Stand: 25.07.2022 11:20 Uhr
Wegen hoher Energiepreise und der drohenden Gasknappheit hat sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft im Juli deutlich verschlechtert. Der ifo-Index fiel auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren.
Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft hat sich im Juli stärker als erwartet eingetrübt. Der ifo-Geschäftsklimaindex rutschte von 92,2 Punkten im Vormonat auf 88,6 Zähler ab, wie das Münchner ifo-Institut heute zu seiner Umfrage unter rund 9000 Managern mitteilte. Das ist der niedrigste Wert seit Juni 2020.
Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich einen Rückgang auf 90,2 Punkte erwartet. "Hohe Energiepreise und drohende Gasknappheit belasten die Konjunktur. Deutschland steht an der Schwelle zur Rezession", sagte ifo-Präsident Clemens Fuest. Das ifo-Geschäftsklima gilt als Deutschlands wichtigster konjunktureller Frühindikator.
Gaskrise, Lieferprobleme, hohe Inflation und Zinswende belasten
Konkret verschlechterte sich das Geschäftsklima in allen betrachteten Wirtschaftsbereichen, und zwar deutlich: In der Industrie sei der Zukunftspessimismus so groß wie seit April 2020 nicht mehr. "Das zieht sich nahezu durch alle Industriebranchen", so Fuest. Unter den Dienstleistern drehte sich die Stimmung nach zuletzt großem Optimismus wieder, auch im Tourismussektor und Gastgewerbe. Bereits im Juni war der ifo-Index nach zwei Anstiegen in Folge unerwartet deutlich gefallen.
Auch zu ihrer Geschäftslage und den Erwartungen äußerten sich die Führungskräfte skeptischer als zuletzt. Im Frühjahr ist die Konjunktur nach Ansicht der Bundesbank kaum von der Stelle gekommen. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - deutete zuletzt ebenfalls auf Abschwung hin. Er sackte erstmals seit Februar 2021 unter die Wachstumsschwelle von 50 Stellen, hatte S&P Global am Freitag zu seiner monatlichen Umfrage unter Tausenden Firmen mitgeteilt.
Auf der deutschen Wirtschaft lasten gegenwärtig mehrere Entwicklungen. Am schwersten dürften die Gefahr einer Erdgaskrise, anhaltende Lieferprobleme im Außenhandel und die hohe Inflation wiegen. Hinzu kommen steigende Kapitalmarktzinsen, die die Kreditkosten der Unternehmen und Verbraucher erhöhen und damit die Investitions- und Konsumfreude dämpfen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte vergangene Woche erstmals seit elf Jahren ihre Leitzinsen angehoben.
Bei Gasstopp wäre Rezession "unvermeidlich"
Bankvolkswirte kommentierten die ifo-Umfrage wenig hoffnungsvoll. Die Entwicklung sei wenig verwunderlich, meinte VP Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel. Auch wenn gegenwärtig Gas aus dem von Präsident Wladimir Putin regierten Russland in begrenztem Umfang fließe, hänge das Damoklesschwert "kompletter Gasstopp" über dem Konjunkturausblick. "Eine Rezession lässt sich kaum vermeiden." Die Belastungen aus hoher Inflation, drohender Energiekrise und Lieferkettenschwierigkeiten seien zu viel.
"Alles in allem dürfte sich die deutsche Wirtschaft bereits in einem Abschwung befinden", betonte auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Wie schlimm es am Ende komme, liege vor allem in den Händen von Putin. "Käme es zu einem kompletten Stopp der Gaslieferungen, wäre eine tiefe Rezession unvermeidlich."
ifo-Experte Klaus Wohlrabe befürchtet ebenfalls ungemütliche Zeiten für die deutsche Wirtschaft. "Die Rezession klopft an die Tür, das ist nicht mehr auszuschließen. Aber wenn Putin weiter so liefert, wird es keine Rezession geben", sagte er im Gespräch mit Reuters.
ifo-Index sinkt spürbar: Deutschland an der "Schwelle zur Rezession" | tagesschau.de - tagesschau.de
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