New York Der US-Elektroautohersteller Lordstown Motors hat Insolvenz beantragt. Das meldete das Unternehmen am Dienstag. Die Liste an Firmen aus der Branche, die aufgeben müssen, wird damit länger. Wie aus der Mitteilung hervorgeht, stellt sich Lordstown zum Verkauf. Zuvor war es nicht gelungen, einen Streit um zugesagte Investitionsmittel mit dem taiwanesischen Investor Foxconn zu lösen.
Firmenchef Edward Hightower erklärte, Lordstown habe mit dem Pick-up Endurance „ein innovatives und hochleistungsfähiges Elektroauto mit erheblichem kommerziellen Potenzial“ entwickelt. Trotz „unseres aufrichtigen Engagements für die Partnerschaft hat Foxconn die vereinbarte Strategie vorsätzlich und wiederholt nicht umgesetzt“.
Daher bleibe nur ein Gläubigerschutzverfahren nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts, bei dem die Firma restrukturiert werden solle. Lordstown habe Klage gegen Foxconn eingereicht und hoffe weiterhin, einen Käufer für das Unternehmen zu finden.
Die Aktie stürzte bis Dienstagmittag (Ortszeit) um mehr als 37 Prozent auf etwa 1,72 Dollar ab. Kurz nach dem Börsengang 2020 hatte sie bei 400 Dollar gelegen. Auch andere einst gehypte Elektro-Start-ups mussten bereits aufgeben, darunter die Transporterfirma Electric Last Mile.
Hightower hatte sich im Frühjahr im Gespräch mit dem Handelsblatt noch kämpferisch gegeben: Die Herausforderungen werde man meistern, Lordstown habe „Kapital bis zum Ende des Jahres“, sagte der Firmenchef damals.
Lordstown wirft Foxconn betrügerisches Verhalten vor
„Die Pleite von Lordstown signalisiert, dass die Tage erfolgreicher Elektro-Start-ups gezählt sind“, sagte Thomas Hayes vom Hedgefonds Great Hill Capital der Agentur Reuters. „In Zukunft werden Tesla und die traditionellen etablierten Unternehmen um Marktanteile kämpfen.“
In seiner Klage wirft Lordstown Foxconn betrügerisches Verhalten und eine Reihe gebrochener Versprechen vor. Der Konzern aus Taiwan habe sich nicht an eine Vereinbarung gehalten, bis zu 170 Millionen Dollar in den Elektroautohersteller zu investieren. Foxconn habe ein „Muster von Bösgläubigkeit“ an den Tag gelegt.
Foxconn war im November 2021 bei Lordstown eingestiegen und hatte das Werk in Ohio übernommen. Dabei hatte der Apple-Zulieferer bereits 52 Millionen Dollar in die Firma investiert – derzeit hält das Unternehmen einen Anteil von gut acht Prozent. Lordstown behauptet nun, dass Foxconn sich weigere, wie versprochen zusätzliche Aktien zu kaufen, und wirft den Taiwanern vor, den E-Auto-Hersteller über die Zusammenarbeit bei der Fahrzeugentwicklung getäuscht zu haben.
Brancheninsider gehen davon aus, dass Foxconn eigene Pläne mit der von Lordstown übernommenen Fabrik hat. Mehrere Topmanager der US-Autobranche bestätigten dem Handelsblatt in den vergangenen Monaten, dass Foxconn bei anderen Elektro-Start-ups und Autoherstellern das Werk als möglichen Produktionsstandort ins Spiel bringe.
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Foxconn wiederum erklärte am Dienstag, Lordstown habe gegen die Investitionsvereinbarung verstoßen. Man habe „eine positive Haltung bei der Führung konstruktiver Verhandlungen mit Lordstown“ beibehalten. Die US-Firma sei jedoch nicht bereit gewesen, die Vereinbarung gemäß den Bedingungen zu erfüllen.
Sollte es Lordstown nicht gelingen, einen Käufer zu finden, der bereit ist, die Produktion des Endurance wieder aufzunehmen, könnte das Werk in Ohio zum Anlaufpunkt für ausländische Autohersteller werden, die in kurzer Zeit eine Produktion in den USA aufziehen wollen. Aus Washington winken zahlreiche Subventionen aus dem „Inflation Reduction Act“ benannten Förderpaket der US-Regierung.
„Der Fall Lordstown zeigt, wie schwierig es ist, als Start-up ohne bekannte Marke, hinreichende Finanzierung und etablierte Zuliefererbeziehungen zu bestehen“, urteilt Autoexperte Christian Koenig, der in Atlanta eine Beratung für Elektromobilität führt. „Die Pleite kommt nicht ganz überraschend; es war zu erwarten, dass nicht alle Start-ups den Härtetest des Marktes bestehen würden.“
2019 in Lordstown im Bundesstaat Ohio auf dem Gelände einer ehemaligen GM-Fabrik gegründet, wollte das Start-up das beliebteste Segment des US-Automarkts aufrollen: Pick-up-Trucks. Dabei wollte die Firma nicht wie Konkurrent Rivian Lifestyleprodukte für Millionäre produzieren, sondern ein echtes Arbeitstier.
Donald Trump lobte den Endurance-Truck
Der Endurance, ein großer „Heavy-Duty-Truck“, sollte Klempner, Dachdecker und andere hart arbeitende Amerikaner, die auf eine große Ladefläche angewiesen sind, zur Elektromobilität bekehren. 2020 ging das Unternehmen mithilfe eines sogenannten Spac-Deals an die Börse. 675 Millionen Dollar warb Lordstown damit ein.
Im September 2020 stellte Gründer Steve Burns den Endurance im Weißen Haus vor. Der damalige US-Präsident Donald Trump pries den Wagen als „ein unglaubliches Stück Wissenschaft und Technologie“. Lordstown galt als Hoffnungsträger. Schließlich hatte Burns versprochen, Arbeitsplätze in der verarmten Industrieregion von Ohio zu sichern. Es war ein ambitionierter Plan. Dann ging vieles schief.
Im März 2021 veröffentlichte das Analysehaus Hindenburg, das auf einen Absturz der Aktie wettete, einen vernichtenden Report. Hindenburg warf Lordstown vor, die Investoren über die Zahl der Vorbestellungen und den Stand der eigenen Technologie belogen zu haben. Die Börsenaufsicht SEC ermittelte.
Lordstown stritt zunächst alle Vorwürfe ab, musste im Juni 2021 aber eingestehen, nicht genug Bargeld für den Produktionsstart zu haben und womöglich vor der Pleite zu stehen. Zwei Monate später verließ Burns das Unternehmen, Edward Hightower übernahm, erst als Präsident, im Juli 2022 dann als CEO.
„Die Vorwürfe gehören der Vergangenheit an“, sagte Hightower im Frühjahr dem Handelsblatt. Frühere Pläne hätten nicht funktioniert. „Jetzt konzentrieren wir uns auf die Zukunft und die Umsetzung.“
2022 verließen nur 31 Trucks die Fabrik, in Teilen in Handarbeit hergestellt. Lordstown machte mit jedem Fahrzeug Verlust. Sollte das Start-up nicht schnell einen Käufer finden, dürfte die Mitteilung vom Dienstag der letzte Meilenstein in der Unternehmensgeschichte gewesen sein.
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US-Elektroautohersteller Lordstown Motors meldet Insolvenz an - Handelsblatt
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