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In Dietzhölztal-Ewersbach kommt wohl niemand zufällig vorbei. Aus der nächsten Großstadt sind es gute 90 Minuten Autobahn und dann noch mal mindestens 15 Minuten Landstraße voller Ampeln und Blitzer. Doch ab Sonntag, dem 23. Juli, gibt es einen triftigen Grund für den Ausflug in die mittelhessische Provinz. Dann eröffnet in dem 3000-Seelen-Dorf zwischen Westerwald und Rothaargebirge das Nationale Automuseum – Loh Collection .
Der sperrige Name weist dabei in eine falsche Richtung. Anders als viele Werksmuseen der Hersteller ist die Sammlung ausgesprochen international. Sie ist mit Serienautos aus weit mehr als hundert Jahren, mit Sport- und Rennwagen so gut bestückt, dass sie das Mercedes- oder Porsche-Museum in Stuttgart in den Schatten stellt – das BMW-Museum in München oder das Zeithaus der VW-Autostadt in Wolfsburg ebenso.
Automuseum Loh Collection: PS-Pretiosen in der Provinz
Nationales Automuseum The Loh Collection
In einem überdimensionalen Setzkasten und einer nachgeahmten Steilkurve zu sehen sind: Dutzende Supersportwagen vom Porsche 959 über den offenbar unerlässlichen Flügeltürer bis hin zum Lamborghini Miura oder dem Jaguar XK120. Dazu zahlreiche Mercedes-Modelle von der Benz Victoria aus dem 19. Jahrhundert bis zu dem nur einmal gebauten Maybach-Coupé Exelero.
Sehenswertes von Ferrari ist dabei, von BMW, Bentley und Aston Martin, dazu zig Vorkriegsautos und jede Menge ausgedienter Rennwagen. Allein in der Sonderausstellung »100 Jahre Le Mans« sind zur Eröffnung etwa zwei Dutzend Teilnehmer des Langstreckenklassikers zusammengetragen.
Der Mann hinter der Sammlung ist Friedhelm Loh, milliardenschwerer Hidden Champion, der es mit Schaltschränken von Rittal und der darauf fußenden Loh-Group unter die zehn reichsten Deutschen gebracht hat. Seine Liebe zum Auto hatte er bislang im Verborgenen gelebt. Schon als Kind autoverrückt, dann aber nach dem frühen Tod des Vaters zu sehr in der Firma eingespannt, als dass er dieser Leidenschaft hätte nachgehen können. So hat es bis zu seinem ersten Sammlerauto noch zwei Jahrzehnte gedauert.
»Erst in den Achtzigern habe ich mir mit einem 190 SL das erste Sammlerauto gekauft«, erinnert sich der Firmenchef. Damit hatte ihn die Sammelleidenschaft gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen: »Seitdem habe ich sicher eine vierstellige Zahl von Autos gekauft«, sagt Loh. Dabei hatte er bis zu der Idee mit dem Museum und dem damit verbundenen didaktischen Auftrag lange Zeit als einziges Kriterium seinen persönlichen Geschmack angelegt: Mercedes stand dabei immer ganz oben auf der Liste – selbst wenn sein Erstling eine Niete war, die ihn Nerven und viel Geld gekostet hat.
Später hat Loh irgendwann alles gekauft, was schnell, stark und selten war. Gern auch exklusiv aus einer Kleinserie wie der elektrische Mercedes SLS. Oder mit einem berühmten Vorbesitzer, so beim Porsche 959 (Walter Röhrl), dem Lincoln Continental von US-Präsident Kennedy oder Michael Schuhmachers erstem Weltmeister-Ferrari. Und weil er ohnehin kaum Zeit hat, die Autos zu fahren, war die Straßenzulassung für ihn eher nebensächlich.
Großstadt kam als Standort nicht infrage
Auch wenn es immer wieder Abgänge aus Loh Sammlung gab, sind die Hallen in Dietzhölztal-Ewersbach mit etwa 350 Sammlerstücken gut gefüllt. Und weil er, der 76 Jahre alt ist, seine Sachen gern selbst regelt, hat er die Sammlung in den letzten Jahren in eine Stiftung überführt und die Idee vom Museum geboren.
Eine Großstadt kam dabei als Standort für ihn nicht infrage. Seine 12.000 Mitarbeiter arbeiten in einem Dutzend Ländern auf fast allen Kontinenten, doch Loh sieht sich als heimatverbundenen Menschen. Sein Museum hat er nun von der eigenen Terrasse aus im Blick.
Loh ärgert, dass seine Region so wenig aus sich mache. »Nicht nur die Landschaft ist ein Traum und die Leute so gut, dass sie meine Firmen groß gemacht haben«, klagt er. »Unsere Industriegeschichte ist unerreicht. Nicht im Ruhrgebiet, sondern hier zwischen Dillenburg, Siegen, Haiger und Herborn steht die Wiege der deutschen Schwerindustrie.«
All das will Loh wieder ins Bewusstsein rücken mit dem mehr als 7000 Quadratmeter großen Museum in den mühsam entkernten Backsteinhallen. Dazu gehören ein Gourmetrestaurant, ein amerikanisches Diner sowie der Nachbau jenes Dillenburger Kinos, in dem er als Teenager Filme wie Billy Wilders »Eins, zwei, drei« oder Steve McQueens »Le Mans« gesehen hat. Hinzu kommt eine Geschichts- und eine Lehrwerkstatt. Und ab dem nächsten Semester ist eine Fakultät der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt aus Nürtingen-Geislingen zu Gast im Museum, um dort am lebenden Objekt zu lehren.
Bugatti-Archiv in Dietzhölztal-Ewersbach
Ein paar besondere Schätze genießt Loh weiterhin allein oder mit ausgewählten Gästen. Ob man nun für 19 Euro den normalen Eintritt bucht oder für weitere sechs Euro auch die Sonderausstellung, die aktuell den Le-Mans-Teilnehmern gewidmet ist, bleibt einem der wahrscheinlich spektakulärste Raum verschlossen: Die Bugatti-Garage, in der es so aussieht, als habe Ettore persönlich dort gerade erst Feierabend gemacht.
Loh besitzt nicht nur ein halbes Dutzend Bugattis inklusive eines Type 57 Atalante. Als VW 1998 die französische Luxusmarke vom italienischen Geschäftsmann Romano Artioli übernahm, boten Mittelsmänner dem Sammler das gesamte Archiv an – und der griff direkt zu. Deshalb lagern jetzt die Designskizzen und Konstruktionspläne für automobile Legenden wie den Royale oder den Atlantic nicht am Stammsitz Molsheim oder in den Tresoren von Wolfsburg, sondern in Schubladenschränken in Dietzhölztal-Ewersbach.
Nationales Automuseum Loh Collection: Ode an die Fahrfreude - DER SPIEGEL
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