bilanz belasten: Im Ausblick sind erwartete Vergleichszahlungen von zwei Milliarden bis drei Milliarden Euro berücksichtigt, vor allem für den Rechtskomplex Glyphosat. 1,3 Milliarden davon flossen bereits im Januar für Vergleiche im Zusammenhang mit der einst von Monsanto hergestellten Chemikalie PCB. Ende Dezember beliefen sich die Rückstellung für die Vergleiche bestehender und künftiger Glyphosat-Klagen noch auf 6,4 Milliarden Dollar (rund sechs Milliarden Euro) - zuletzt standen noch für 45.000 der 154.000 aktuellen Klagen Einigungen aus. Etwa 9,5 Milliarden Dollar hat Bayer bereits gezahlt.
Nur geringes Wachstum erwartet
Im Tagesgeschäft werden sich in diesem Jahr vor allem niedrigere Preise für Glyphosat als auch für einige etablierte Medikamente wie der Blockbuster Xarelto bemerkbar machen. 2022 hatte Bayer noch von deutlich höheren Preisen und einem Umsatzsprung von 44 Prozent im Herbizid-Geschäft profitiert, nachdem es bei der Konkurrenz zu Engpässen in der Produktion infolge des Hurrikans Ida kam.
Gegenwind kommt zudem durch die Inflation. Nach zwei Jahren mit deutlichem Wachstum im oberen einstelligen Prozentbereich erwartet Bayer deshalb 2023 nur noch ein währungsbereinigtes Umsatzplus von zwei bis drei Prozent auf 51 Milliarden bis 52 Milliarden Euro, das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) dürfte auf 12,5 Milliarden bis 13 Milliarden sinken. 2022 war das bereinigte Ergebnis noch um mehr als ein Fünftel auf 13,5 Milliarden Euro gestiegen, auch dank positiver Währungseffekte.
Bei Bayer ging es in allen drei Bereichen aufwärts, die deutlichsten Zuwächse verbuchte der Konzern jedoch im Agrargeschäft. Während es im Geschäft mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten im Gesamtjahr rund lief, legte Bayer im Pharmabereich nur noch leicht zu - vor allem wegen eines deutlichen Umsatzrückgangs beim Gerinnungshemmer Xarelto, der unter Preisdruck und ersten Patentabläufen leidet.
Der Umsatz stieg insgesamt um gut 15 Prozent auf 50,7 Milliarden Euro, währungsbereinigt stand ein Plus von 8,7 Prozent zu Buche. Unter dem Strich fuhr der Konzern einen Gewinn von knapp 4,2 (Vorjahr: 1,0) Milliarden Euro ein. Die Aktionäre sollen deshalb eine 40 Cent höhere Dividende von 2,40 Euro je Aktie erhalten. Anleger konnte das am Dienstag aber nicht versöhnen: Bayer-Aktien waren mit einem Minus von mehr als vier Prozent größter Verlierer im Leitindex Dax.
Mit gut 57 Milliarden Euro ist der Konzern an der Börse deutlich weniger wert als er einst für die 63 Milliarden Dollar teure Monsanto-Übernahme ausgegeben hat. Das stellt auch Baumann nicht zufrieden: "Unser Börsenwert liegt weit unter dem tatsächlichen Wert des Unternehmens und wir werden weiterhin hart daran arbeiten, diese Lücke zu schließen."
Maue Wachstumsaussichten: Bayer-Chef hinterlässt Baustellen - n-tv NACHRICHTEN
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