Marktbericht
Stand: 21.07.2022 16:20 Uhr
Als eine der letzten Notenbanken hat jetzt auch die EZB im Zinszyklus nachgezogen. Mit 50 Basispunkten zudem höher als zuvor angekündigt. Der DAX gibt nach, bleibt aber über 13.000 Punkte.
Der DAX gibt nach dem Zinsentscheid der EZB am Nachmittag rund ein Prozent nach. Die EZB hat ihren Leitzins um 50 Basispunkte angehoben und damit stärker, als die zuvor angekündigten 25 Basispunkte.
Völlig überraschend kommt die Erhöhung in diesem Ausmaß aber nicht, die ganze Woche über haben sich Spekulationen gehalten, dass genau dies geschehen würde. Die bereits angekündigte Erhöhung um 25 Basispunkte war am Markt als nicht ausreichend angesehen worden, um der hohen Inflation von rund acht Prozent im Euroraum glaubwürdig Paroli bieten zu können.
"Die heutige Entscheidung für eine echte Zinswende war überfällig angesichts der galoppierenden Inflation. Wir haben schon lange darauf hingewiesen, dass die EZB geldpolitisch umso härter gegensteuern muss, je länger sie ihren Kurswechsel hinauszögert", kommentierte Helmut Schleweis vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV).
EZB-Präsidentin Lagarde erklärte im Ausblick, der weitere Zinspfad sei datenabhängig. Dabei sieht sie die Konjunktur im Euro-Raum eingetrübt und blickt skeptisch auf das zweite Halbjahr. An den Märkten wird derzeit jedoch von weiteren Zinserhöhungen ausgegangen, was auch Experten immer wieder fordern, um die hohe Inflation zu bekämpfen.
Neben dem Zinsthema blicken die Anleger heute noch auf die Inbetriebnahme der Gasleitung Nord Stream 1 sowie die Regierungskrise in Italien.
DAX rutscht ab
An der Börse zeigen sich die Anleger verschnupft. Der DAX sackte zunächst auf ein neues Tagestief bei 13.097 Punkten an, nachdem er im Tageshoch noch bei 13.328 Zählern gelegen hatte. Aktuell erholt er sich aber, insgesamt bleibt der Handel damit volatil.
HelloFresh knickt ein
Unter den Einzelwerten gibt es nur vereinzelt Gewinner, Bankaktien halten sich etwas besser. Die Aktien von Hellofresh setzen nach einer negativen Analystenstudie ihren Kurseinbruch vom Vortag fort. Zuletzt verloren die Papiere des Kochboxenlieferanten 12,8 Prozent und waren damit erneut klares Schlusslicht im DAX. Tags zuvor waren die Anteilsscheine nach einer Umsatz- und Gewinnwarnung des Unternehmens um mehr als neun Prozent abgesackt. Unterdessen stufte die Investmentbank Kepler Cheuvreux die Hellofresh-Titel von "Buy" auf "Hold" ab.
Es fließt wieder Gas
Berichten zufolge ist die Gaslieferung durch die Gaspipeline Nord Stream 1 wieder angelaufen. Es fließe wieder Gas, sagte ein Sprecher der Nord Stream AG. Bis die volle Transportleistung erreicht sei, werde es einige Zeit dauern.
Ob allerdings hinter die Causa "Gassicherheit" bereits ein Haken gesetzt werden könne, bleibe ungewiss, meint Thomas Gitzel, Chefvolkswirt bei der VP Bank. "Neben den Liefermengen ist der hohe Preis des Gases ein konjunkturelles Problem. An den Terminmärkten sind die Gaspreise noch immer in der Nähe ihrer Rekordstände. Ausreichende Gaslieferungen sind zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für eine solide konjunkturelle Entwicklung. Es muss auch der Gaspreis fallen, damit die deutsche Wirtschaft auf den Erholungspfad schwenken kann."
Wall Street ohne Schwung
Zur Eröffnung lagen die US-Börsen allesamt moderat im Minus, erholen sich aber aktuell etwas. Die Ausschläge bleiben aber überschaubar. Der Leitindex Dow Jones gibt rund 0,3 Prozent nach, die Nasdaq liegt mittlerweile sogar leicht im Plus. Im Mittelpunkt der US-Märkte steht der Fortgang der Berichtssaison, wobei heute vor allem die Tesla-Zahlen im Fokus stehen, die positiv aufgenommen werden.
Tesla verdoppelt Gewinn
Tesla-Papiere legen zum Handelsstart in New York rund fünf Prozent zu. Trotz pandemiebedingter Produktionsausfälle in China und anhaltender Lieferketten-Probleme hat Tesla den Gewinn im zweiten Quartal fast verdoppelt. Der Elektroautobauer verdiente unter dem Strich 2,3 Milliarden Dollar und damit 98 Prozent mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Analysten hatten mit deutlich weniger Gewinn gerechnet. Im Vorquartal hatte das Ergebnis allerdings noch bei wesentlich höheren 3,3 Milliarden Dollar gelegen.
Der Euro sinkt wieder - Italien im Fokus
Der Euro kann anfänglich stärkere Gewinne nach dem EZB-Zinsentscheid nicht behaupten und handelt bei 1,0174 Dollar kaum verändert. Am Devisenmarkt bleibt auch die Regierungskrise in Italien ein großes Thema. Dort hat Italiens Staatschef Sergio Mattarella den Rücktritt von Ministerpräsident Mario Draghi angenommen. Auch der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Verhältnis zu deutschen Staatsanleihen stieg deutlich an. Das hoch verschuldete Italien könnte damit zu einer Gefahr für die EU und den Euro werden, der unter Druck geraten könnte.
US-Erstanträge etwas schwächer
Der Arbeitsmarkt in den USA hat sich in der vergangenen Woche derweil etwas ungünstiger entwickelt. Die Lage bleibt aber grundsätzlich gut. Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe stieg um 7000 auf 251.000, wie das Arbeitsministerium in Washington mitteilte. Analysten hatten im Schnitt lediglich 240.000 Anträge erwartet. Es ist der dritte Anstieg der Hilfsanträge in Folge.
Die Erstanträge sind ein kurzfristiger Indikator für die Entwicklung des Jobmarkts in der größten Volkswirtschaft der Welt. Die Lage auf dem Stellenmarkt gilt als vergleichsweise robust, worauf auch das seit längerer Zeit niedrige Niveau der Hilfsanträge hindeutet.
Ölpreis fällt deutlich
Für eine gewisse Entlastung sorgt derweil der Ölpreis: Am Nachmittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent rund zwei Prozent weniger. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) fällt deutlich stärker um fast sechs Prozent.
Belastet werden die Erdölpreise zum einen durch die verhaltende Stimmung an den Finanzmärkten. Zum anderen legt der Dollar zu vielen anderen Währungen zu. Da Rohöl in der US-Währung gehandelt wird, führt ein steigender Dollarkurs zu einem wechselkursbedingten Nachfragerückgang aus Ländern, wo nicht mit dem Greenback gezahlt wird.
Streik bei der Lufthansa?
Bei der Lufthansa ist ein Streik der Piloten noch im Sommer möglich. Der Vorstand der Gewerkschaft "Vereinigung Cockpit" hat zur Vorbereitung eines Arbeitskampfes die entsprechende Urabstimmung beschlossen, wie ein Sprecher bestätigte. Genaue Termine für die Abstimmung oder Fristen nannte die Gewerkschaft aber nicht. Über diese werde noch entschieden. Bei einer Zustimmung von 70 Prozent der stimmberechtigten Gewerkschaftsmitglieder wären demnach unbefristete Streiks möglich, wenn zuvor die noch laufenden Verhandlungen für gescheitert erklärt würden.
SAP senkt Gewinnziele
Die Belastungen durch den Ukraine-Krieg überschatten das beschleunigte Wachstum bei SAP. Das operative Ergebnis fiel im zweiten Quartal währungsbereinigt um sieben Prozent auf 1,68 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund rechnet das Unternehmen für das Gesamtjahr nur noch mit einem Ergebnis von 7,6 bis 7,9 Milliarden Euro, statt wie bisher 7,8 bis 8,25 Milliarden Euro. Hier schlage der Rückzug aus Russland und Belarus mit etwa 350 Millionen Euro negativ zu Buche.
Laborausrüster Sartorius weiter auf Wachstumskurs
Der Göttinger Laborausrüster Sartorius hat im ersten Halbjahr einen Gewinnsprung geschafft und seine Jahresziele bestätigt. "Beide Sparten sind deutlich gewachsen und haben trotz negativer Währungseinflüsse erneut hohe Ertragsmargen erzielt", teilte Vorstandschef Joachim Kreuzburg mit. Bei einem Umsatzplus von etwa 21 Prozent auf 2,06 Milliarden Euro schnellte das operative Ergebnis (Ebitda) um mehr als ein Viertel auf 697 Millionen Euro. Der Nettogewinn erreichte 334 Millionen Euro und lag damit um 28,6 Prozent über dem Vorjahreswert.
Nokia kommt voran
Der Netzwerkausrüster Nokia hat im zweiten Quartal Umsatz und Gewinn gesteigert. Dabei profitierten die Finnen von einem robusten Wachstum im Geschäft mit der Netzinfrastruktur. Der Konzernumsatz stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um elf Prozent auf knapp 5,9 Milliarden Euro. Währungsbereinigt lag das Plus bei drei Prozent. Das bereinigte operative Ergebnis nahm trotz Gegenwind durch Engpässe in der Lieferkette um fünf Prozent auf 714 Millionen Euro zu. Netto verblieb ein Gewinn von 460 Millionen Euro, ein Plus von 31 Prozent.
Gewinnsprung bei Hyundai
Die solide Nachfrage nach Luxusautos hat dem VW-Konkurrenten Hyundai im zweiten Quartal 2022 trotz eines Absatzrückgangs einen satten Gewinnsprung beschert. Der Überschuss sei im Jahresvergleich um 56 Prozent auf 3,09 Billionen Won (etwa 2,3 Milliarden Euro) gestiegen. Der Umsatz legte demnach um 19 Prozent auf 36 Billionen Won (26,9 Milliarden Euro) zu. Hyundai Motor, das mit seiner kleineren Schwester Kia zu den zehn größten Autoherstellern gehört, äußerte sich zuversichtlich, seine Ertragsziele für das gesamte Jahr zu erreichen.
GM und Ford beantragen US-Genehmigung für autonome Fahrzeuge
Die US-Autohersteller General Motors (GM) und Ford wollen in den USA selbstfahrende Fahrzeuge ohne menschliche Bedienelemente wie Lenkräder und Bremspedale auf die Straße bringen. Die Unternehmen haben unabhängig voneinander eine Sondergenehmigung für den Einsatz einer begrenzten Anzahl autonomer Automobile eingereicht. Die Autobauer wollen demnach bis zu 2500 Fahrzeuge pro Jahr für Mitfahrgelegenheiten und Lieferdienste einsetzen, was der gesetzlich zulässigen Höchstgrenze für vollständig autonome Fahrzeuge in den Vereinigten Staaten entspricht.
Starke Zahlen von Roche
In den ersten sechs Monaten stieg der Umsatz von Roche währungsbereinigt um fünf Prozent auf 32,3 Milliarden Franken. Die Diagnostiksparte wuchs dabei dank der ungebrochen starken Nachfrage nach den Covid-Tests des Konzerns um elf Prozent, das Pharma-Geschäft zog um drei Prozent an. Roche fuhr ein operatives Ergebnis von 12,67 Milliarden ein, ein Plus von neun Prozent binnen Jahresfrist. Der bereinigte Gewinn je Titel betrug 11,76 Franken, ein Zuwachs von elf Prozent.
DAX tendiert schwächer: Anleger warten auf Lagarde | tagesschau.de - tagesschau.de
Read More
No comments:
Post a Comment