Leicht könnte man die Station für den Flagship-Store einer Bekleidungsmarke halten, wären da nicht die vielen Ladeanschlüsse im Erdgeschoss. In Wirklichkeit soll das zweistöckige Gebäude mit der Lounge im Obergeschoss eine Art Tankstelle der Zukunft werden.
Der Automobilhersteller Audi will es aufbauen, in der Nähe der Nürnberger Messe, nahe an der Autobahn. Während unten E-Autos laden, sollen die Kunden oben im „Charging Hub“ Kaffee trinken, arbeiten oder schlicht entspannen.
Ähnliche Überlegungen hatte die Konzernschwester Porsche im Frühjahr auch schon vorgestellt. Die Idee dahinter: Premium-Kunden sollen beim Aufladen nicht an schwach beleuchteten Säulen im Industriegebiet im Regen stehen. So weit, so erwartbar.
Zweites Leben für gebrauchte Batterien
Der eigentliche Clou der Audi-Ladestation steckt aber in ihrem Inneren. Die Entwickler aus Ingolstadt wollen sie aus drei Modulen zusammenbauen, die sie „Speicher-Cubes“ nennen. Diese kleinen Container können dazu beitragen, gleich zwei Probleme der Elektromobilität zu lösen.
Das versprechen Audi-Technikvorstand Oliver Hoffmann und seine Kollegen. Erstens sollen in den Cubes gebrauchte Batterien aus alten Elektroautos ein zweites Leben bekommen, zweitens lässt sich die Station mit deutlich weniger Aufwand installieren, als es für eine herkömmliche Ladesäule nötig wäre.
Die Initiative kommt vergleichsweise spät – und Audi hat sie, mehr noch als andere deutsche Marken, dringend nötig. Die VW-Tochter hat angekündigt, ab 2033 zumindest in Europa keine Verbrennerfahrzeuge mehr herzustellen. In den kommenden Jahren soll die Modellpalette schnell von Diesel und Benzin auf reine E-Fahrzeuge umgestellt werden.
Diese Autos brauchen dringend viele neue Ladepunkte. Zwar werden die meisten E-Autos zu Hause oder am Arbeitsplatz geladen. Dort lassen sich viele Fahrer derzeit eine Wallbox installieren, gefördert mit 900 Euro vom Staat. Doch auch unterwegs muss ein E-Auto mitunter geladen werden, vor allem auf längeren Strecken.
Tesla ist bereits viel weiter
Der Elektro-Vorreiter Tesla hat dafür schon lange eine eigene Lösung in Betrieb. Allein in Europa gibt es 2500 Tesla-Supercharger-Stationen mit mehr als 25.000 Ladepunkten. Dieses Netz ist bisher nur den eigenen Kunden zugänglich.
Die Marken des Volkswagen-Konzerns haben sich bisher beim Ladenetz an den Fernstraßen vor allem auf den Betreiber Ionity verlassen, ein Gemeinschaftsunternehmen mit anderen Automobilherstellern.
Doch dessen Angebot ist mit dem dichten Tesla-Netz nicht annähernd vergleichbar. Konzernchef Herbert Diess hatte zuletzt auf der Fahrt in den Urlaub per Linkedin deutliche Kritik an der Ionity-Station auf dem Brennerpass geäußert – wie schon im Jahr zuvor.
Die Audi-Pilotanlage in Franken ist gegenüber solchen Netzen nur ein kleiner Anfang. Aber sie hat einen entscheidenden Vorteil. In jedem Cube stecken ausrangierte Batterien aus E-Autos mit zusammen 525 kWh Speicherkapazität. Als Anschluss reicht eine normale Starkstromleitung mit 400 Volt.
Ladecontainer für jeden Parkplatz
Der Speicher funktioniere wie ein Regenfass, erklärt ein Audi-Manager: Aus dem Netz fließt langsam, aber stetig Strom in die Batterien, ans Auto wird diese Energie dann schnell mit bis zu 300 kW Leistung abgegeben. Der Aufwand, einen neuen starken Netzanschluss zu schaffen, entfällt.
Außerdem sind die Cubes in sich geschlossene Container, die im Prinzip auf jedem Parkplatz aufgestellt werden können. Wenn das Pilotprojekt in Nürnberg läuft, wolle man überlegen ob diese Stationen weltweit aufgebaut werden können, sagt Hoffmann. „Die Verfügbarkeit von Grünstrom ist dabei besonders wichtig.“
Das ist ein Punkt, der die Deutschen – neben dem lückenhaften Ladenetz – noch stark am Elektroauto zweifeln lässt. In einer repräsentativen Allensbach-Umfrage im Auftrag des Verbands der Automobilindustrie (VDA) sagten 58 Prozent der Bundesbürger, es sei fragwürdig, ob Elektroautos wirklich umweltfreundlicher sind.
Tatsächlich kommen die Wagen im Vergleich zu Verbrennermodellen mit einem enormen „ökologischen Rucksack“ auf die Straße. Das liegt vor allem an den Batterien, deren Herstellung sehr energieintensiv ist.
Kreislaufwirtschaft reduziert CO2-Emissionen
Der große CO2-Fußabdruck neuer E-Autos entstehe vor allem durch die Aufbereitung der Rohstoffe und die Produktion der Batteriezellen, heißt es in einem Papier der Technischen Universität Braunschweig, der RWTH Aachen und des Maschinenbauverbands VDMA. Je nachdem, mit welchem Strommix die Autos gefahren werden, sei der „Break-even-Point“, an dem insgesamt weniger CO2 entstanden ist als beim Verbrenner, „in der Regel nach 50.000 bis 80.000 gefahrenen Kilometern erreicht“.
Der Hebel, um diesen Wert zu verbessern, ist nicht nur eine Produktion auf Grundlage von Ökostrom, sondern vor allem eine längere Nutzung und das spätere Recycling der Batterien. „Durch eine Kreislaufwirtschaft können sich die CO2-Emissionen, die durch Bergbau, Raffination und den Transport der Rohstoffe erzeugt werden, stark reduzieren lassen“, schreiben die Forscher. In großem Maßstab verfügbare Technologien könnten bis zu 70 Prozent der Rohstoffe zurückgewinnen, technisch machbar sei eine Quote von 95 Prozent.
Bis die Batterien der aktuell verkauften Elektroautos in – noch zu bauenden – Recyclingwerken landen, wird es noch viele Jahre dauern. Die Hersteller werben damit, dass die Batterie für die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs halten wird – und darüber hinaus. Hyundai beispielsweise gibt eine Garantie für 200.000 Kilometer oder acht Jahre. Dann kommen die Zellen nicht mehr auf die volle Leistungsfähigkeit, sind aber für stationäre Speicher noch gut genug.
„Wir geben den Batterien einen zweiten Lebenszyklus“, sagt Audi-Technikvorstand Hoffmann. Zunächst kommen in den Stationen Batterien aus Versuchsfahrzeugen zum Einsatz. Später sollen Audi-Batterien nach dem Einsatz im Auto in den Ladestationen landen.
Elektromobilität: Audi plant Ladesäulen, die zwei Probleme lösen - WELT
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