Frankfurt Lufthansa ist in Italien am Ziel. Der Konzern steigt bei der italienischen ITA Airways ein. Das gaben Lufthansa und das italienische Finanzministerium am Donnerstagnachmittag bekannt. Lufthansa-Chef Carsten Spohr war eigens nach Italien gereist, um die Transaktion zu besiegeln.
Wie die Lufthansa mitteilte, übernimmt sie über eine Kapitalerhöhung mit einem Volumen von 325 Millionen Euro zunächst 41 Prozent der Anteile an ITA. Der italienische Staat verpflichte sich, weitere 250 Millionen Euro in das Unternehmen einzubringen.
Mittelfristig will der Konzern ITA komplett übernehmen. Unklar ist, ob der italienische Staat länger als gedacht mit fünf bis zehn Prozent an dem Nachfolger der insolventen Alitalia beteiligt bleibt. Entsprechende Informationen kursieren seit Längerem. Bisher hatte Spohr die Beteiligung an einer Fluggesellschaft, bei der der Staat noch mitmischt, stets abgelehnt.
Die Transaktion ist komplex, es gibt viele unterschiedliche Interessen. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.
Dieses Vorgehen reduziert das Risiko der Übernahme. Lufthansa will erst dann weitere Anteile erwerben, wenn ITA schwarze Zahlen schreibt. Das dürfte noch einige Zeit dauern, die Rede ist vom Jahr 2026. Solange Lufthansa nur eine Minderheit besitzt, muss das Unternehmen die Verluste nicht in der eigenen Bilanz verarbeiten.
Zudem muss Lufthansa mögliche Restrisiken, die sich aus der Insolvenz von Alitalia ergeben, nicht übernehmen. Es laufen zum Beispiel noch Klagen früherer Alitalia-Mitarbeiter.
Was kauft Lufthansa mit ITA konkret?
ITA ist die Nachfolge-Airline der seit Jahren insolventen Alitalia, die abgewickelt wird. ITA ist allerdings deutlich kleiner und wurde von vielen Altlasten der Alitalia befreit. Das Unternehmen betreibt eine Flotte von 68 Flugzeugen und beschäftigt etwas weniger als 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Heimatflughafen der Airline ist der Flughafen Rom-Fiumicino, auch in Mailand-Linate ist ITA präsent. Im vergangenen Jahr flog das Unternehmen einen Nettoverlust von 486 Millionen Euro ein, bei einem Umsatz von 1,6 Milliarden Euro.
Warum ist die verlustreiche Fluggesellschaft für Lufthansa so interessant?
Italien ist für Lufthansa nach dem Heimatmarkt Deutschland der zweitgrößte europäische Markt. Das Management von Lufthansa schielt seit vielen Jahren auf Italien. Vor längerer Zeit versuchte der Konzern sich dort sogar mit einer eigenen Airline, der LH Italia. Das Vorhaben scheiterte aber.
Spohr will den Flughafen Rom nutzen, um das Geschäft auf der südlichen Halbkugel zu stärken. Lufthansa sei zu sehr auf die nördliche Hemisphäre konzentriert, analysierte der oberste Lufthanseat vor einigen Monaten. Über die Integration in das Netz der Lufthansa-Gruppe sollen ITA mehr Kunden zugeführt werden. Durch dieses Wachstum werde es möglich, die Airline in die Gewinnzone zu bringen, so das Kalkül der Lufthansa-Führung.
Was sind die nächsten Schritte?
Die Transaktion muss den nationalen und europäischen Wettbewerbshütern vorgelegt werden. Die EU-Kommission soll bereits signalisiert haben, dass sie in die sogenannte Phase zwei gehen wird, eine längere und vertiefte Prüfung des Deals. Das wirbelt die ursprünglichen Planungen durcheinander.
Während dieser Prüfung darf ein Unternehmen noch nicht mit der Integration des Neuerwerbs beginnen. Andererseits hat die EU-Kommission die Starthilfen der Regierung in Rom für ITA mit der Auflage genehmigt, dass ein Investor für die Fluggesellschaft gefunden wird.
Muss Lufthansa mit harten Auflagen seitens der EU-Kommission rechnen?
Das ist nicht auszuschließen. Die EU-Kommission hat zuletzt einige „Ohrfeigen“ von Richtern hinnehmen müssen. Die monierten, dass die Kartellwächter bei der Genehmigung von Staatshilfen für Airlines in der Pandemie nicht genau genug hingeschaut hätten. Auch die mittlerweile zurückgezahlten Hilfen für Lufthansa wurden für nichtig erklärt. Deshalb dürfte man in Brüssel sehr kritisch auf den ITA-Deal schauen.
Andererseits war immer klar, dass ITA bei einer der drei großen Netzwerk-Airlines in Europa landen würde. Nur gemeinsam mit einer großen Gruppe hat der Alitalia-Nachfolger eine Chance. Air-France-KLM, die im Verbund mit dem Finanzinvestor Certares Management LLC und Delta Air Lines aus den USA zwischenzeitlich mitgeboten hatten, waren zuletzt ausgestiegen. IAG hat wohl nie ernsthaft geboten. Bleibt Lufthansa als einzige Option.
Wahrscheinlich muss Lufthansa aber Start- und Landerechte (Slots) abgeben.
Was bedeutet der Einstieg für die Kunden?
Lufthansa fliegt bereits heute von und nach Italien, etwa mit der Kernmarke Lufthansa oder der Tochtergesellschaft Air Dolomiti. Das Netz zwischen Deutschland und Italien dürfte deutlich ausgebaut werden. Auch künftig werden wohl mehr Verbindungen etwa in Richtung Afrika und Südamerika über Rom führen.
Unklar ist, wie schnell ITA in die Star Alliance rund um Lufthansa wechseln wird. Aktuell gehört die italienische Gesellschaft zum rivalisierenden Bündnis Sky Team. Wer mit ITA fliegt, bekommt derzeit keine Meilen bei Lufthansa gutgeschrieben. Gerade Vielflieger dürften darauf hoffen, dass sich das schnell ändern wird.
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Wird Lufthansa mit ITA nicht noch komplizierter als bisher schon?
ITA selbst ist relativ klein, sie zu managen ist eine Aufgabe, die zu bewältigen ist. Herausfordernder wird die Integration in die Lufthansa-Gruppe mit dann zwölf Fluggesellschaften und sechs Drehkreuzen. Immer wieder sind Passagiere irritiert, dass sie in Flugzeugen einer anderen Airline sitzen, als sie gebucht haben. Zum Teil liegt das daran, dass Flugzeuge ausfallen und deshalb umgeplant werden muss. Zum Teil ist das aber auch Folge der unklaren Abgrenzung zwischen einzelnen Marken.
Was bedeutet der ITA-Deal für die Investoren und Aktionäre?
Grundsätzlich ist es sinnvoll, dass Lufthansa an der Konsolidierung der europäischen Luftfahrt teilnimmt. Auch an der portugiesischen TAP ist das Management interessiert. Wenn es gelingt, die Übernahmen gut zu integrieren und Synergien zu heben, sollten davon auch die Aktionäre profitieren.
Allerdings ist aufseiten der Investoren nicht jeder überzeugt vom Deal. Bei der Integration übernommener Gesellschaften habe sich die Lufthansa schon in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert, sagte Henrik Pontzen, Leiter Nachhaltigkeit von Union Investment, Anfang Mai bei der Hauptversammlung von Lufthansa: „Wir glauben nicht, dass sich die Übernahme der defizitären italienischen ITA für die Aktionäre auszahlen wird.“
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Erstpublikation: 25.05.2023, 16:57 Uhr.
Lufthansa steigt bei Airline ITA ein - Handelsblatt
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