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Wednesday, November 17, 2021

Bringen Elektroautos das Stromnetz in Not? - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Mehr als eine Million E-Autos fahren schon in Deutschland, aber zu Hause schnell auftanken können viele nicht. Zumindest für Schnellladestationen mit höherer Leistung muss zunächst der Energieversorger um Erlaubnis gefragt werden. Das ist nicht immer leicht. Im Süden des Landes hat neulich ein Autofahrer gehört, dass er noch Glück hat, aber viel mehr Ladestationen in seinem Wohngebiet derzeit nicht möglich wären. Im Westen berichtet ein Immobilienentwickler, dass für Neubauten mit mehreren Wohneinheiten nur zwei, drei Schnellladestationen drin seien, aber seine Kunden mehr wollten und dafür auch zu zahlen bereit wären. Steckt die viel beschworene Elektromobilität schon heute im Flaschenhals?

Jan Hauser

Redakteur in der Wirtschaft.

Fakt ist: Die Folgen der Elektrifizierung spürt das Stromnetz längst und hält dem Wandel bisher auch stand. Immerhin gab es in den vergangenen Jahren sogar weniger Stromausfälle: Die durchschnittliche Unterbrechungsdauer je angeschlossenem Letztverbraucher sank von 15,14 Minuten im Jahr 2017 auf 10,73 Minuten im vergangenen Jahr. Das ist die geringste Ausfallzeit seit der ersten Veröffentlichung der Statistik durch die Bundesnetzagentur im Jahr 2006. Doch mit mehr Elektroautos kommen Schwierigkeiten auf die Stromnetze zu. Die Netzagentur warnt vor den künftigen Herausforderungen durch das private Laden. „Insbesondere in den Abendstunden könnte es bei einem schnellen Hochlauf von Elektromobilität partiell zu Überlastungen des lokalen Verteilernetzes kommen, wenn viele Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden sollen“, teilt die Behörde auf Anfrage mit.

Energiewende schreitet ohnehin zu langsam voran

Die Politik steuert das Land trotzdem mit Vollgas in die Elektromobilität. SPD, Grüne und FDP haben sich in ihren Gesprächen über eine Ampelkoalition schon verständigt, früher als 2035 nur noch Fahrzeuge zuzulassen, die kein CO2 ausstoßen. „Wir wollen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität machen und dafür den Ausbau der Ladesäulenin­frastruktur massiv beschleunigen“, steht im Sondierungspapier der drei Parteien. Damit dürften in Deutschland noch viele Millionen Elektrofahrzeuge mehr auf die Straßen kommen, die in Einfahrten und Garagen schnell geladen werden wollen. Nach einem Selbstläufer klingt das nicht. Dafür schreitet die Energiewende ohnehin zu langsam voran: Der Ausbau der Stromleitungen und der erneuerbaren Energien hinkt hinterher, während der Strombedarf steigt.

Trotzdem berichten bislang weder große Energieunternehmen noch Stadtwerke davon, nicht mehr hinterherzukommen. Immerhin aber lassen manche durchklingen, wie schwierig die Lage schon heute ist. Das Energieunternehmen EnBW verweist darauf, dass Ladestationen für Elektroautos bis zu einer Leistung von 12 Kilowatt nur meldepflichtig und erst danach genehmigungspflichtig sind. Grundsätzlich seien sie als Netzbetreiber zum Netzanschluss von Ladeinfrastruktur verpflichtet. Aber: „In der Praxis kann es vorkommen, dass die Installation einer Ladeeinrichtung nicht sofort möglich ist, sondern eine vorausgehende lokale Netzverstärkung notwendig ist“, teilt der Versorger aus dem Süden mit, der jeden Monat bis zu 1600 neue Ladepunkte anschließt. Wie häufig eine solche Verspätung „in wenigen einzelnen Fällen“ auftritt, sagt EnBW nicht. Die Fallzahlen könnten aber steigen. Schon heute hängt der Ausbau von der Lage vor Ort ab und weiteren Einflüssen wie behördlichen Genehmigungsverfahren. Eine andere Verkabelung, ein Trafo-Tausch, eine neue Umspannstation: Das alles kann schnell mehrere Monate dauern.

17 Stunden Ladezeit

Ohne schnelle Ladestation wird es jedoch schwierig: Hängt das E-Auto an einer normalen Haushaltssteckdose, kann das Laden eines leeren 40-Kilowattstunden-Akkus nach einer ADAC-Berechnung schon mal 17 Stunden dauern. Mit einer Wallbox mit 11 Kilowatt sinkt die Zeit schätzungsweise auf dreieinhalb Stunden oder mit 22 Kilowatt auf zwei Stunden.

Wie sehr der Wunsch nach Ladestationen steigt, merkt auch die staatliche Förderbank KfW. Sie bezahlt die Ladeinfrastruktur im privaten Wohnbereich für das Bundesverkehrsministerium. Seit November hat sie 752 663 Zuschussanträge für 910 987 Ladepunkte mit einem Fördervolumen von 820 Millionen Euro zugesagt. Dabei waren anfangs nur 300 Millionen Euro vorgesehen.

Ladestationen sollen gelenkt werden

Um die wachsende Schar der Elektroautos aufzuladen, planen Stromversorger und Netzbetreiber, gehörig in den Netzausbau zu investieren. Und sie bauen darauf, dass nicht jeder um 18 Uhr zu Hause mit dem Elektroauto vorfährt und alle gleichzeitig den Ladestecker einstecken. Aber was, wenn doch und die Nachfrage zu groß wird? Dann wollen Stromversorger gern die Leistung verringern und das Laden verzögern. E.ON-Netzvorstand Thomas König will gewährleisten, jede Wallbox ans Netz anzuschließen. „Um in der Hochlaufphase der Elektromobilität weiterhin handlungsfähig zu sein, setzen wir uns dafür ein, dass Ladeboxen und Wärmepumpen in Ausnahmefällen für sehr kurze Zeiträume flexibel gesteuert werden können“, sagt er der F.A.Z. Eine solche Spitzenglättung soll kurzfristige lokale Netzengpässe und spürbare Einschränkungen vermeiden.

Ein flächendeckender Stromausfall droht laut Süwag Energie nicht, aber sehr wohl vorübergehende lokale Überlastungen, die zu lokalen Ausfällen führen könnten. Der Versorger, der mehrheitlich zu E.ON gehört, befürwortet wie viele in der Branche, in Spitzenzeiten einzugreifen: „Wir gehen davon aus, dass mittelfristig auch Anreize über variable Stromtarife und Netzentgelte geschaffen werden, um das Laden in Zeiten zu verschieben, in denen die Netzlast nicht so hoch ist.“

Ladestation für Elektroauto: Je höher die Ladeleistung ist, desto schneller wird die Batterie geladen.

Ladestation für Elektroauto: Je höher die Ladeleistung ist, desto schneller wird die Batterie geladen. : Bild: Picture Alliance

Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), lobt zunächst die robusten Netzkapazitäten. „Es ist aber immer sehr einfach zu sagen: Strom kommt aus der Steckdose – und ihr, liebe Netzbetreiber, habt dafür Sorge zu tragen, dass das auch passiert, egal, wer gerade wie viel Strom zieht“, sagt er der F.A.Z. Der Vertreter der kommunalen Unternehmen mit vielen Grundversorgern zieht einen Vergleich zu den Stromautobahnen: „Wollte man die Kraftwerks- und Netzinfrastruktur am maximalen Strombedarf fürs Laden von E-Mobilen ausrichten, ist das vergleichbar mit einem Ausbau der Autobahnen, der sich am Urlaubsreiseverkehr orientiert und diesen gleichzeitig und ohne Stau ermöglichen will.“ Das Stauproblem wurde mit unterschiedlichen Ferienzeiten zumindest entschärft. Liebing wirbt ebenfalls für eine geringere Ladeleistung zu Spitzenzeiten.

„Abschaltung nur als Ultima Ratio“

Der ADAC stellt weniger die Grundsatzfrage, ob es in Deutschland auch eine Durchgriffsmöglichkeit für den Netzbetreiber auf private Ladeeinrichtungen geben wird. Er interessiert sich mehr dafür, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Rahmen eingegriffen werden darf. „Eine harte Strom-Abschaltung kann nur die Ultima Ratio vor einem Netzzusammenbruch sein“, fordert der Verein der Autofahrer.

Überraschenderweise erwartet manches Unternehmen, dass mehr Elektroautos der Netzstabilität sogar helfen werden. Der Hamburger Energieversorger LichtBlick berichtet von erfolgreichen Tests, in denen E-Auto-Batterien zu virtuellen Kraftwerken zusammengeschlossen wurden. Wenn die Batterien auch entladen werden können, könnte dies Schwankungen im Netz ausgleichen. In diesem Fall sollen die Fahrer an den Erlösen beteiligt werden. „Batterien können in Zukunft als Schwarmspeicher einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die schwankende Erzeugung von Wind und Solar auszugleichen und so das Netz zu stabilisieren“, teilt LichtBlick mit. Auch insgesamt zeigt sich das Unternehmen optimistisch: Eine vollständige Umstellung auf E-Fahrzeuge brauche rund 20 Prozent mehr Strom in Deutschland, dies sei sehr gut zu bewältigen.

Überhaupt hat die Politik in das Stromnetz noch einen zusätzlichen Schutzmechanismus installiert. Bevor der Strom ausfällt, sollen lieber Großkunden vom Netz gehen. Diese Unternehmen erhalten dafür Geld von der Netzagentur. Im Jahr 2020 kam es zu 44 Abrufen an neun Tagen von abschaltbaren Lasten. In diesem Jahr waren es bislang 23 Abrufe an vier Tagen. Das bezahlt der Stromkunde mit einer Umlage für abschaltbare Lasten, was derzeit 0,009 Cent je Kilowattstunde kostet und im kommenden Jahr auf 0,003 Cent sinken wird.

Auch die Bundesnetzagentur plädiert für flexible Verbrauchseinrichtungen wie private Ladesäulen mit Kommunikations- und Steuerungstechnik, sodass der Verteilnetzbetreiber den Leistungsbezug im Notfall reduzieren kann. Eine pauschale Ladebeschränkung ohne akuten Anlass wäre dabei weder notwendig noch sinnvoll. Doch bisher hat die Politik nicht festgelegt, wie die Netzbetreiber das Laden der Elektroautos steuern können. Liebing von den kommunalen Unternehmen fordert genau das von der nächsten Regierung: „Wir benötigen hierfür noch immer entsprechende Regelungen, dann gelingt uns auch die Integration von E-Autos und erneuerbaren Energien bei gleichzeitig stabilem Netzbetrieb.“ Bleibt die Erkenntnis, dass der Erfolg der Elek­tromobilität auch wesentlich davon abhängt, wie stark sich das private Stromtanken hemmen lässt.

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