Angesichts der hohen Inflation treibt die britische Notenbank den Leitzins in die Höhe. Sie setzte ihn am Donnerstag auf 1,75 Prozent fest. Das war eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte und der größte Schritt der Bank of England seit 27 Jahren. Die Finanzmärkte waren darauf eingestellt, dass sie dem Beispiel der Europäischen Zentralbank (EZB) folgen würde. Diese hatte ihre Zinswende jüngst mit einem derart großen Schritt eingeleitet.
Die Währungshüter in London haben zwar ihre geldpolitische Wende bereits im Dezember 2021 vollzogen, jedoch bislang nur Trippelschritte gemacht. Trotz einer laut BoE-Chef Andrew Bailey noch dieses Jahr drohenden Rezession entschieden sie sich nun mit klarer Stimmenmehrheit von acht zu eins im geldpolitischen Ausschuss für eine kräftige Anhebung.
Die Notenbanker standen unter erheblichem Zugzwang. Angetrieben von starkt steigenden Energiekosten und Lieferkettenproblemen waren die Verbraucherpreise auf der Insel zuletzt massiv nach oben geschnellt. »Angesichts einer aktuellen Inflationsrate von 9,4 Prozent und der Aussicht, dass die Inflation im Herbst aufgrund der absehbaren Preiserhöhungen der britischen Energieversorger über die Marke von zehn Prozent springen wird, blieb der Bank of England kaum eine andere Option«, so die Einschätzung von LBBW-Ökonom Dirk Chlench.
Der Inflationsschub in dem früheren EU-Land dürfte nach Ansicht der BoE im Oktober mit einem Wert von 13,3 Prozent ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen. Zugleich erwartet die Notenbank, dass die Wirtschaft Ende des Jahres in eine Rezession abgleitet, die das gesamte nächste Jahr anhalten dürfte. Dies wäre die längste Schwächephase auf der Insel seit der Weltfinanzkrise.
Diese Wirtschaftsflaute soll nach der Projektion der BoE zugleich die Nachfrage derart zügeln, dass die Inflation binnen zwei Jahren wieder zum Zielwert der Notenbank von zwei Prozent zurückkehren kann. Bailey betonte, die Notenbank stehe »ohne Wenn und Aber« zum Primat der Preisstabilität, auch wenn die konjunkturelle Lage die Geldpolitik vor Herausforderungen stelle.
Nach dem Zinsentscheid der Bank of England fiel das Pfund auf ein Tagestief von 1,2102 Dollar nach zuvor 1,2181 Dollar. BoE-Beobachter Samuel Fuller von Financial Markets Online sieht konjunkturell düstere Zeiten auf das Vereinigte Königreich zukommen: »Es mag nicht so schlimm kommen wie in der Türkei, wo die Inflationsrate 80 Prozent erreicht. Aber das wird ein schwacher Trost sein, wenn die Energieknappheit das Vereinigte Königreich im neuen Jahr in dunkle und ungemütliche Gefilde drängt. Offen gesagt, es ist eine wirtschaftliche Zeitbombe, und die Zinsen können nur in eine Richtung gehen.«
Mit höheren Zinsen soll verhindert werden, dass sich der Inflationsanstieg in der Wirtschaft festsetzt und sich somit Löhne und Preise immer weiter hochschaukeln. Wegen der anhaltend hohen Teuerung in den Vereinigten Staaten hat die US-Notenbank Fed den Leitzins zuletzt sogar zweimal in Folge um 0,75 Prozentpunkte nach oben gesetzt.
»Alle Optionen auf dem Tisch«
Die Londoner Notenbank betonte, dass sie bei Bedarf kraftvoll vorgehen kann, um die Inflationswelle zu brechen. Zu den weiteren Schritten ließen sich die Währungshüter nicht in die Karten blicken: »Die Geldpolitik ist nicht auf einem vorab festgelegten Pfad.« Bailey betonte, für die September-Sitzung und darüber hinaus seien »alle Optionen auf dem Tisch«.
Zugleich signalisierten die Währungshüter, dass sie schon bald mit dem aktiven Abschmelzen ihrer großen Bestände an Staatsanleihen beginnen werden - wohl kurz nach der nächsten Sitzung, die Mitte September ansteht. Es sollen aktiv Papiere im Umfang von zehn Milliarden Pfund pro Quartal abgestoßen werden. Der Höhepunkt bei den Staatsanleihenbeständen in der Bilanz der BoE wurde im Dezember erreicht, als die Notenbank Papiere im Wert von 875 Milliarden Pfund gebunkert hatte. Da auslaufende Papiere seit Februar nicht mehr ersetzt wurden, hält sie mittlerweile nur noch Bonds im Volumen von 844 Milliarden Pfund.
Britische Notenbank hebt Leitzins deutlich an - DER SPIEGEL
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