Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag erneut den Leitzins erhöht. Der sogenannte Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der EZB Geld leihen können, stieg um 0,25 Prozentpunkte auf vier Prozent. Und das dürfte noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.
„Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir die Zinsen im Juli erneut anheben werden“, sagte EZB-Chefin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid. „Wir sind noch nicht am Ziel unserer Reise angelangt.“ Das ist erst erreicht, wenn das Inflationsziel der EZB von zwei Prozent wieder in Sicht ist. Im Mai lag die Teuerungsrate sowohl in Deutschland als auch in der Eurozone bei 6,1 Prozent.
Als Folge dürfen Sparer auf noch höhere Zinsen für Tagesgeld hoffen. Schon vor der jüngsten Leitzinserhöhung lagen die besten Angebote bei rund 3,35 Prozent. Nun könnte die Schwelle von 3,5 Prozent fallen. Der Haken dabei: Die meisten dieser Angebote haben erhebliche Einschränkungen.
„Wie bei vergangenen Zinserhöhungen erwarten wir bei Tagesgeldern, dass viele Banken den höheren Zins nur in Form von Lockangeboten weitergeben, die zeitlich befristet sind, in der Regel nur für Neukunden gelten und auf bestimmte Beträge limitiert sind“, sagt Kim Felix Fomm, Finanzexperte der Sparplattform WeltSparen.
Das führt dazu, dass die tatsächlich gezahlten Zinsen am Ende meist weit geringer sind, denn nach Ablauf des zeitlich befristeten Top-Zinses fallen die Kunden auf die weit schlechteren Konditionen für Bestandskunden zurück. Beispielsweise zahlt die TFBank aktuell 3,35 Prozent, aber nur für vier Monate. Danach gibt es nur noch 1,3 Prozent. Bei der Openbank fällt man nach sechs Monaten von 3,3, auf 1,0 Prozent, und bei der Comdirect ebenfalls nach sechs Monaten sogar von 3,25 auf 0,75 Prozent.
Der effektive Jahreszins liege daher weit niedriger als es die Lockangebote suggerieren, warnt Katharina Lüth vom Fintech Raisin. Wenn drei Prozent pro Jahr geboten werden, dies aber nur für drei Monate gilt, ergebe das bei 10.000 Euro eben nicht 300 Euro, sondern zunächst mal nur 75 Euro. Wie viel noch dazu kommt, hängt vom anschließenden Zinssatz ab, am Ende sind es jedoch sicher weniger als 300 Euro. Verbraucher sollten daher stets das Kleingedruckte lesen.
Und sie sollten bereit sein, öfter den Anbieter zu wechseln, also Tagesgeld-Hopping zu betreiben – immerhin ist es heute meist extrem leicht, ein neues Konto zu eröffnen. Das Postident-Verfahren lässt sich inzwischen auch per Videokonferenz absolvieren, und noch einfacher ist es für jene, die die elektronische Funktion ihres Personalausweises freigeschaltet haben. Innerhalb weniger Stunden steht das neue Konto so zur Verfügung, und das Geld kann zu dem Anbieter mit den besseren Konditionen verschoben werden. So nutzen Sparer den Kampf der Banken um Neukunden optimal aus.
Kim Felix Fomm rät jedoch auch, mal einen Blick über die Tagesgeldangebote hinauszuwerfen und Festgeldanlagen ins Visier zu nehmen. „Banken und Investoren gehen derzeit mittel- bis langfristig wieder von fallenden Zinsen aus, und auch die Inflationserwartungen über die nächsten drei Jahre sind zuletzt wieder auf 2,5 Prozent gesunken“, sagt er.
Entsprechend dürften die Zinsen für Festgeld mit Laufzeiten von zwei, drei oder fünf Jahren kaum noch steigen, mittelfristig sogar wieder fallen, und folglich könnte es sinnvoll sein, sich jetzt für mehrere Jahre die aktuellen Zinsen zu sichern. Derzeit werden in der Spitze bis zu 3,6 Prozent geboten.
Wer sich also die Mühen mit einem ständigen Wechsel des Tagesgeldanbieters sparen will und kein Problem damit hat, sein Geld über mehrere Jahre fest anzulegen, der kann solche Angebote in seine Finanzplanung einbeziehen.
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Zinserhöhung: Experten warnen vor Fallen bei Tagesgeldangeboten - WELT
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