Beim Thema Klima geht es derzeit rund: Erst kippt das Bundesverfassungsgericht das deutsche Klimaschutzgesetz, dann verdonnert ein niederländisches Bezirksgericht den Ölgiganten Royal Dutch Shell dazu, seinen Klimafußabdruck und den seiner Zulieferer bis 2030 fast zu halbieren. Und dafür einen konkreten Plan vorzulegen. Nur so sei das Wirtschaften des Konzerns mit dem Pariser Klimavertrag in Einklang zu bringen. Shell war mit 1,4 Milliarden Tonnen Kohlendioxidausstoß pro Jahr zuletzt für fast doppelt so viel CO₂-Emissionen verantwortlich wie die Bundesrepublik Deutschland.
Am selben Tag zogen dann auch noch zwei Klimaaktivisten in den Verwaltungsrat von ExxonMobil ein, gewählt von unzufriedenen, kritischen Aktionären.
Und was bedeutet das für Sie als Geldanleger?
Na, dass Sie sich freuen können, wenn Sie in den vergangenen Jahren schon in nachhaltige Fonds investiert haben. Sie liegen quasi vorne. In streng gemanagten Fonds war ein Ölkonzern wie Shell ohnehin nicht vertreten. Wie sehr das Vertrauen in den Ölkonzern aufgebraucht ist, hatte schon im Januar ein Urteil gezeigt, das das Unternehmen auch für die Ölverseuchung im nigerianischen Niger-Delta verantwortlich machte. Dabei hatte Shell angekündigt, 2050 klimaneutral sein zu wollen und bis 2035 die Emissionen pro Euro Umsatz um 45 Prozent zu senken, verglichen mit 2016. Klimaschutz ist eine der zentralen Messlatten für solche nachhaltigen Fonds, und Ölkonzerne werden dort einfach ausgemustert.
Auch bei der zahmeren und bequemeren Variante nachhaltiger Fonds, hellgrünen Indexfonds, spielen Ölkonzerne seit einigen Jahren aus wohlerwogener Anlegersicht keine Rolle mehr. Beim Index MSCI SRI etwa fehlen Ölkonzerne wie Shell komplett. Fonds, die den Index nachbauen, halten entsprechend keine Shell-Aktien. Im Dow Jones Sustainability Index ist Shell zwar noch vertreten, hat aber mit 0,4 Prozent nur einen sehr kleinen Anteil.
Selbst wenn Sie ohne das Klima im Sinn ganz klassisch investiert haben, also beispielsweise in einen traditionellen weltweiten Indexfonds, spielen Ölkonzerne inzwischen nur noch eine sehr untergeordnete Rolle. 2009, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, waren vier der zehn wertvollsten Firmen weltweit Ölkonzerne.
Schon 2019 fand sich kaum ein Ölkonzern mehr in den Top Ten. Zwar war Shell zumindest bei »Forbes« noch auf Platz neun der 25 größten Firmen weltweit gelistet. 2020 haben sich die Ölgiganten allerdings komplett aus der »Forbes«-Liste verabschiedet.
Und das ist für Sie als Fondsanleger auch gut so: Während sich der Wert Ihrer Anteile bei einem traditionellen weltweiten Indexfonds seit 2009 etwa vervierfacht hätte, wären Sie mit Shell-Aktien weit schlechter gefahren. Aus 20 Euro, Ende 2009 in eine Aktie gesteckt, wären heute rund 16 Euro geworden, ein Verlust von 20 Prozent.
Und mit Shell hätten Sie noch Glück gehabt. BP wäre viel schlimmer. Von Kohlekonzernen wie RWE – von 70 Euro auf 30 Euro in dem Zeitraum – oder dem in die Pleite gesegelten weltgrößten Kohlekonzern Peabody ganz zu schweigen. An dieser Stelle passt übrigens mein Credo wieder sehr schön: Einzelaktien sind immer risikoreicher als ein breit aufgestellter Aktienfonds.
Und was sollten Sie nun tun?
Zwei Dinge: Zum einen Ihre Geldanlage auf Klimatauglichkeit überprüfen.
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Wenn Sie schon in nachhaltige Fonds investiert haben, ist das im Prinzip prima. Sind die Fonds aktiv gemanagt, müssen Sie allerdings weiterhin beobachten, dass die Fonds weltweit in möglichst viele Firmen anlegen, um das Verlustrisiko durch einzelne Firmen kleinzuhalten. In weltweiten Indexfonds sind weit mehr unterschiedliche Firmen vertreten als in den gemanagten Varianten. Außerdem müssen Sie kontrollieren, dass Ihr Management einen guten Job macht, gleichzeitig dem Klima hilft und Ihrem Portemonnaie. Fürs Management geben Sie Jahr für Jahr 1,5 Prozent der Anlagesumme aus, achtmal so viel wie bei einem hellgrünen Indexfonds.
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Wenn Sie in marktbreite nachhaltige Indexfonds angelegt haben, haben Sie weniger Arbeit. Dann wird es der Markt für Sie wohl richten. Nicht ganz so grün, aber auf jeden Fall mit deutlich weniger CO₂-Fußabdruck – und deutlich preiswerter. Möglicherweise in den kommenden Jahren sogar mit besseren Renditen als bei klassischen marktbreiten Aktienfonds. Seit der Finanzkrise haben sich beide Konzepte aus Anlegersicht ähnlich entwickelt, haben wir bei Finanztip ermittelt. 2020 aber haben sich in vielen Bereichen die nachhaltigen Fonds sogar deutlich besser entwickelt als ihre nicht nachhaltigen Pendants. Der Chef der weltgrößten Fondsgesellschaft Blackrock, Larry Fink, sagt, in mehr als 80 Prozent aller Fälle sei das so.
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Wenn Sie allerdings noch viel Geld in einzelnen Firmen stecken haben, die am Öl, an der Kohle und auch am Erdgas hängen, sollten Sie sich damit beschäftigen. Im Anlegerdeutsch sprechen Experten vom Risiko der »stranded assets«, also von den angeschwemmten Planken untergegangener Schiffe. Davor hatte Greenpeace-Legende Jeremy Legget im Zusammenhang mit Kohle- und Ölkonzernen schon vor 25 Jahren gewarnt.
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Apropos Blackrock und Co. – die großen Fondsgesellschaften sind sicher nicht so radikal wie eine Umweltschutzorganisation. Aber viele dieser Finanzgiganten haben die Zeichen der Zeit erkannt und nutzen ihren Einfluss auf den Aktionärsversammlungen immer öfter im Sinne des Planeten. Oben habe ich die überraschende Berufung von zwei progressiveren Aufsichtsräten in den Exxon-Aufsichtsrat erwähnt. Den Impuls gab ein winziger Hedgefonds, aber Rückendeckung und Stimmgewicht kam hier auch von Blackrock. Das zeigt, dass selbst ein nicht ausdrücklich nachhaltiges Investment etwas verändern kann.
Zweitens sollten Sie Ihre Alltagsinvestitionen auf Klimatauglichkeit prüfen. Geld in Projekten, die aus Klimagründen scheitern, das gibt es auch hier: Ihr Auto, das mehr Dreck zum Auspuff rauspustet, als der Hersteller mal versprochen hat. Oder ein Haus mit einer Heizung, von der Sie jetzt schon wissen, dass die das Jahr 2030 nicht überleben wird.
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Thema Heizung: Hier müssen Sie wahrscheinlich etwas tun. Nicht weil die Mechanik der Heizung im Eimer ist, sondern weil der Brennstoff entweder wegen der CO₂-Abgabe immer teurer wird. Oder weil die aktuelle Heizung tatsächlich demnächst verboten wird. Auch hier sind die Zeichen am Horizont eigentlich klar. Im aktuellen Regierungsentwurf fürs Klimaschutzgesetz ist eine Verringerung der Emissionen aus dem Gebäudesektor um 43 Prozent bis 2030 vorgesehen. Aber es naht immerhin ganz konventionelle Hilfe. Wenn Sie Ihre Ölheizung rauswerfen und eine neue, umweltfreundlichere Heizung einbauen, hilft der Staat mit bis zu 45 Prozent der Kosten für Aus- und Einbau. Wie das geht, finden Sie hier. Die aktuell häufig eingesetzte Kombination von Erdgasheizung und Solarthermie auf dem Dach, bringt Sie vielleicht noch nicht ins Klimajahr 2040. Aber eine Wärmepumpe im Garten gekoppelt mit Photovoltaik auf dem Dach stößt überhaupt kein CO₂ mehr aus und könnte in Zukunft der Renner werden.
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Thema Mobilität: Sie wohnen auf dem Land und kommen ganz sicher zukünftig nicht ohne Auto aus? Fürs E-Auto gibt es immer noch 9000 Euro Zuschuss. Hier geht es zum Geld. Manche können sicher das Auto mit dem eigenen Solardach laden. Die eigentliche Herausforderung aber ist es, jetzt oder demnächst das Auto zu finden, mit dem Sie in den kommenden Jahren tatsächlich fahren können und das nicht schon in zwei Jahren zum Ladenhüter und unverkäuflich wird, weil die Ladezeit zu lang oder die Kiste zu schwer ist. Die Bundesregierung will in der aktuellen Version des Klimaschutzgesetzes eine Senkung der CO₂-Emissionen im Verkehr um 43 Prozent bis 2030 erreichen – immerhin vom niedrigen Niveau des Coronajahres 2020.
Fazit: Das Shell-Urteil kann Sie als Anlegerin erfreuen, es muss Sie nicht erschrecken. Mehr Klimaschutz und eine bessere Geldanlage, das bekommen Sie gut hin. Die Instrumente sind schon da. Und beides ist inzwischen sogar genauso einfach wie die Geldanlage ganz ohne Klimaschutz, historisch ohne Rendite-Einbußen, künftig vielleicht sogar lukrativer.
Klimaschutz bei unseren Alltagsinvestitionen, das wird die eigentliche Herausforderung. Nicht weil es am Geld mangelt. Hier könnten Sie einen Teil des Geldes investieren, für das uns die Banken im Alltag keine Zinsen mehr zahlen wollen. Sondern weil es noch nicht so einfach ist. Aber am Ende können alle profitieren. Sie, das Klima – nicht nur für unsere Kinder – und auch die Firmen, die uns bei der Bewältigung der Krise helfen.
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