Die Inflation im Euroraum ist immer noch hoch – sie wird jetzt aber durch recht unterschiedliche Entwicklungen in den verschiedenen Euroländern geprägt. Die Inflationsrate für den gesamten Euroraum lag im Juni bei 5,5 Prozent, wie das europäische Statistikamt Eurostat in Luxemburg am Freitag nach einer ersten Schätzung mitteilte. Im Mai hatte die Rate noch bei 6,1 Prozent gelegen, nach 7 Prozent im April. Im vergangenen Jahr hatten die Inflationsraten zeitweise mehr als 10 Prozent betragen.
Deutlich teurer geworden sind auf Jahressicht Nahrungsmittel, während die Energiepreise mittlerweile zu einem dämpfenden Faktor der Inflationsrate geworden sind. Sie sind nach einem starken Preisanstieg im vergangenen Jahr wieder deutlich gefallen. Vieles rund um den Urlaub hingegen ist zuletzt teurer geworden, von Hotelübernachtungen bis zu Pauschalreisen. Von Monat zu Monat hingegen sind manche Nahrungsmittel nun im Preis gesunken, beispielsweise Gemüse.
Je nach Euroland ist die Entwicklung im Moment sehr unterschiedlich. Das macht die Aufgabe der Europäischen Zentralbank (EZB), für eine einheitliche Geldpolitik für den gesamten Euroraum zu sorgen, nicht einfacher.
In Deutschland ist die Inflationsrate im Juni sogar spürbar gestiegen. Nach nationaler Berechnungsweise des Verbraucherpreis-Index (VPI) legte sie von 6,1 auf 6,4 Prozent zu. Nach der europäischen Berechnungsweise des Harmonisierten Verbraucherpreis-Index (HVPI), der für Vergleiche mit anderen Euroländern genutzt wird, stieg sie sogar auf 6,8 Prozent.
Niedrige Inflationsraten in Spanien und Luxemburg
In Spanien hingegen ist die Inflationsrate im Juni deutlich rückläufig gewesen und sogar unter das Ziel der EZB von 2 Prozent gefallen. Nach der europäischen Berechnungsweise sank sie von 2,9 auf 1,6 Prozent. In Luxemburg, das schon länger eine niedrige Inflationsrate hatte, ist sie sogar auf nur 1 Prozent gefallen.
Auch in den allermeisten anderen europäischen Ländern war die Entwicklung disinflationär, die Inflationsraten gingen zurück. So fiel die Rate in Italien von 8 auf 6,7 Prozent, in Frankreich von 6 auf 5,3 Prozent und in den Niederlanden von 6,8 auf 6,4 Prozent. Besonders hohe Inflationsraten gibt es weiterhin in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. Auch die haben ihren Höhepunkt aber offenkundig überschritten und liegen jetzt zumindest alle unter 10 Prozent. Im neuen Euroland Kroatien stagnierte die Inflationsrate bei hohen 8,3 Prozent.
Drei Gründe für Unterschiede je nach Euroland
Für die starken Unterschiede zwischen den Euroländern gibt es drei Gründe: Der erste Grund, er erklärt beispielsweise die hohen Raten der baltischen Länder, sind Unterschiede in der Lage und der Wirtschaftsstruktur der Staaten. Länder, die dichter an Russland und der Ukraine liegen, haben stärker mit Kriegsfolgen zu kämpfen. Zudem haben Länder mit einer weniger etablierten Volkswirtschaft oftmals höhere Ausschläge bei den Veränderungsraten von Bruttoinlandsprodukt und Preisniveau.
Der zweite Grund sind Staatseingriffe. In Deutschland beispielsweise spielt für den Anstieg der Inflationsrate im Juni ein sogenannter statistischer Basiseffekt eine Rolle. Im vorigen Jahr hatten der Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket für die Bahn die entsprechenden Preise und damit die Inflationsrate gedrückt. Im Vorjahresvergleich fallen damit die Preissteigerungen aktuell höher aus.
Der dritte Grund sind Unterschiede darin, wie schnell Veränderungen der Energiepreise auf die Verbraucherpreise durchschlagen. Das ist je nach Euroland etwas unterschiedlich. In Spanien geht es recht schnell, in Deutschland eher langsam. Deshalb hatte Spanien besonders damit zu kämpfen, als die Energiepreise gestiegen sind. Jetzt aber profitiert die spanische Inflationsrate stärker als die deutsche von den gesunkenen Preisen für Öl und Gas.
„In Spanien sind die Energiekosten für Haushalte zuletzt stark gefallen“, sagte Holger Schmieding, der Chefvolkswirt des Bankhauses Berenberg. Generell schwankten die Energiepreise für Haushalte in Spanien weit mehr als in Deutschland, sie seien dichter an der Entwicklung der Weltmarktpreise. Auch staatliche Interventionen wie ein Preisdeckel spielten eine Rolle: „Aber der wesentliche Punkt ist die größere Marktnähe.“
Was heißt das für die Geldpolitik der EZB?
Die Unterschiede der Inflationsentwicklung dürften auch die EZB herausfordern. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat bereits angekündigt, dass die Notenbank, wenn die Entwicklung nicht ganz anders verläuft als erwartet, Ende Juli die Zinsen noch mal anheben will. Wie es dann im September weitergeht, hat sie bislang offengelassen. Wenn nun in manchen Ländern die Inflation schon deutlich gesunken ist und stattdessen stärkere Auswirkungen weiterer Zinserhöhungen auf Konjunktur und Wachstum befürchtet werden, dürfte das für Diskussionen im EZB-Rat über die weitere Linie sorgen.
Extreme Unterschiede: Inflation im Euroraum sinkt auf 5,5 Prozent - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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