Rechercher dans ce blog

Sunday, November 20, 2022

Joe Kaeser: „Kann mich erinnern, dass Musk mich mitten in der Nacht anrief und anschrie“ - WELT

Es ist ruhiger geworden um Joe Kaeser, seit er nicht mehr den Vorstand von Siemens leitet. Früher polarisierte er gern und regelmäßig per Tweet über Klimaschutz, Kopftuchmädchen und den damaligen US-Präsidenten Donald Trump. Noch immer gehört Kaeser zu den einflussreichsten deutschen Managern und leitet unter anderem die Aufsichtsräte von Daimler Trucks und Siemens Energy. Doch öffentlich zu Wort meldet er sich inzwischen seltener.

Nun hat sich der Ex-Siemens-Chef zu Wort gemeldet und sich sehr beunruhigt über den Zustand Deutschlands geäußert. Das Land drohe durch die eigenen Klimaschutzbemühungen Schaden zu nehmen. „Das Risiko, dass Deutschland dadurch deindustrialisiert wird oder die Deindustrialisierung noch schneller fortschreitet als sie ohnehin schon passiert, ist viel, viel höher als dass wir hier einen nennenswerten Einsatz fürs Klima haben“, sagte Kaeser im „OMR“-Podcast mit Philipp Westermeyer.

Der Manager betonte, das Klimaproblem müsse weltweit gelöst werden, allerdings könne Deutschland dazu nur wenig beitragen, indem es seinen CO₂-Ausstoß von derzeit zwei auf ein Prozent der weltweiten Emissionen reduziere. Diese Reduktion werde von Ländern wie Indonesien, China oder Indien sofort wieder überkompensiert.

Lesen Sie auch
Elon Musk ist drauf und dran, 44 Milliarden Dollar zu verbrennen. Und vielleicht noch mehr
Missmanagement

„Wir müssen in einem vergleichsweise kleinen Land, das nur etwa zwei Prozent beiträgt, über die Innovation auf diesem Gebiet Lösungen bauen, die wir dann in Deutschland ausprobieren, die klimafreundlich sind, die CO₂ einsparen und dann in die Welt exportieren“, sagte Kaeser. „Damit schaffen wir dann den Impact auf die großen Verbraucher und erhalten auch das Exportmodell Deutschland über die Innovation dann auch den Wohlstand zu sichern.“

Lesen Sie auch

Noch als Siemens-Chef hatte Kaeser mit einer Umarmungsstrategie versucht, die Aktivisten von „Fridays for Future“ für sich zu gewinnen, indem er der Aktivistin Luisa Neubauer einen Sitz in einem Aufsichtsgremium von Siemens Energy angeboten hatte. Auch heute hält Kaeser den Klimaprotest durchaus für gerechtfertigt.

„Ich finde das gut und richtig, dass die Jugend auf die Straße geht und sich einsetzt, weil es ihr Leben ist, ihre Zukunft, ihre Generation und die Generationen danach“, sagte er. Er habe Neubauer den Posten nicht angeboten, „weil ich besonders woke bin“, so der Manager. Er habe damit zum Ausdruck bringen wollen, „dass die Diagnose alleine noch keine Lösung ist“.

Putin-Besuch war ein „Fehler“

Siemens sei damals das perfekte Ziel für die Aktivisten gewesen. Er habe Neubauer deshalb gefragt, ob sie nicht an einer Lösung für das Problem mitarbeiten wolle. „Ich sagte zu ihr: Schau, ich finde das toll, was ihr macht, aber wisst ihr, wenn man eine Diagnose hundert Mal gestellt hat, und es kommt immer das Gleiche raus, nämlich das Klimaproblem, ist es nicht hilfreich noch hundert Mal die gleiche Diagnose zu stellen“, so Kaeser. Man müsse stattdessen an der „Therapie“ mitarbeiten, das habe er ihr angeboten und sei überrascht gewesen, dass sie nicht gleich abgesagt habe.

„Sie konnte ja gar nicht anders als ,Nein’ sagen, weil das Geschäftsmodell Aktivismus mit Lösungen nicht vereinbar ist, sonst ist das Geschäftsmodell weg“, sagte Kaeser. „Das war mir vollkommen klar.“ Von den Medien sei das damals natürlich gerne aufgegriffen worden. „Dieses David-Goliath-Schema wird ja gerne aufgenommen, also junge Aktivistin führt den – ja, wie sagt man – alten, weißen Mann, den CEO der bekanntesten Firma Deutschlands vor.“

Kaeser sieht die deutsche Wirtschaft aber nicht nur wegen der Klimaschutzbemühungen unter Druck, vor allem die Energiepolitik und der Wettbewerb der Systeme zwischen den USA und China bedrohe das deutsche Geschäftsmodell. „Wir müssen schon aufpassen, in welcher globalen Umgebung wir sind“, sagte Kaeser. Deutschland beschäftige sich „ziemlich stark mit sich selbst“.

Lesen Sie auch
Der Strom wird zunächst mit Solarzellen generiert. Das Geheimnis liegt aber in der Speicherung der Energie
Grüner Wasserstoff

Man müsse sich überlegen, was die Quellen des deutschen Wohlstands gewesen seien, es werde dem Land nicht gelingen, sich aus Abhängigkeiten wie der von Russland und China vollständig zu befreien.

„Insofern müssen wir umsichtig, langfristig orientiert die Wertschöpfungsketten so gestalten, dass es gegenseitige Abhängigkeiten gibt, dass keiner der Partner es sich erlauben kann, dem anderen Schaden zuzufügen, ohne dass er das selbst nicht auch spürt“, sagte Kaeser. „Ich sage nicht, dass das leicht wird, aber das ist jetzt die Aufgabe, die wir als Land haben.“

Kaeser selbst stand in seiner Zeit als Siemens-Chef regelmäßig in der Kritik, weil er auch mit zweifelhaften Regimen wie dem in Saudi-Arabien, in Russland oder China Geschäfte machte. „Der unselige Besuch damals beim russischen Präsidenten gleich nach der Annexion der Krim, da kann man schon auch echte Fehler machen“, räumte Kaeser nun ein.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte von Drittanbietern
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Er hatte Wladimir Putin 2014 trotz des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die ukrainische Halbinsel besucht. „Das ist ein ständiges Spießrutenlaufen, weil die meisten Menschen, mit denen Sie da zu tun haben, nicht nach westlichen Demokratiemustern ihr Land regieren“, beschrieb Kaeser nun den Umgang mit Staats- und Regierungschefs.

Er mache sich vor allem Sorgen um kleine und mittelgroße Unternehmen, die großen Konzerne könnten sich auch in einer Welt erfolgreich aufstellen, in der sich China und die USA immer stärker voneinander abkoppeln. „Der Mittelstand ist garantiert die tragende Säule des sozialen Friedens in Deutschland“, sagte Kaeser. Dessen Entwicklung bereite ihm große Sorgen.

„Beweg deinen Hintern hier rüber“

Deutschland fehle ein langfristiges Konzept für die Energieversorgung. Hierzulande zahle man 20 bis 30 Cent pro Kilowattstunde Strom, in den USA seien es nur sieben bis zehn Cent. „Kein Unternehmen der Welt wird das da machen, wo 30 Cent gebraucht werden, wenn es die Alternative gibt, in einem intakten Markt, der auch die Lokalisierung voranbringt, zu einem ungleich günstigeren Tarif einzukaufen“, sagte er.

Von deutschen Politikern forderte der Ex-Siemens-Chef, weniger auf Umfragen und Beliebtheitsrankings zu schauen. „Ich gebe zu, das ist schwierig, aber so wie unser Land im Augenblick unterwegs ist, dass wir in jeder Krise, jeder kleinsten Krise sagen: Jetzt müssen wir wieder helfen und noch mehr Sozialstaat und noch weniger Eigenverantwortung, das geht auf Dauer schief“, sagte Kaeser. Der Ruf nach dem Staat sei in vielen Fällen berechtigt, aber nicht immer das probate Mittel.

Noch gebe es Hoffnung. „Wir haben alles, was es braucht, damit wir uns jetzt noch erfolgreich für die kommenden zehn Jahre etablieren“, sagte Kaeser. „Aber es ist echt mindestens fünf vor zwölf, wenn nicht eine Minute vor zwölf.“

Lesen Sie auch
„So wünschenswert es auch sein mag, dass wir das Tal bereits durchschritten haben. So unrealistisch ist es“, meint Nando Sommerfeldt
Trügerische Wirtschaftsdaten

Kaeser äußerte sich in dem Interview auch zur Diskussion um die Twitter-Übernahme durch den Tesla-Chef Elon Musk. Er kenne Musk „relativ gut“, sagte der Ex-Siemens-Chef. Kennengelernt habe man sich vor Jahren, als Musk nach einer Automatisierungslösung für sein erstes Tesla-Werk in den USA gesucht habe. „Ich kann mich erinnern, dass er mich mitten in der Nacht anrief und anschrie“, erzählt Kaeser.

„Get your ass over here, I wanna see you tomorrow“, habe Musk geschrieen („Beweg deinen Hintern hier rüber, ich will ich morgen hier sehen.“) Er sei aber nicht hingeflogen, sondern habe sich informiert, wo das Problem liege. „Es kam sehr schnell heraus, dass eine organisierte Fertigung mit seiner Art, mit Menschen und Problemen umzugehen, nicht möglich war“, berichtet der deutsche Manager.

„Elon Musk ist eine unglaublich interessante Persönlichkeit, weil es bei ihm eine Trennlinie gibt: Oberhalb der Trennlinie ist Genie und unterhalb der Trennlinie ist Chaos oder etwas Negatives“, beschreibt Kaeser den Tesla- und Twitter-Chef. „Diese Trennlinie ist zwischen Genie und Wahnsinn. Es gibt dazwischen keinen Puffer, kein Neutral, in dem man sich bewegt. Er ist entweder genial unterwegs oder er ist in einer Weise unterwegs, dass man sich wundern muss, dass solche Leute überhaupt Erfolg haben können.“

Lesen Sie auch
Daniel Werner trat den Test des EQE 350+ mit jeder Menge Zweifel an
Elektro oder Verbrenner?

Er bewundere jedoch an Musk, dass dieser noch immer bereit sei, alles auf eine Karte zu setzen. „Und Elon hat wirklich viel zu verlieren“, sagt Kaeser. „Es war keine Kunst damals in den Anfangsjahren von Tesla anderer Leute Geld zu verbrennen, eine halbe Milliarde jedes Quartal. Das kann im Prinzip fast jeder.“

Diese Risikobereitschaft zeige sich nun auch bei der Twitter-Übernahme. „Elon Musk gewinnt seine Spiele immer 8:6 und nie 1:0“, sagte Kaeser. „Weil er eben auch sehr viele Dinge macht, bei denen man sagt: Versteht kein Mensch.“ Allerdings ist das Urteil des Ex-Siemens-Chefs über Musks derzeitiges Verhalten bei Twitter klar: „Aktuell ist er unter dieser Trennlinie.“

Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

„Alles auf Aktien“ ist der tägliche Börsen-Shot aus der WELT-Wirtschaftsredaktion. Jeden Morgen ab 5 Uhr mit den Finanzjournalisten von WELT. Für Börsen-Kenner und Einsteiger. Abonnieren Sie den Podcast bei Spotify, Apple Podcast, Amazon Music und Deezer. Oder direkt per RSS-Feed.

Adblock test (Why?)


Joe Kaeser: „Kann mich erinnern, dass Musk mich mitten in der Nacht anrief und anschrie“ - WELT
Read More

No comments:

Post a Comment

adidas-Aktie nachbörslich deutlich tiefer: adidas übertrifft eigene Prognose - Yeezy-Verkäufe sorgen für schwarze Zahlen - finanzen.net

Der Sportartikelkonzern adidas hat im vergangenen Jahr besser abgeschnitten als von ihm zuletzt prognostiziert. Der Nike -Rivale kündigte...