In Deutschland wurden im vergangenen Jahr Waren für 99 Milliarden Euro im Internet bestellt. Dabei wurde jedes vierte Paket komplett oder ein Teil der Ware wieder zurückgeschickt. Das fanden Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Universität Bamberg heraus. Schätzungsweise 530 Millionen Pakete mit 1,3 Milliarden Artikeln seien an die Händler zurückgegangen. Damit sei Deutschland "Retouren-Europameister", teilte die Forschungsgruppe Retourenmanagement mit.

Einer der Gründe sei, dass die Rücksendung in Deutschland meist kostenlos ist. Gebühren oder Kostenbeteiligungen verlange nur einer von zehn deutschen Onlinehändlern, im europäischen Ausland dagegen jeder zweite, sagte der Leiter der Forschungsgruppe, Björn Asdecker. 

Ein zweiter Grund seien die großzügigen Rückgabefristen. In Deutschland gewährten die Händler im Schnitt deutlich mehr Zeit als in der übrigen EU, um einen Artikel zurückzuschicken. Und schließlich bestellen die Deutschen auch viel mehr auf Rechnung im Vergleich zu anderen Europäern. Das macht eine Rücksendung leichter als bei einer Zustellung per Nachnahme, Abbuchung oder Vorauszahlung.

Nur ein Prozent der Retouren wird weggeworfen

Bei den 1,3 Milliarden zurückgeschickten Artikeln handelt es sich zu 91 Prozent um Kleidung oder Schuhe. "Pro Retourensendung belaufen sich die mittleren Transport- und Bearbeitungskosten auf 6,95 Euro", sagte Asdecker. Dabei seien die Kosten für kleine Händler wesentlich höher als für große. Doch lediglich ein Prozent der zurückgeschickten Artikel landete auf dem Müll. Mehr als 93 Prozent könnten direkt wieder als neuwertig verkauft werden. Der Rest werde als B-Ware angeboten, an industrielle Verwerter verkauft oder gespendet.

"Deutsche E-Commerce-Händler sind besonders gut darin, ihre Retouren zu verwerten. Der Entsorgungsanteil ist in Deutschland niedriger als im Rest Europas", sagte Asdecker. Die Kosten pro Rücksendung seien geringer als bei der Konkurrenz. Dadurch ergebe sich ein Wettbewerbsvorteil für den deutschen Onlinehandel.

Retouren belasten das Klima

Dennoch belasten die Rücksendungen das Klima. Laut der Forschungsgruppe "gehen auf die Retouren 2021 in Deutschland geschätzt 795.000 Tonnen CO₂ zurück". Das ist etwa so viel, wie 6,6 Millionen Autos auf der Fahrt von München nach Hamburg ausstoßen. Eine Befragung zeige jedoch, dass der ökologische Fußabdruck bisher keine Rolle in der Branche spiele. Laut den Forscherinnen und Forschern gaben weniger als fünf Prozent an, dass ihr Unternehmen den CO₂-Fußabdruck der Retoure misst.

Für den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel, Martin Groß-Albenhausen, gehöre die Rücknahme von Waren jedoch zum Verbraucherschutz und sei Teil eines eingespielten Prozesses im Online- und Versandhandel. "Umso wichtiger ist die Forschung zu Rücksendegründen, Umfang, Vermeidbarkeit und Verwertung von Retouren, aber auch zum konkreten Retourenverhalten", sagte er. Für den Herbst wolle der Verband aber ein Retourenkompendium einrichten, aufbauend auf den Studienergebnissen.

Für die Studie hatten die Experten 411 Manager europäischer Händler mit etwa 60 Milliarden Euro Onlineumsatz befragt und Daten der Verbände für E-Commerce, Versandhandel, Paketdienste und Expresslogistik ausgewertet.