Der deutsche Fußball und die Anleger, diese gemeinsame Geschichte ist nicht gerade ruhmreich. Die Fan-Anleihen, die Bundesligaklubs herausgeben, erscheinen zwar mit bis zu 6,5 Prozent sehr gut verzinst, bergen für Anleger aber ein erhebliches Risiko. Schließlich setzen vor allem klamme Klubs wie der 1. FC Köln, Werder Bremen oder der hoch verschuldete FC Schalke 04 darauf, dass ihnen ihre breite Fanbasis über die Runden hilft. Dem 1. FC Kaiserslautern ging es im vergangenen Jahr so schlecht, dass er seine Gläubiger um eine Stundung der Anleihezinsen bitten musste. Mit den beiden börsennotierten Fußballklubs hatten Anleger ebenfalls wenig Spaß. Der Aktienkurs von Borussia Dortmund schwankt stark und liegt ein Drittel unter dem Ausgabepreis von 2000. Die Aktie der viertklassigen Spielvereinigung Unterhaching ist sogar zwei Drittel billiger als beim Börsendebüt Mitte 2019.
Vielleicht könnten Kicker und Anleger besser auf eine andere Weise zusammenkommen: mit Kryptowerten, also einer Art Bitcoin für die Bundesliga. Überlegungen dazu haben sich einige große Vereine intensiv gemacht, wie eine Stichprobe der F.A.S. ergeben hat. Florian Hopp, Finanzchef des Champions-League-Teilnehmers RB Leipzig, erkennt zwar derzeit keinen Mehrwert von sogenannten Fan-Token, einer Mischung aus Kryptowert und Aktie. Perspektivisch bieten sich laut Hopp jedoch Chancen: „Interessant könnte dies möglicherweise mit Blick auf unsere Internationalisierungsbestrebungen werden.“ Beim 1. FC Köln beobachtet man das Thema gleichfalls genau. Es fehle aber an Erfahrungswerten, „um das abschließend beurteilen zu können“, sagt FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle: „Jede Einnahmequelle muss auch einen Markt haben.“
Welche Chancen sich für Vereine und ihre Anleger eröffnen können, hat sich jüngst beim Wechsel des Weltstars Lionel Messi zum französischen Spitzenklub Paris Saint-Germain (PSG) gezeigt. Der Transfer war in mehrfacher Hinsicht spektakulär. Zum Ersten, weil der kleine Argentinier dem FC Barcelona, bei dem er groß und erfolgreich wurde, nach 21 Jahren unter Tränen und ablösefrei den Rücken kehrte. Zum Zweiten, weil der Transfer die existenzbedrohenden Finanznöte des Klubs offenbarte. Zum Dritten war der Wechsel sensationell, weil in Messis Begrüßungsgeld von angeblich knapp 30 Millionen Euro auch eine Stange Kryptogeld enthalten war.
Es soll sich um einen „signifikanten“ Betrag gehandelt haben, erklärte der Hauptstadtklub. Ein gutes Geschäft ist es jedenfalls gewesen. Der PSG Fan-Token gewann nicht nur schlagartig an Bekanntheit, sondern erreichte in den Tagen rund um Messis Ankunft ein Handelsvolumen von 1,2 Milliarden Dollar. Weil sich der Wert des Tokens binnen fünf Tagen auf 50 Dollar mehr als verdoppelte, durften sich nicht nur die Fan-Anleger freuen: PSG strich nach Schätzungen mindestens 15 Millionen Euro ein. Davon lässt sich Messis Gehalt immerhin rund fünf Monate bestreiten.
Ähnliche Fan-Token, die an Kryptobörsen leicht zu kaufen und verkaufen sind, haben auch andere europäische Spitzenklubs wie Manchester City, Juventus Turin oder der AC Mailand. Mutmaßlich verdienen die Vereine damit nicht nur Geld, sondern können auch die Bindung zu ihrer Anhängerschaft weiter stärken und das digitale Anlageprodukt insgesamt populärer machen. Indem ein Fan solche Token kauft, darf er sich nämlich nicht nur als Investor fühlen, sondern sich auch mehr einbringen als nur mit Gesang oder Geschimpfe im Stadion.
Besitzer können mitbestimmen
Über eine App können Token-Besitzer so beispielsweise mitentscheiden, wie der Mannschaftsbus gestaltet werden soll, welches Lied bei einem erzielten Tor im Stadion abgespielt wird oder wie die Kapitänsbinde aussieht. Oft können sie über Video mit ihren Lieblingskickern kommunizieren, dazu gibt’s auch noch Rabatte im Fanshop. Letzteres kann einiges ausmachen, da ein Fantrikot von PSG normalerweise 125 Euro kostet. Mit dem Fan-Token könne der Klub nicht nur ein internationales Publikum ansprechen, sondern auch „eine bedeutende digitale Einnahmequelle schaffen“, sagt PSG-Funktionär Marc Armstrong.
Spätestens bei dem Begriff „bedeutende Einnahmequelle“ müsste jeder Geschäftsführer eines Bundesligaklubs aufhorchen. Könnte die Herausgabe von Kryptogeld doch womöglich dazu taugen, den in der Corona-Krise noch klammer gewordenen Vereinen ein wenig aus der Patsche zu helfen. Es wird vielleicht nicht dazu reichen, einen Star wie Lionel Messi an Rhein, Ruhr oder Isar zu locken. Aber vielleicht könnte es gelingen, die Fans zu Anlegern zu machen und sie somit monetär ebenso zu beteiligen wie emotional.
Borussia Dortmund scheitert
Einen Vorstoß hat es gegeben, von Borussia Dortmund kurz vor Weihnachten 2020. Doch kaum war der Fan-Token in der Testphase, regte sich massiver Widerstand unter BVB-Anhängern. „Marketingwahn“ war auf einem großen Protestplakat im Stadion zu lesen, andere eingefleischte Fans befürchteten, dass Organe wie der Fanrat entwertet würden, wenn alles über das Geld – also den Preis des Fan-Tokens – entschieden würde. Die BVB-Bosse bliesen ihre Kryptogeld-Einführung kurz darauf wieder ab. Einen weiteren Versuch werde es in der Form nicht geben, heißt es.
Versuch und Irrtum des BVB haben andere Vereine nicht gerade ermutigt. Bei der TSG Hoffenheim beobachte man die Entwicklungen der Kryptowährungen „sehr genau“, sagt Geschäftsführers Frank Briel: „Es gibt allerdings bei uns derzeit noch keine konkreten Pläne zur Umsetzung.“ Aus Schalke und von Borussia Mönchengladbach heißt es, das Thema sei für sie „aktuell“ nicht relevant. Der FC Bayern München hat auf die F.A.S-Anfrage noch nicht mal reagiert.
Mit externem Geldgeber im Vorteil
Die Vereine wissen aus Erfahrung, dass sie gegen ihre starke Mitgliederschaft wenig ausrichten können. Beim FC Bayern reden fast 300.000 Mitglieder mit, in Dortmund etwa die Hälfte, knapp über oder unter 100.000 sind es in Köln, Gladbach und bei Eintracht Frankfurt. „Ein Fan-Token und damit zusammenhängende Mitbestimmungsrechte für die Inhaber würde aus unserer Sicht die klassische Mitgliedschaft entwerten“, heißt es aus Mönchengladbach. Auf mögliche Einnahmen verzichte der Verein, um glaubwürdig zu bleiben. Token funktionierten wohl eher „in Ländern oder bei Klubs, die das Konzept einer Vereinsmitgliedschaft nicht kennen beziehungsweise bei denen die Einflussnahme durch externe Geldgeber üblich ist“.
Investoren von außen – wie es Qatar bei PSG ist – sind im deutschen Profifußball laut Statuten untersagt. Das mögen einige bedauern. Dass es hierzulande absehbar keine Fan-Token gibt, ist womöglich weniger schmerzhaft für Anleger. Solche Kryptowerte schwanken stark und sind sehr spekulativ. So ist der Kurs des PSG-Fan-Token wieder stark gesunken, nachdem sich der erste Messi-Hype gelegt hatte. Daher könnte es Anlegern genügen, mit dem eigenen Klub mitzufiebern und nicht auch noch mit dem eigenen Geld.
Bundesliga ohne Bitcoin - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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