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An der Börse verschreckten die Nachrichten die Anleger: Die Nordex-Papiere fielen im Mittwochhandel im Nebenwerteindex SDAX zuletzt um 17,05 Prozent auf 10,42 Euro. Im Tagestief ging es sogar bis auf 9,82 Euro abwärts. Von der Warnung an sich zeigten sich Analysten nicht allzu überrascht, wohl aber vom Ausmaß.
So schrieb Vivek Midha von der US-Bank Citigroup, er habe schon zuvor den Ausblick der Hamburger für zu ehrgeizig und nach entsprechenden Aussagen des dänischen Konkurrenten Vestas eine Senkung für möglich gehalten. Allerdings falle diese deutlich aus.
Im Nachhinein doch ein gutes Näschen bewies William Mackie von Kepler Cheuvreux, der Nordex zur Monatsmitte auf "Reduce" abgestuft hatte. Es folgte zwar zunächst eine kräftige Erholung, nun könnte Mackie aber mit seinem besonders tiefen Kursziel von 7,80 Euro doch Recht behalten. Er hatte auf lange Sicht sogar den Erfolg von Nordex als eigenständiges Unternehmen in Frage gestellt.
Der Experte Anis Zgaya von der Investmentbank Oddo BHF stufte die Aktie von einer Kaufempfehlung auf "neutral" ab. Es gebe viele Gründe für die Prognosekürzungen, die allerdings hauptsächlich nicht-wiederkehrend seien. Der Analyst rechnet mit größeren Kursschwankungen, solange sich die Lage in der Ukraine und in China nicht bessert. Kollege Analyst Ajay Patel von der US-Investmentbank Goldman Sachs kommentierte, dass die Ankündigung im aktuellen Umfeld nicht völlig überraschend käme, sie sei aber doch negativ zu werten. Auf Jahressicht beläuft sich der Abschlag der Nordex-Papiere auf über 21 Prozent. Laut Constantin Hesse vom Analysehaus Jefferies dürfte es zwar vorerst bergab gehen, er geht aber davon aus, dass die korrigierte Prognose bereits teilweise eingepreist war.
Als operatives Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda-Marge) sollen bei Nordex vom Umsatz nun nicht mehr 1 bis 3,5 Prozent übrig bleiben, sondern nur noch minus 4 bis 0 Prozent. Auch den Umsatz erwartet der Vorstand niedriger als bislang angenommen: Statt 5,4 bis 6,0 Milliarden Euro wird er indessen wohl zwischen 5,2 bis 5,7 Milliarden Euro ausfallen. Zum Vergleich: Das vergangene Jahr hatte Nordex mit einem Umsatz von 5,4 Milliarden Euro und einem operativen Ergebnis von 52,7 Millionen Euro abgeschlossen. Das entspricht laut dem Jahresbericht einer operativen Marge von 1 Prozent. Die Erwartungen für Investitionen in Höhe von rund 180 Millionen Euro und die Working-Capital-Quote von unter minus 7 Prozent bleiben unverändert.
Nordex und viele seiner Wettbewerber leiden bereits seit vielen Monaten unter den angespannten Lieferketten als Folge der Corona-Pandemie sowie massiv gestiegenen Kosten. Denn vor allem Rohstoffe und Energie haben sich stark verteuert. Dabei ist Nordex vor allem von den hohen Preisen für Stahl betroffen, aber auch beispielsweise für Nickel, wie Konzernchef Blanco Ende März im Interview mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX sagte. Ursprünglich hatte Blanco im laufenden Jahr eine operative Gewinnmarge von 8 Prozent erreichen wollen. Mittlerweile wird das von dem Unternehmen nur noch als "strategisches Mittelfristziel" bezeichnet. "Die momentane Situation ist nicht nachhaltig genug gesichert, um profitabel zu sein", sagte der Manager in dem Interview.
Dass Nordex nun seine Jahresprognose korrigieren muss, begründen die Hamburger unter anderem mit dem Ukraine-Krieg. Denn dessen Folgen und die Auswirkungen durch die Corona-Lockdowns in China hätten Ende März "mangels ausreichender Vorhersehbarkeit" noch nicht berücksichtigt werden können. Nun seien die Folgen aus den geopolitischen Ereignissen aber enthalten. Ebenso wie die zusätzlichen Kosten, die Nordex durch Cyber-Angriff Ende März entstanden sind. Sowie Einmalaufwendungen für die Umstrukturierung der Produktion, die der Konzern seit geraumer Zeit vornimmt, um profitabler zu werden.
In der neuen Prognose schlüsselt Nordex die Belastungsfaktoren weiter auf. Dabei nehmen die knappen Rohstoffe sowie die Lieferketten-Probleme den größten negativen Einfluss ein. Die volatile Situation und die Lieferketten-Störungen insbesondere bei Transporten über den Seeweg belasteten laufende Projekte erheblich, hieß es demnach vom Vorstand. Er verzeichne erhebliche Engpässe bei Stahl und anderen kritischen Komponenten. Zwar seien Umfang und Ausmaß schwierig abzuschätzen und noch schwer vorherzusagen. Nordex rechnet aber damit, dass diese Faktoren die operative Marge mit 2 bis 2,5 Prozentpunkten belasten werden.
Außerdem rechnet das Unternehmen als direkte Auswirkung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine mit einem Umsatzverlust von rund 200 Millionen Euro. Ferner sei mit weiteren Abschreibungen zu rechnen als Folge gestoppter oder nicht mehr durchgeführter Projekte. Die unmittelbaren Auswirkungen hieraus könnten sich auf bis zu einem Prozentpunkt der operativen Marge im laufenden Jahr belaufen.
Den Einfluss der umgestellten Produktionsstätten auf die Gewinnmarge beziffert Nordex auf bis zu 1,5 Prozentpunkte. Das Unternehmen will unter anderem die Rotorblatt-Fertigung in Rostock bis Ende Juni einstellen. Hier seien die Verhandlungen bereits "weit fortgeschritten", wie es am Dienstagabend aus Hamburg hieß. Unter anderem verhandeln Gewerkschaften über die Einsetzung einer Transfergesellschaft und hoffen auf die Übernahme des Standorts durch neue Investoren. Von der Schließung wären 600 Angestellte betroffen. Zudem hat Nordex den spanischen Standort La Vall d'Uixo geschlossen.
Weiterhin dürften die coronabedingten Lockdowns in China die Lieferketten von Nordex belasten und auch der Cyber-Vorfall schlägt sich nieder. Der Vorstand erwartet, dass sich diese Faktoren mit bis zu 1 Prozentpunkt negativ auf die Marge auswirken.
Hinsichtlich des Hacker-Angriffs gibt es laut Nordex keine Anzeichen dafür, dass Windparks und Systeme Dritter betroffen sind. Dennoch habe die IT-Infrastruktur neu hergestellt werden müssen. Daraus resultieren Verzögerungen und Kosten für Nordex. Der Cyber-Vorfall hatte bereits zur Folge, dass Nordex die Vorstellung der Zahlen zum ersten Quartal verschieben musste. Der Quartalsbericht soll nun am 20. Juni veröffentlicht werden. >
Vor Werksschließung: Einigung zwischen Nordex-Führung und Betriebsrat
Wenige Wochen vor der für Ende Juni angekündigten Schließung der Rotorblatt-Fertigung in Rostock hat das Management des Windkraftanlagen-Herstellers mit dem Betriebsrat eine Einigung erzielt. Nach Angaben vom Mittwoch erhalten die rund 500 betroffenen Beschäftigten neben einer Abfindung und einer Einmalzahlung auch die Möglichkeit des Eintritts in eine Transfergesellschaft. Dort bekämen sie Unterstützung bei der Suche nach einem neuen Arbeitgeber. Zuvor hatte die Führung den Mitarbeitern in einer Betriebsversammlung von dem Verhandlungsergebnis berichtet.Zudem stocke Nordex für einen Zeitraum von fünf bis zwölf Monaten das Transferkurzarbeitergeld auf 90 Prozent des Nettogehalts auf, hieß es. Allen Auszubildenden in der Rotorblatt-Fertigung werde ermöglicht, ihre Ausbildung entweder bei einem Kooperationspartner in der Region oder an einem anderen Nordex-Standort fortzuführen.
Personalchef Constantin Baltzer sagte, dass die Einstellung der Produktion in Rostock ein schmerzhafter Schritt sei. Dies sei eine Folge des globalen Kostendrucks in einem seit Jahren herausfordernden Markt- und Wettbewerbsumfeld für die Windenergiebranche.
"Die Situation ist bedauerlich. Sie trifft den Industriestandort Mecklenburg-Vorpommern", sagte Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD). "Das Unternehmen war nicht umzustimmen, obwohl die Energiewende bundesweit Fahrt aufnimmt." Es gebe somit kaum noch Produzenten von Windkraftanlagen in Deutschland. "Wir begleiten Gespräche weiter, wenn es um potenzielle Interessenten für den Standort geht."
In der vergangenen Woche hatte Meyer klargemacht, dass die Transfergesellschaft allein von Nordex zu tragen sei. Anders als bei den MV-Werften verlagere Nordex ein intaktes Unternehmen ins Ausland.
ROSTOCK / HAMBURG (dpa-AFX)
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