Landwind und Brilliance scheitern einst bei ihrem Markteintritt in Europa und Deutschland. Doch nun steht eine neue Generation chinesischer Hersteller Gewehr bei Fuß - mit voller E-Power. Für die deutsche Autoindustrie wird es eng. Auch aus einem anderen Grund.
Es besteht kein Zweifel: Für den Industriegiganten Deutschland wäre ein Niedergang der Autoindustrie fatal. Von ihrem Wohl und Wehe hängen zum Großteil Wachstum und Wohlstand der deutschen Wirtschaft ab. Die Autobranche hat mit all ihren tiefen und weitverzweigten Zulieferstufen - einschließlich sämtlicher Dienstleistungen und Aktivitäten an den Rändern - einen Anteil von einem Fünftel am deutschen Bruttoinlandsprodukt. Sie ist damit der Motor der deutschen Wirtschaft. Laut Arbeitsmarktexperten ist etwa jeder siebte Erwerbstätige in und für die Automobilindustrie tätig, 780.000 Menschen allein arbeiten direkt für sie. Noch!
Zwei Drittel aller pro Jahr von deutschen Herstellern produzierten Fahrzeugen werden außerhalb Deutschlands gefertigt, die Hälfte davon allein in China. Tendenz weiter steigend. Das ist ein Grund, weshalb die renommierten Hersteller wie VW, BMW und Mercedes-Benz weiterhin Rekordergebnisse einfahren. Allerdings sind diese Zahlen für das Wohl der deutschen Wirtschaft irreführend, denn das Schicksal der deutschen Ökonomie hängt hauptsächlich vom Rest der Autobranche ab - von den vielen kleinen und mittleren Zulieferern und der tiefen Wertschöpfungsverflechtung mit anderen Branchen. Und die Zulieferer stecken in teilweise brisanten finanziellen Nöten. Abertausende Arbeitsplätze sind bereits Geschichte, weitere werden noch folgen.
Verbrenner-Aus ab 2035
Durch das geplante EU-Verbrenner-Aus ist der Automobilstandort Deutschland in Gefahr und damit auch der Wohlstand der jetzigen wie künftigen Generationen. Durch den Beschluss von EU-Parlament, EU-Kommission und Ministerrat droht das Aus für die Verbrennertechnik ab dem Jahr 2035. Um die klimaschädlichen CO2-Emissionen im Verkehrssektor auf das Niveau der internationalen Verpflichtung abzusenken, dürfen dann anstelle von Verbrennerautos nur noch CO2-frei fahrende Elektroautos mit Batteriestrom (BEV) fahren. Und zwar nur in Europa! Weltweit sind Verbrenner weiter erlaubt - sogar "alternativlos". Keine Industrieregion der Welt, vor allem nicht China, hat sich diesem Verbot angeschlossen.
Voraussetzung für die CO2-Freiheit der BEV ist allerdings die Verfügbarkeit von "grünem", nachhaltig mit Wind und Sonne erzeugtem Strom für den Batteriebetrieb. Das ist bis weit über 2035 hinaus weder EU-weit noch in Deutschland der Fall. Mit der Folge, dass zwar der Verkehrssektor auf dem Papier sein Klimaziel der Elektroautos wegen erfüllen kann, der Energiesektor durch die Erzeugung von mehr Kohlestrom seine Ziele aber umso mehr verfehlt.
Als Blaupause für diese Diskrepanz zwischen Klimaanspruch und Klimawirklichkeit wird das Energiejahr 2023 in die deutschen Annalen eingehen: Die verbliebenen drei Atommeiler müssen aus ideologischen Gründen zum 1. April abgeschaltet werden; sie werden durch die Inbetriebnahme von Steinkohlekraftwerken ersetzt.
Ein EU-Verbrenner-Aus bedeutet für die deutsche Autoindustrie den Verlust ihrer überragenden Wettbewerbsfähigkeit, ihrer Technologieführerschaft auf dem Verbrenner-Weltmarkt. Stattdessen ist sie gezwungen, aufseiten der Elektromobilität eine neue Spitzenstellung aufzubauen.
Verzwickte Lage
Und das ist schwer, weil diese Position schon Wettbewerber für sich beanspruchen. Die Folge: Die deutsche Autoindustrie gerät strategisch voll in eine Sandwich-Position. Auf der einen Seiten wird ihr auf dem Heimatmarkt Europa qua EU-Verbrennerverbot die Kernkompetenz entzogen. Auf der anderen Seite kann sie gegenüber den Wettbewerbern aus Asien sowie dem Branchenpionier Tesla und deren zwischenzeitlich erworbener Batterie- und Elektroantriebswissen keine neue überragende Kernkompetenz aufbauen. Anders als beim Verbrenner gibt der Elektroantrieb keine Premium-Technikmerkmale her. Die Musik spielt beim Elektroauto bei der Batterie und dem Batteriemanagement.
Bei der Batterie- und Batterietechnik sind Tesla und die chinesischen Autobauer inzwischen führend: Tesla im oberen Marktsegment, chinesische Hersteller wie Nio, BYD oder Great Wall in den unteren Preissegmenten. Deutsche Hersteller sind gegenwärtig dort mit realen Modellangeboten kaum in Erscheinung getreten.
Für Autostandort Deutschland wird es eng
Nun schnappt die Strategie-Zange zu! Für den Autostandort Deutschland wird es eng. Die Autoindustrie droht in die Sandwich-Falle zu laufen: Unten geht mangels eigenen preisgünstigen Elektro-Modellen massiv Markt verloren. Oben im Premiumsegment kommt wegen des scharfen Wettbewerbsgetümmels - vor allem mit Tesla - wenig bis nichts dazu. Nur als Hinweis: Tesla plant bis 2030 20 Millionen Elektroautos am Weltmarkt abzusetzen. Das wäre ein Viertel des heutigen globalen Markts.
Auf der anderen Seite sind chinesische Autohersteller wie Geely oder BYD dabei, in den deutschen und europäischen Markt einzusteigen. Mit massiven Investitionen etwa in den Handel, durch Kooperationen mit großen Autohandelsketten oder durch den gesponserten Einstieg ins Flottengeschäft. Ein Erfolg der kleinen und preiswerten Modelle ist dabei nicht ausgeschlossen. Die Zeiten, wo chinesische Autos wie Landwind und Brilliance krachend gescheitert sind, sind auf alle Fälle vorbei.
China-Power und Klimawandel: Deutsche Autoindustrie in der Sandwich-Zange - n-tv NACHRICHTEN
Read More
No comments:
Post a Comment