Mitten im schlechten Börsenjahr 2001 – die Internetblase platzte gerade und der Anschlag aufs World Trade Center würde noch kommen – fand ich einen spannenden Artikel im »Wall Street Journal« zu den Kosten von Fondsanlagen. Dort konnte ich nachlesen, dass Amerikanerinnen und Amerikaner ihre Fonds deutlich preiswerter kaufen konnten als Menschen hierzulande. Das ist jetzt 20 Jahre her.
Dahinter steckte damals härtere Konkurrenz auf dem US-Markt. Besonders die der Fondsgesellschaft Vanguard. Die gehört nämlich ihren Anlegern als eine Art Genossenschaft. Vanguard propagierte damals schon Indexfonds (ETF), den ersten für Kleinanleger legte die Gesellschaft 1976 auf. Deshalb waren diese Fonds in den USA 2001 bereits recht populär. Die Idee: Vanguard bezahlte für diese Fonds kein teures Management, das die eine Aktie auswählt und die andere nicht. Vielmehr kaufte die Gesellschaft für ihre Anleger und Anlegerinnen einfach Aktien sämtlicher Unternehmen ab einer bestimmten Größe, also alle Mitglieder eines Aktienindex.
Indexfonds: Es kommt auf die Kosten an
Der Fokus auf niedrige Kosten ist für eine Genossenschaft eigentlich ganz logisch. Geldanlage nach dem Selbsthilfeprinzip muss vor allem preiswert sein und soll für die Genossinnen und Genossen keine zusätzliche Arbeit machen. Und weil es sich um ein Investment für Kleinanleger handelt, soll es so sicher sein, wie das eben mit Aktien geht.
Die Ideen, die kostengünstigen, möglichst sicheren Fonds auch für Kleinanleger zugänglich zu machen, hat Vanguard-Gründer John C. Bogle in einem Gespräch mit der »New York Times« einmal so auf den Punkt gebracht: »Beim Investieren verdienst du an dem, was du nicht bezahlen musst. Es kommt auf die Kosten an.«
Bogle betrieb bei Vanguard neben den ganzen Indexfonds aus Traditionsgründen auch noch einen gemanagten Aktienfonds – aber auch hier für rekordverdächtig niedrige 0,17 Prozent Gebühren. Durchschnittlich kosteten gemanagte Aktienfonds in den USA damals knapp ein Prozent.
In Europa haben Indexfonds erst später Fuß gefasst. Vanguards großer Konkurrent Blackrock ist bei uns mittlerweile ebenso mit eigenen Indexfonds am Start wie die Deutsche-Bank-Tochter DWS oder die Fondsgesellschaften französischer, schweizerischer und britischer Großbanken.
Unbequem war dieser Wandel für die Fondsmanager, die ETF-Gebühren für die Fondsgesellschaften sind viel niedriger als bei aktiv gemanagten Fonds. Doch die Strategen bei den Fondsgesellschaften hatten mit Sicherheit auch das bemerkenswerte Eingeständnis der Fondsrating-Agentur Morningstar gelesen. Morningstar rechnete 2010 nach der Finanzkrise vor, dass die besonders günstigen Fonds verglichen mit den teuren aus der Sicht der Anleger mehr Renditevorsprung brachten als die Orientierung an der Sternebewertung. Morningstar belegt zudem seither regelmäßig, dass die wenigsten Profi-Fondsmanager besser abschneiden als die ungleich simpleren passiven Fonds, also oft ETFs, die lediglich einem Index folgen.
Indizes – je größer, desto besser
Es gibt Aktien-Indexfonds für einzelne Länder, für alle Aktien der Euroländer, der EU oder ganz Europas. Es gibt Indizes für die Industrieländer wie den MSCI World, ethische und ökologische Indizes und Fonds, die wirklich die ganze Welt der Aktiengesellschaften in rund 50 Ländern einfangen wollen.
Tatsächlich liegt Vanguard auch hier wieder zeitlich weit vorn. Die Fondsgesellschaft aus Pennsylvania hat 2012 einen europäischen Publikumsfonds auf den Index FTSE All World aufgelegt. Der Index der Londoner Börse, 2004 eingeführt von der Financial Times, besteht aus 3900 Werten aus 49 Ländern, die beim letzten Nachzählen in diesem Frühjahr insgesamt 65.700 Milliarden Dollar wert waren. Mehr als 80 Prozent aller Aktien weltweit und viermal so viel wie die gesamte jährliche Wirtschaftskraft der EU. Die Entscheidung für den FTSE Index beruht übrigens darauf, dass die Nutzung von FTSE für die Fondsgesellschaft preiswerter sei, sagt die Gesellschaft, der Index aber genauso gut wie der Konkurrenzindex von MSCI.
In solchen tatsächlich weltweiten All World Indizes stecken dann nicht nur Aktiengesellschaften von Apple bis Zalando aus den klassischen Industrieländern, sondern eben auch Firmen aus China wie Alibaba oder Tencent, aus Südkorea wie Samsung oder Kia und den anderen schnell wachsende Volkswirtschaften Südostasiens, dann natürlich Russland, Südafrika und Brasilien und noch einige andere lateinamerikanische Länder. Beim New Yorker Konkurrenten des Londoner FTSE heißt der weltweite Index MSCI ACWI, also statt MSCI World, MSCI All Countries World Index.
Ist Anlegen in China und Argentinien nicht unsicher?
Früher haben Kleinanleger nur ungern in solchen sogenannten Schwellenländern investiert. In den vergangenen fünf Jahren aber waren Indizes mit »Schwellenländern« sogar noch ein Stückchen stabiler als die nur mit Industrieländern. Die Einbettung in einen weltweiten Aktienkorb hilft. Unsere Analyse bei Finanztip zeigt eine deutlich niedrigere Volatilität, das heißt: Bei diesen Indizes ging es zuletzt nicht so stark rauf und runter.
Und die weltweiten Indizes sind natürlich viel stabiler als eine Anlage nur in Deutschland. Kleiner Nebeneffekt der vielen Länder: Einzelne große Industrieländer mit ihren Aktiengesellschaften können den Index nicht so sehr dominieren. Der MSCI World hatte, als er vor 35 Jahren aufgelegt wurde, ein sehr hohes Gewicht an japanischen Aktien, in den vergangen zwei Jahrzehnten ein zunehmend hohes Gewicht an US-Werten, deutlich über 60 Prozent. Diese Gewichte sind natürlich kleiner, wenn neben den Industrieländeraktien zusätzlich Unternehmen aus 26 oder 27 anderen Ländern dabei sind.
Meine Finanztip-Kolleginnen und -Kollegen haben kürzlich nachgerechnet:
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Für den langfristig orientierten Anleger oder die Anlegerin ist beides eine gute Idee – nur klassische Industrieländer oder mit Schwellenländern, die Renditen lagen im Schnitt bei 9,5 Prozent im Jahr über die vergangenen fünf Jahre. Nur die Schwankung der wirklich weltweiten Indizes war kleiner.
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Solch stabile Wertentwicklungen zeigen übrigens auch Indexfonds, die auf nachhaltigere Varianten der Indizes setzen.
Tatsächlich reagieren die besonders großen Indizes besonders ungerührt auf die Weltläufe, wenn man denn einen Unterschied festmachen wollte.
Bei plötzlichen kurzzeitigen Crashs kann sich das sogar bewähren: Beim Corona-Crash im Februar und März 2020 zum Beispiel ging der Dax in einem Monat 40 Prozent nach unten, der MSCI World mit seinen 1600 Werten und der FTSE All-World mit seinen 3900 Werten dagegen nur zwischen 28 und 29 Prozent
Muss ich als Kleinanleger im Bewusstsein um die größere Dimension, die fast 50 Länder und fast 4000 Aktienkonzerne, jetzt etwas anders machen?
Eher nicht.
Wenn Sie seit Jahren in einen Fonds auf den MSCI World investieren, können Sie locker dabeibleiben.
Sie wissen jetzt aber,
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im Angebot sind auch zwei noch umfassendere Indizes, die zumindest in der Vergangenheit genauso viel Rendite gebracht hätten: der MSCI All Countries World Index (AWCI) und der Financial Times SE (FTSE) All-World.
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Und Sie wissen, dass es bei den Gebühren auch bei Ihren ganz großen, ganz marktbreiten Fonds noch weiter nach unten gehen kann. Vorreiter Vanguard hat zuletzt im Herbst 2019 die Gebühren gesenkt.
Ziel aus Sicht der Anleger sollten Kosten sein, die so niedrig sind wie beim norwegischen Staatsfonds, also 0,04 Prozent im Jahr. In den USA gibt es bereits große Fonds, die so günstig sind.
Wunderbare Aussichten. Oder um mit Fonds-Pionier Bogle zu sprechen: »Die Zeit ist Ihr Freund. Spontanität dagegen Ihr Gegner.«
Geldanlage: Wie Sie die günstigsten und sichersten Aktienfonds finden - DER SPIEGEL
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