Stand: 27.08.2021 18:33 Uhr
Noch in diesem Jahr könnte die US-Notenbank mit dem Herunterfahren ihrer milliardenschweren Anleihenkäufe beginnen. Das kündigt Federal-Reserve-Chef Jerome Powell an - nennt aber keinen genauen Zeitplan.
Die wichtigste Notenbank der Welt, die Federal Reserve in den USA, wird ihr groß angelegtes Krisenprogramm zum Ankauf von Wertpapieren möglicherweise noch 2021 herunterfahren. "Es könnte angemessen sein, in diesem Jahr mit dem Tapering zu beginnen", sagte Notenbankchef Jerome Powell in seiner mit Spannung erwarteten Rede beim Zentralbank-Treffen von Jackson Hole, das dieses Jahr erneut virtuell stattfand. "Tapering" meint das Zurückführen der ultralockeren geldpolitischen Maßnahmen, also eine Reduzierung der Anleihenkäufe.
Powell nannte aber keinen klaren Fahrplan. Zwar habe der US-Arbeitsmarkt deutliche Fortschritte gemacht. Doch die Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus könnte die Erholung bremsen. "Wir werden die hereinkommenden Daten und die entstehenden Risiken sorgfältig prüfen", sagte Powell.
Klares Signal?
Mit Verweis auf die Corona-Lage in den USA halte sich der Notenbankchef ein Hintertürchen offen, um den geplanten Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik doch noch aufzuschieben, merkte Volkswirt Elmar Völker von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) an. Trotzdem sieht der Experte ein klares Signal: "Falls der zuletzt kräftige Erholungstrend am US-Arbeitsmarkt nicht plötzlich abreißt, dürfte die US-Notenbank ihre Anleihekäufe wohl bereits im Verlauf des vierten Quartals 2021 erstmals seit Beginn der Coronakrise wieder drosseln."
Einige Beobachter zeigten sich enttäuscht von der Powell-Rede. "Viel Lärm um Nichts“, kommentierte Chefvolkswirt Otmar Lang von der Targo Bank die Äußerungen. Dass die Federal Reserve ihre Anleihekäufe noch in diesem Jahr zurückfährt, werde schon seit längerem erwartet.
Schrittweiser Ausstieg erwartet
Schon auf der nächsten Notenbank-Sitzung im September könnte Powell einen Zeitplan für das "Tapering" bekanntgeben, glauben einige Ökonomen. Powell müsste spätestens im September konkreter werden, sagte Chefvolkswirt Lang. Die Volkswirte Pablo Villanueva, Samuel Coffin und Andrew Dubinsky von der Schweizer Großbank UBS gehen davon aus, dass die Käufe schrittweise reduziert werden. "Wir erwarten, dass die Fed zunächst das Tempo der Käufe um 15 Milliarden Dollar pro Sitzung verringern wird, aber betonen wird, dass weitere Reduzierungen abhängig sein werden von der wirtschaftlichen Lage und der Pandemie", meinen die UBS-Experten.
Angesichts des rasanten Wirtschaftsaufschwungs nach der Corona-Krise wird innerhalb der Federal Reserve schon seit einiger Zeit über ein Zurückfahren der Anleihenkäufe diskutiert. Momentan kauft die US-Notenbank Wertpapiere im Volumen von monatlich 120 Milliarden Dollar.
Gefahr der Überhitzung
Zuletzt hatten sich mehrere führende Notenbank-Vertreter für eine rasche Straffung der Geldpolitik ausgesprochen. Esther George, die Chefin der Federeral Reserve in der Region Kansas City, sprach sich auf dem Sender Fox für eine Verringerung der Wertpapierkäufe "eher früher als später" aus. Der Präsident der Fed-Filiale von St. Louis, James Bullard, forderte, das Abschmelzen der Käufe bis zum Ende des ersten Quartals 2022 abzuschließen.
Der rasante Aufschwung hatte Befürchtungen ausgelöst, die US-Wirtschaft könne heiß laufen. Die Inflation war in den letzten Monaten sprunghaft angestiegen - im Juli auf 5,4 Prozent, den höchsten Stand seit 2008. Falls die Federal Reserve nicht bald mit dem "Tapering" beginne, könne sie den ohnehin kräftigen Preisauftrieb weiter befördern, warnt Marktbeobachter Konstantin Oldenburger vom Handelshaus CMC Markets. Sie laufe dann Gefahr, eine Inflationsspirale in Gang zu setzen, die nur sehr schwer wieder zu stoppen sei.
Investoren reagieren verhalten
Wie lange der Abschied von der Geldflut dauern kann, zeigt ein Blick auf die Jahre 2013 und 2014. Damals hatte die Federal Reserve nach monatelangen Diskussionen die erste Reduzierung von Anleihekäufen im Dezember 2013 angekündigt. Im Oktober 2014 wurden die Käufe dann ganz eingestellt. "Jetzt gedenkt man offenbar, das aktuelle Kauftempo von 120 Milliarden Dollar je Monat in etwa sechs Monaten auf null zu fahren," glaubt Commerzbank-Volkswirt Bernd Weidensteiner.
Anleger an den Finanzmärkten reagierten verhalten auf die Powell-Rede. Die Wall Street baute ihre Kursgewinne leicht aus, der Dow Jones zog etwas an. Der US-Dollar gab indes nach. Der Euro stieg um einen halben Cent auf über 1,18 Dollar. Normalerweise stärkt die Straffung der Geldpolitik den Dollar.
US-Notenbank: Abschied von der Geldflut rückt näher - tagesschau.de
Read More
No comments:
Post a Comment