Jedes Jahr vergibt der private Verein »Aktion Plagiarius«. einen Schmähpreis für die frechsten Produktpiraten, den Plagiarius. Der Verein will damit nach eigenen Angaben vor allem auf die Probleme betroffener Firmen aufmerksam machen. Wie etwa beim preisgekrönten Sessel »Polygon« des Unternehmens Prostoria (links). Der Hersteller der billigen Kopie (rechts) scheint zu wissen, was er tut: »Wir sind bestrebt, ikonische Designs perfekt zu reproduzieren, nach den gleichen Standards wie die Originale herzustellen und für jeden erschwinglich zu machen«, wird er zitiert. Nach einer Abmahnung samt Unterlassungserklärung wurde der Verkauf laut »Aktion Plagiarius« gestoppt.
Neben dem Sessel wurden unter anderem sechs weitere gleichrangige Artikel ausgezeichnet sowie drei Hauptpreise vergeben. Dieser faltbare Geschirrabtropfer schaffte es unter die gleichrangigen Artikel: Das Design des Schweizer Originals »Space Wonder« (links) soll von einem türkischen Plastikhersteller übernommen worden sein. Ganz identisch ist das Produkt aber nicht: Der Kunststoff sei billiger und die Faltstellen brächen leichter, urteilt die Plagiarius-Jury. Der polnische Vertrieb nahm das Plagiat vom Markt – und verkauft nun das Original.
Mit einem Stufenbohrer kann man verschiedene Größen bohren, ohne den Bohrer zu wechseln. Der deutsche Werkzeughersteller Karnasch soll laut der Jury kurzerhand alle innovativen Produktmerkmale des Originals (links) der Ruko GmbH aus Holzgerlingen übernommen haben. Dazu zählen die Anzahl der Bohrstufen, der Durchmesser und die Höhe der einzelnen Stufen, die Schneidgeometrie, die Zentrierspitze und auch die Radien bei den Stufenübergängen. Der Patenterteilungsprozess von Ruko läuft noch, Karnasch bestreitet die Neuheit und argumentiert, dass der »Stand der Technik« frei nutzbar sei.
Die Türstopper-Serie »Screw or Glue« der Wagner System GmbH aus Lahr kam gleich im Dreierpack, dennoch soll sich das tschechische Unternehmen Walteco einer derartigen Kopie erdreistet haben. Lediglich sichtbare Schrauben und minimale Stellen an der Unterseite unterscheiden beide Produkte (die Originale liegen jeweils links). Eine geforderte Unterlassung lehnte Walteco ab, die Wagner System GmbH reichte Klage ein.
Der Gebäckformer »Formfix« der Krefelder Firma Janssen (links) gilt als ideal für Kleinbäckereien und Konditoreien. Seit Oktober 2020 wird das Gerät aber auch vom türkischen Anbieter Handymach angeboten, Design, Konstruktion, Funktion, sogar auf das Gramm gleiche Rezepte und Walzenmotive wurden übernommen. Auf Kontaktanfragen aus Deutschland soll die Firma laut Plagiarius nicht antworten, auch soll sie keine Bestellungen ausliefern.
Für innerdeutsche Streitigkeiten sorgte diese mutmaßliche billige Kopie von Aldi Süd einer Kapuzenstrickjacke von Engelbert Strauss (Original links). Laut der Plagiarius-Juroren wurden Design, Konzept und Materialmix der Funktionsjacke nahezu vollständig übernommen. Ihnen zufolge orientierten sich die Hersteller der mutmaßlichen Kopie unter anderem auch beim elastischen Melange-Strick an den Ärmeln und den Seiten am mutmaßlichen Original. Bei der prägnanten linken Brusttasche aus Strick mit vertikalem Reißverschluss ähneln sich die Jacken ebenfalls. Aldi Süd sieht keine Design-Verletzung, wollte laut »Aktion Plagiarius« aber mit Engelbert Strauss sprechen.
Zum Fest den farblich passenden Christbaumständer zur Weihnachtsdeko? Das dachte sich nicht nur die Tannen-Paradies GmbH aus Berlin, sondern laut der Plagiarius-Juroren auch ein Pflanzenhandel aus den Niederlanden. Die Plagiate (rechts) sollen weniger stabil, der Kunststoff nicht aus Recyclingmaterial sein. Der Nachahmer argumentiert, dass das Design nicht »schutzfähig« sei und bestreitet eine sklavische Nachahmung. Besonders dreist: Laut »Aktion Plagiarius« soll der niederländische Händler den originalen Christbaumständer bis 2019 selbst bezogen und weiter vertrieben haben, ehe er sich offenbar umentschied.
Die »besten« Plagiate wurden mit drei Hauptpreisen ausgezeichnet. Rang drei erreichte die Kopie des Schlaf-Sofas »Up-Lift«, das eigentlich von der kroatischen Firma Prostoria auf den Markt gebracht wird. Trotz eingetragenen Designschutzes in vielen Ländern wird es laut Plagiarius in billiger Variante (rechts) vom britischen Onlinevertrieb Oxygen angeboten. Laut der Juroren sollen Materialien und Verarbeitung der Nachahmung dürftig sein.
Rang zwei erreichte das Plagiat des elektrischen Bremsenentlüftungsgeräts der deutschen Firma Manotec (Original links). In China wurde das Gerät augenscheinlich kopiert, das Billig-Plagiat entspricht laut der Juroren aber in keinster Weise den gesetzlichen Vorschriften für Elektrik und Druckgeräte. Selbst die Beschriftung sei fehlerhaft, schreiben die Juroren. Statt »Amp« für Ampère steht auf dem Plagiat »Aump« . Der Nachahmer soll ein Originalfoto genommen und lediglich einige Bedienknöpfe retuschiert haben. Laut Plagiarius lässt Manotec regelmäßig rechtsverletzende Onlineangebote löschen.
Wenn man in dieser Kategorie überhaupt von einem »Gewinner« sprechen kann, dann ist es das Imitat der Motorsäge der Andreas Stihl AG & Co. KG aus Waiblingen. Die dreiste Fälschung (unten) wurde von der chinesischen Firma Hangzhou Guley Garden Machinery Co. hergestellt, die kurzerhand den Markennamen von »Stihl« in »Sthil« änderte. Guley ist laut Plagiarius einer der Topfälscher von Stihl-Produkten in China mit Abnehmern in Asien, Afrika und Südamerika. Laut Plagiarius gewann Stihl bisher acht Gerichtsverfahren gegen Guley und erhielt insgesamt 170.000 Euro Schadensersatz. Der Plagiarius, ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase, wird üblicherweise auf der Frankfurter Konsumgütermesse »Ambiente« vergeben, die in diesem Jahr pandemiebedingt abgesagt wurde.
Schmähpreis »Plagiarius«: Die dreistesten Plagiate des Jahres - DER SPIEGEL
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