Die Marke Coca-Cola steht wie keine andere für den Siegeszug der globalen Marken – und der lässt sich auch von der gegenwärtigen Inflationswelle nicht aufhalten. „Unser System war noch nie stärker“, triumphierte Coca-Cola-Chef James Quincey in einem Gespräch mit Analysten.
Gemeint war zwar das Geschäftssystem seines Konzerns, doch Quinceys Aussage scheint auch für das System „Marken-Wirtschaft“ insgesamt zu gelten. Allerdings gibt es eine Sorgen-Region: Europa. Insbesondere in Deutschland belasten Konflikte mit dem Handel die Hersteller. Und auch mit der Bundesregierung hadert die Branche.
Auffällig ist die unterschiedliche Entwicklung auf der globalen Ebene und in Deutschland – auch bei dem roten Limo-Riesen. Während Coca-Cola und Edeka vor deutschen Gerichten um Preiserhöhungen streiten, läuft es weltweit trotz der Preis- und Kostensteigerungen gut für Coca-Cola.
Der Konzern hat seinen Ausblick für das laufende Jahr angehoben. Der Umsatz soll nun 14 bis 15 Prozent steigen, der währungsbereinigte Gewinn je Aktie sogar noch um einen Prozentpunkt stärker.
Im dritten Quartal 2022 kam Coca-Cola auf 11,1 Milliarden Dollar Umsatz – ein Plus von zehn Prozent. Die operative Marge lag mit 29,5 Prozent nur einen halben Prozentpunkt unter dem Vorjahreswert, die Aktie stieg.
Vor wenigen Tagen hatte auch schon der Pampers-Konzern Procter & Gamble (P&G) stabile Gewinne vermeldet. Das zeigt: Die amerikanischen Konsum-Riesen kommen gut mit der Inflation klar. Allerdings sind dafür Anstrengungen erforderlich.
Coca-Cola kann die Preise anheben
Coca-Cola etwa bietet vermehrt kleinere Flaschen an, um sparsame Kunden zu erreichen. P&G stellt Innovationen wie saugfähigere Küchenrolle heraus. Zudem wirbt der Konzern unter anderem in Deutschland damit, mit seinen Wasch- und Spülmitteln lasse sich bei niedrigen Temperaturen waschen – und so Geld sparen.
Schnelle Milderung erwartet Coca-Cola-Chef Quincey nicht: Auch 2023 werde die Inflation hoch bleiben – zumindest in der ersten Jahreshälfte, prognostizierte der Manager. Hoffnung machten ihm die zuletzt sinkenden Kosten für Rohstoffe. „Unser Umsatzwachstum ermutigt uns für 2023“, sagte er. So zeigt das Umsatzplus, dass Coca-Cola die Preise anheben kann, ohne allzu viele Kunden abzuschrecken.
Allerdings könnte diese Fähigkeit bald an Grenzen stoßen. P&G meldete zwar weiterhin ein stabiles organisches Wachstum, doch wegen Wechselkurs-Einbußen könnte der Jahresumsatz erstmals seit fünf Jahren leicht sinken. Dazu trägt auch die Euro-Schwäche bei.
Im laufenden Geschäftsjahr 2022/23 erwartet P&G-Finanzchef André Schulten Umsatzeinbußen von 1,3 Milliarden Dollar durch diese Währungseffekte. Kostensteigerungen für Rohstoffe, Vorprodukte und Logistik belasteten den Konzern mit weiteren 2,6 Milliarden Dollar.
Probleme mit dem europäischen Handel
Bislang gelingt es P&G noch, diese Kostensteigerungen weitgehend durch Preiserhöhungen aufzufangen. Allerdings sank der Quartalsgewinn bereits um vier Prozent. Ebenfalls schwerer tut sich Nestlé. Der Schweizer Konzern hat ein besonders starkes Europageschäft. In den USA konnte er seine Preise um 11,1 Prozent heben, weltweit allerdings nur um 7,5 Prozent.
Denn in Europa läuft es für die Branche weniger rund – nicht nur wegen der Euro-Schwäche. Die Supermarktketten in Europa und insbesondere in Deutschland feilschen besonders stark um die Preise. Während die großen Händler in den USA die Preisvorgaben der Hersteller in der Regel an die Kunden weiterreichen, bestehen die europäischen Händler traditionell auf niedrige Einkaufspreise.
Dahinter steht der stärkere Preiskampf der Supermärkte und Discounter untereinander in Europa. Zudem ist – trotz ähnlicher Inflationsraten – die Lage in Deutschland für die Verbraucher ungewisser als in den USA. Die Sorge vor Gasmangel im Winter und stark steigender Energierechnungen sind noch nicht ausgeräumt.
Nestlé-Deutschlandchef Marc Boersch kündigte daher an: „Wir drehen jeden Euro dreimal um, in den Werken, der Logistik und Verwaltung sowie auch bei den Werbeausgaben.“ Er erhöhe die Preise in Deutschland nur zurückhaltend.
Die Friktionen mit dem europäischen Handel führen auch bei Coca-Cola dazu, dass der Konzern hier seine Kunden weniger gut halten kann als auf anderen Kontinenten. Vor allem bei Wasser und Saft stiegen die Kunden auf dem Alten Kontinent vermehrt auf die Eigenmarken der Händler um, sagte Quincey. Zudem profitierten die europäischen Discounter – also etwa Aldi und Lidl – stärker von der Inflation als Billigläden in Amerika.
Lebensmittelbranche streitet mit Özdemir
Die Lebensmittelbranche fühlt sich zudem von der deutschen Politik gegängelt. Daher hat der Verband der deutschen Lebensmittelwirtschaft eine neue Konfliktlinie aufgemacht. Die Berliner Lobbyisten ziehen sich aus einer Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium zur Erarbeitung einer neuen Ernährungsstrategie zurück.
„Wir werden von einer Mitarbeit mit Alibi-Charakter absehen“, wetterte Verbandsgeschäftsführer Christoph Minhoff gegen das Haus von Minister Cem Özdemir (Grüne). Den Vertretern des gemeinsamen Verbands von Landwirtschaft, Industrie, Handel und Gastronomie stößt übel auf, dass bei der Einladung zur Erarbeitung der Strategie Ergebnisse schon vorher festgelegt seien. So sollten Arbeitsgruppen etwa Ideen liefern, wie die Ernährung künftig „pflanzenbetont“ gestaltet werden könne, hieß es aus dem Verband.
„Bestimmte Wirtschaftsbranchen wurden gar nicht erst eingeladen, weil deren Lebensmittel offenbar keine und kaum noch eine Rolle spielen sollen“, sagte eine Verbandssprecherin WELT. Zudem würden ausgerechnet die aktuell drängenden Themen ausgespart: „Man kann die Kriegs- und Krisensituation und damit einhergehend Rohstoffmangel, Gasengpässe und hohe Lebensmittelpreise nicht aus einer solchen Debatte ausschließen.“
„Alles auf Aktien“ ist der tägliche Börsen-Shot aus der WELT-Wirtschaftsredaktion. Jeden Morgen ab 7 Uhr mit den Finanzjournalisten von WELT. Für Börsen-Kenner und Einsteiger. Abonnieren Sie den Podcast bei Spotify, Apple Podcast, Amazon Music und Deezer. Oder direkt per RSS-Feed.
Coca-Cola, Nestlé & Co. – Das Europa-Problem der Konsum-Giganten - WELT
Read More
No comments:
Post a Comment