Die deutsche Wirtschaft wird nach Einschätzung von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel lediglich in eine leichte Rezession rutschen. Er sei seit einem Jahr Bundesbank-Präsident und hätte nicht gedacht, was alles in einem Jahr passieren könne und wie schwierig die Lage werde, sagte Nagel in einem Interview mit der »Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen«. »Trotzdem bin ich optimistisch, dass wir in Deutschland einen schwerwiegenden wirtschaftlichen Einbruch vermeiden können und mit einem milden Abschwung davonkommen«, fügte er hinzu. Er sei auch zuversichtlich, dass man die hohe Inflationsrate mittelfristig in den Griff bekommen werde.
Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale sieht Nagel derzeit angesichts der Tarifabschlüsse nicht. »Die bisherigen Abschlüsse blieben meist unterhalb der Inflationsrate«, sagte Nagel. Auch sei vom Instrument der steuerfreien Einmalzahlungen Gebrauch gemacht worden. »Daher sehen wir derzeit keine Lohn-Preis-Spirale im Sinne einer zusätzlichen Erhöhung der Inflationsrate durch die aktuellen Lohnabschlüsse – wenn überhaupt, handelt es sich eher um eine Preis-Lohn-Spirale.« Dennoch sei das Risiko von stärkeren Zweitrundeneffekten hoch. »Denn die derzeit höheren Lohnabschlüsse könnten die aktuelle Phase hoher Inflationsraten verlängern«, warnte er.
Die Inflation habe sich als hartnäckiger erwiesen als von den meisten Fachleuten erwartet, sagte Nagel. »Aber ich habe keinen Zweifel, dass wir wieder zu stabilen Preisen zurückkommen«, merkte er an. Die Europäische Zentralbank (EZB) nahm bei ihrem geldpolitischen Straffungskurs zuletzt den Fuß etwas vom Gas. Nach zwei ungewöhnlich großen Anhebungen um jeweils 0,75 Prozentpunkte erhöhte sie die Schlüsselzinsen im Dezember um 0,5 Prozentpunkte. EZB-Präsidentin Christine Lagarde stellte zudem weitere Anhebungen in Aussicht.
»In diesem und in den kommenden beiden Jahren erwarten wir im EZB-Rat für den Euroraum einen Rückgang der Inflationsrate«, sagte Nagel. Allerdings sei dieser noch nicht stark genug, um den Zielwert von zwei Prozent zu erreichen, fügte er hinzu. Das bedeute, dass »unser Job noch nicht erledigt ist«. Die Teuerungsrate im Euroraum lag im November bei 10,1 Prozent. Das ist fünfmal so hoch wie die Zielmarke der EZB.
Wirtschaft in Deutschland: Bundesbank-Präsident erwartet lediglich milden Abschwung - DER SPIEGEL
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