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Wednesday, August 25, 2021

Mercedes-Benz-CTO Sajjad Khan: "Bei Automotive sind wir besser als Google und Apple" - Golem.de - Golem.de

Der scheidende CTO Sajjad Khan hat die Software-Entwicklung bei Mercedes-Benz deutlich vorangebracht. Im Interview mit Golem.de spricht er über die Herausforderungen beim autonomen Fahren und der Mitarbeitergewinnung.

Ein Interview von
CTO Sajjad Khan hat die Software-Entwicklung von Mercedes-Benz stark geprägt.
CTO Sajjad Khan hat die Software-Entwicklung von Mercedes-Benz stark geprägt. (Bild: Mercedes-Benz)

Als CTO und Bereichsvorstand hat Sajjad Khan seit 2015 die Entwicklung von Mercedes-Benz in den wichtigen Zukunftsbereichen Connectivity, Autonomous, Shared & Services und Electric (CASE) mitgeprägt. In diese Zeit fiel die Vorstellung des Entertainmentsystems MBUX und des Staupiloten nach Level 3.

Der 47-Jährige verlässt Daimler zum 1. September 2021, um sich dem Aufbau eines Technologie-Venture-Capital-Fonds zu widmen. Im Interview mit Golem.de erläutert Khan die zukünftigen Herausforderungen bei der Entwicklung selbstfahrender Autos, dem geplanten Autobetriebssystems MB.OS und der Rekrutierung von Software-Entwicklern.

Golem.de: Herr Khan, Mercedes-Benz strebt nach eigenen Angaben die "führende Position" bei Fahrzeugsoftware an. Wie will es das Unternehmen schaffen, dafür die besten Entwickler weltweit zu finden?

Sajjad Khan: Dabei spielen unterschiedliche Faktoren eine große Rolle. Nur eine Software entwickelt zu haben, ist nicht gut genug. In der Software-Entwicklung ist das Verhältnis zwischen einem sehr guten Entwickler im Vergleich mit einem durchschnittlichen Entwickler circa 1 zu 30. Daher muss man auch entscheiden: Ist das ein wirklich guter Entwickler? Der Filterprozess ist extrem hart. Wir sind "pingelig" bei Einstellungen, was auch so sein sollte und so sein muss.

Zweitens haben wir eine weltweite Digital-Hub-Strategie. Wir haben Digital Hubs in Seattle, Sunnyvale, Tel Aviv, Bangalore, Berlin und Peking und wir haben Sindelfingen. Das hilft uns und ist eine etablierte Strategie, die wir nicht erst gestern angefangen haben. Und damit haben wir automatisch eine globale Entwicklungskompetenz.

Golem.de: Dennoch sind die großen IT-Konzerne wie Google, Apple oder Microsoft immer noch die beliebtesten Arbeitgeber für Software-Entwickler. Wie können Autohersteller da mithalten?

Khan: Wir haben genug Bewerbungen, was uns sehr freut. Die Marke Mercedes-Benz ist extrem attraktiv für die Leute. Die jungen Leute gehen ganz anders an Elektroautos wie den EQS heran. Selbst in Sunnyvale im Silicon Valley, wo so viele Software-Firmen vorhanden sind, haben wir eine Fluktuationsrate von unter zehn Prozent. Die Marke hat eine Attraktivität für Leute, die extrem gute Software entwickeln wollen. Wir bieten die Kultur, wir bieten die DNA, aber der Entwickler muss auch extrem gut sein, damit wir ihn übernehmen.

Golem.de: Was bietet Mercedes-Benz guten Entwicklern noch?

Khan: Wir stellen jetzt nochmal 3.000 zusätzliche Software-Entwickler ein. 1.000 in Sindelfingen und 2.000 weltweit. Dazu haben wir mit dem Betriebsrat eine ganz neue Vereinbarung getroffen. Die Arbeitszeiten sind darin viel flexibler geregelt und nicht mehr nur von 8 Uhr morgens bis 5 Uhr am Abend.

Golem.de: Mercedes will noch in diesem Jahr einen serienmäßigen Staupiloten nach Level 3 auf den Markt bringen. Die Kooperation mit Bosch bei der Entwicklung selbstfahrender Taxis wird aber beendet. Wie sehen die nächsten Entwicklungsschritte beim autonomen Fahren aus?

Khan: Wir entwickeln die Funktionen inkrementell. Das sieht man auch schon an Level 3, das eine Weiterentwicklung von Level 2 ist. Es wird kein System über Nacht auf den Markt kommen.

Auch bei Level 4 wird es nicht so sein, dass ein Fahrzeug gleich überall in jeder Stadt mit jeder Geschwindigkeit und bei jedem Wetter unterwegs sein kann. Das wird auch inkrementell kommen. Zunächst in einem bestimmten Teil der Stadt, unter bestimmten Wetterbedingungen mit einer bestimmten Geschwindigkeit. Diese drei großen Variablen werden dann nach und nach ausgedehnt. Das sieht man jetzt schon beim Level 3. Man fängt mit 60 km/h auf der Autobahn an und wird das dann weiterentwickeln.

Golem.de: Dem Hype um das autonome Fahren ist eine gewisse Ernüchterung gefolgt. Die Fortschritte gehen doch nicht so schnell wie erwartet. Woran hapert es immer noch?

Khan: Die größte Herausforderung liegt darin, alle Randsituationen der Einsatzzwecke so extrem gut zu beherrschen, dass man so eine Art von Auto für die Straße zulassen kann. Es kann daher sein, dass ein Level-4-Fahrzeug in einer bestimmten Stadt in zehn Straßen extrem gut funktioniert, aber in anderen zehn Straßen überhaupt nicht. Bei Level 3 geben wir das am Anfang auch nicht für jede Art von Straße und jedes Land frei, sondern starten in Deutschland, Schritt für Schritt in Zusammenarbeit mit den Behörden.

Golem.de: Ist das nicht sehr aufwendig und komplex, jede Straße einzeln für das autonome Fahren freigeben zu wollen? Das kann auch für die Kunden verwirrend werden.

Khan: Man hat immer diese zwei Arten von Überlegungen: Willst du das ganze Meer zum Kochen bringen oder nur einen Topf mit Wasser? Wir fangen im Kleinen an und überlegen dann, wie wir es erweitern. Wo sind die meisten Anwendungsfälle und die Kundenbedürfnisse? Für die Kunden dürfte es am Anfang in Ordnung sein, wenn das Auto nicht bei extremem Schnee oder Regen automatisiert fährt. Wenn es bei besserem Wetter die täglichen Fahrten übernehmen kann, nimmt man immer noch einen Großteil der Anstrengungen vom Kunden weg.

Golem.de: Beim neuen Drive Pilot von Mercedes wird die eigentliche Fahrentscheidung noch nicht von einem neuronalen Netz, sondern von einem Expertensystem übernommen. Wie soll das bei den höheren Automatisierungsstufen funktionieren?

Khan: Auch unser Level-3-System nutzt bei der Fahrentscheidung nicht nur herkömmliche Expertensysteme, sondern schon neuronale Netzwerke. Diese kommen vor allem in der Sensor-Vorverarbeitung zum Einsatz, wodurch wir jeden Sensor optimal trainieren. Die optimierten Ergebnisse jedes einzelnen Sensors werden dann in einer präzisen Fusion zusammengebracht. Das hilft uns beispielsweise, Objekte wie Fußgänger und Fahrzeuge zuverlässiger zu erkennen und klassifizieren zu können.

Golem.de: Dennoch stellt sich die Frage, ob mit diesem Konzept auch schwierigere Fahraufgaben bewältigt werden können.

Khan: Es gab immer zwei Denkrichtungen beim autonomen Fahren. Die eine hat gesagt, man muss Level 3 auf herkömmlichem Weg entwickeln und Level 5 völlig separat. Die andere Denkrichtung lautete immer: Man muss beides inkrementell zusammen entwickeln.

Bis jetzt haben wir auch auf zwei verschiedenen Wegen entwickelt. Doch jetzt stehen wir vor der Überlegung, ob wir etwas vom Level-3-System nutzen können, weil das so gut geworden ist. Also zusätzlich zu dem Level 4, das wir entwickeln. Diese Architekturdiskussion führen wir gerade.

Aber auch das Level-4-System basiert nicht nur auf neuronalen Netzwerken oder KI. Da stecken viele klassische Methoden drin. Basierend auf der langjährigen Erfahrung unserer Ingenieure wird ein großer Teil des Systems durch ebendiese händisch designt. Daher würde ich nicht sagen, dass Level 4 so lange nicht kommt, bis wir als Menschheit alle Probleme mit neuronalen Netzen und KI gelöst haben.

Golem.de: Wann ist mit den ersten Systemen zu rechnen?

Khan: Auch das kommt inkrementell. Aber noch sind wir bei Level 4 nicht so weit, es in Serie zu bringen, sonst würden wir Ihnen das gerne zeigen. Bis jetzt hat noch kein Hersteller, niemand auf der Welt, eine Freigabe für ein Level-4-System für die Straße bekommen. Wir stehen allerdings mit unserem automatisierten Park-Service Intelligent Park Pilot kurz davor. Wir haben Leute, die sich mit KI gut auskennen und damit schon andere Anwendungen entwickelt haben, wie den Zero Layer beim Infotainment des EQS.

Golem.de: Das Beispiel Volkswagen zeigt, dass selbst ein großer Autokonzern mit der Entwicklung neuer Software-Plattformen überfordert sein kann. Wie will Mercedes das besser machen?

Khan: Wir sind bei dem Thema schon lange Jahre unterwegs und haben 2015 eine komplett neue Strategie entwickelt. Seitdem haben wir erfolgreich geliefert: 2018 das MBUX (Mercedes Benz User Experience, Anm. d. Red.), das immer noch die Nase vorn hat im Vergleich mit allem, was man momentan sieht. Das haben wir für die S-Klasse und dann für den EQS unter dem Namen Zero Layer weiterentwickelt.

Jetzt gehen wir in Richtung MB.OS (Mercedes-Benz Operating System), das 2024 kommen soll. Wir haben ganz klare Meilensteine und ganz klare Aufgaben, was wir erreichen wollen. Das Thema autonomes Fahren ist auch eine extreme Software-Herausforderung zusammen mit der Sensorik und der Computerleistung. Wir haben derzeit einen Vorsprung aus der Software-Perspektive, aber wir müssen das beibehalten.

Golem.de: Wenn jeder Autohersteller sein eigenes Betriebssystem hat, müssen sich auch die Zulieferer darauf einstellen. Wie wird das funktionieren?

Khan: Beim MB.OS entwickeln wir die Kernsoftware selbst. Dennoch arbeiten wir intensiv mit Zulieferern oder Technikpartnern zusammen. So haben wir gute Erfahrungen mit Nvidia bei der Entwicklung von MBUX gemacht. Wir machen auch eine extrem gute Arbeit zusammen mit Vector Informatik.

Bei der Cloud-Thematik machen wir sehr gute Erfahrungen mit Microsoft, wo wir über die Azure-Plattform verschiedene Microservices entwickeln. Bis 2024 gibt es dann die ersten Autos, die das gesamte Paket haben werden.

Golem.de: Auf welche Programmiersprachen setzt Mercedes-Benz bei seinem Betriebssystem?

Khan: Allgemein sind wir in C und C++ unterwegs, weil das ein Embedded System Programming ist.

Golem.de: Die Elektromobilität erleichtert den Einstieg neuer Fahrzeughersteller in den Markt. Selbst Apple will ein Auto auf den Markt bringen, Google setzt mit Waymo auf das autonome Fahren. Wie will sich Mercedes in diesem Wettbewerb behaupten?

Khan: Was Automotive-Anwendungen betrifft, sind wir - denke ich - besser als sie. Wir haben mehr als 130 Jahre Geschichte und Erfahrungen. In dieser Zeit fanden nicht 130-mal, aber definitiv einige technologische Revolutionen statt. Eine Firma überlebt nur dann so lange, wenn sie bereit ist, sich rechtzeitig zu adaptieren, wenn die neuen Technologien kommen.

Wenn so eine Firma ein Auto auf den Markt bringen würde, dann sollte es eine gute Antwort von Mercedes-Benz im Markt geben. Mit dem, was wir bis jetzt geliefert haben, bin ich überzeugt, dass wir für jede Art von neuer Firma im Markt, entweder aus China oder aus USA, eine gute Antwort haben werden.

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