Stand: 07.05.2021 02:29 Uhr
Jan Marsalek, der untergetauchte Ex-Wirecard-Vorstand, ist bei der Sitzung des Bundestags-Untersuchungsausschusses wieder allgegenwärtig. Mehrere Zeugen zeichnen dabei das Bild eines freundlichen und eloquenten Menschen.
Von Arne Meyer-Fünffinger, ARD-Hauptstadtstudio
Kurz nachdem Sabine Heinzinger in den kreisrunden "Europasaal" des Paul-Löbe-Hauses Platz gekommen ist, wird der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer persönlich: "War Marsalek ein netter Chef?" "Ja, sehr loyal, sehr freundlich", antwortet Heinzinger postwendend. Sieben Jahre lang hat sie als persönliche Assistentin direkt für den früheren Wirecard-Vorstand gearbeitet. Sie hat zum Beispiel für ihn Dienstreisen gebucht, nach Asien, nach Dubai, auch nach Russland. Von Abstechern Marsaleks nach Libyen oder Syrien ist ihr nichts bekannt.
"Er hat mal ein Foto geschickt, das darauf hindeutet, dass es in der Umgebung entstanden sein könnte. Er stand in einer Wüstenlandschaft und trug einen Helm", erzählt Heinzinger. Groß interessiert habe sie sich dafür aber nicht. Auch privat habe sie über ihren Chef nichts gewusst oder mitbekommen. "Er hat da immer eine strikte Grenze gezogen", betont die frühere Wirecard-Mitarbeiterin, die im Oktober 2020 das Unternehmen schließlich verlassen musste. Zu diesem Zeitpunkt hatte dort schon der Insolvenzverwalter übernommen.
Marsalek-Assistentin hoffte auf Aufklärung
Von möglichen Unregelmäßigkeiten beim Wirecard-Drittpartnergeschäft oder verschwundenen Milliarden, die auf philippinischen Treuhandkonten liegen sollten, will Heinzinger erst spät etwas erfahren haben, größtenteils aus der Presse. Die Situation bei Wirecard Anfang/Mitte Juni 2020, als sich der Skandal allmählich zuspitzte, habe sie wegen der Corona-Pandemie in erster Linie aus dem Homeoffice erlebt. "Alle dachten: Das lässt sich klären", schilderte sie ihre damalige Einschätzung. Es kam anders.
Die Vorwürfe rund um vermutete Unregelmäßigkeiten bei Wirecard klären - dieses Ziel hat auch Christian Muth verfolgt. Muth ist Forensiker bei EY, der langjährigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft von Wirecard. Seit 2009 hat EY die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters mit Sitz in Aschheim bei München Jahr für Jahr testiert. Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gab es früh, zum Beispiel im Zusammenhang mit einem Wirecard-Zukauf in Indien. Dort hatte das Unternehmen im Oktober 2015 für den Erwerb der "Hermes I Tickets" über 300 Millionen Euro auf den Tisch gelegt. Diese hatte kurz zuvor für den Bruchteil der Summe den Besitzer gewechselt. Bis heute werfen der genaue Ablauf und die Hintergründe dieses Geschäfts Fragen auf.
Ein "Hansdampf", eloquent und brillant
Nach anonymen Hinweisen über mögliche Unregelmäßigkeiten bei dieser Transaktion startete EY losgelöst und unabhängig von der jährlichen Bilanzprüfung eine Sonderuntersuchung unter dem Namen "Project Ring". Leiter dieser Untersuchung, die zwischen 2016 und 2018 lief: Christian Muth. Über mehrere Stunden schilderte der Forensiker die Arbeit, die bei ihm, wie er durchblicken lies, oftmals für "Frust" sorgte.
Denn: Wirecard habe sich bei dieser Untersuchung nicht wirklich kooperativ verhalten und versucht, Einfluss auf Formulierungen im Abschlussbericht über die Sonderuntersuchung zu nehmen. In diesem Zusammenhang nannte der Forensiker den Namen des früheren Wirecard-Finanzvorstands Burkhard Ley, der von Muth in einer E-Mail Änderungen verlangt hatte. "Ich bin ausgerastet, weil das eine Unverschämtheit war", kommentierte Muth diesen Vorgang. Er hatte ein ähnliches Bild von dem seit Monaten untergetauchten Jan Marsalek gezeichnet wie dessen frühere Assistentin: "Der war ein Hansdampf in allen Gassen, sehr eloquent, in Teilen brillant."
Allerdings scheint auch EY selbst für den Frust bei Muth gesorgt zu haben - hinsichtlich der im Rahmen der Sonderuntersuchung gefundenen Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten. Diese "Red Flags" hat EY wohl nicht mit der notwendigen Konsequenz verfolgt und ernst genommen, das ließ Muth durchblicken. Grünen-Obmann Danyal Bayaz nahm deswegen in seiner Sitzungsbilanz EY ins Visier: "Es gibt starke Indizien, dass Risiken nicht ausreichend benannt und angemessen bewertet wurden. Die Testate von EY für die Wirecard-Bilanzen wirken nach dieser Aussage noch fragwürdiger."
Wirecard-Skandal: Vom "Hansdampf" hinters Licht geführt? - tagesschau.de
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