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Monday, April 10, 2023

Ende der Kernenergie: Drohen nach dem Atomausstieg Stromausfälle? - n-tv NACHRICHTEN

Am 15. April findet der lange diskutierte und mehrfach verschobene Atomausstieg statt, die letzten Kernkraftwerke in Deutschland gehen dann vom Netz. Wird die Stromversorgung damit unsicherer? Strommarktexperte Fabian Huneke sieht zwar Risiken - die jedoch seien nicht so groß, dass man damit einen Weiterbetrieb der Kernkraftwerke rechtfertigen könne. "Zumal ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke nicht nur Risiken hätte, sondern auch sehr teuer wäre", sagt er im Interview mit ntv.de.

ntv.de: Drohen durch die Abschaltung der letzten deutschen Kernkraftwerke im Winter Stromausfälle, wenn die Tage dunkel sind und der Wind nicht weht?

Fabian Huneke: Nein, gemäß unserer stundenscharfen Strommarktanalyse drohen für den nächsten Winter keine Stromausfälle. Es gibt zwar weiterhin Szenarien, in denen es knapp wird mit Strom in Europa. Aber im Normalszenario ist das nicht zu erwarten.

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Fabian Huneke ist Strommarktexperte beim Beratungsunternehmen Energy Brainpool.

(Foto: Energy Brainpool)

Welche Risiken bestehen?

Es gibt zwei Risiken, die dazu führen könnten, dass Strom in Europa knapp wird. Das eine ist eine Gasmangellage, wenn der nächste Winter besonders kalt wird. Die zweite Unsicherheit betrifft die Verfügbarkeit französischer Kernkraftwerke. Die französische Atomsicherheitsbehörde hat im März mitgeteilt, dass an allen 56 Kernkraftwerken Schweißnähte überprüft werden müssen. Der Energiekonzern EDF hat nun einen Prüfplan für 320 Schweißnähte vorgelegt. Damit besteht das Risiko, dass diese Kernkraftwerke zu einem größeren Anteil als befürchtet nicht verfügbar sind.

Die Störungen bei den französischen Atomkraftwerken dienen als Argument von Atomkraftgegnern: Seht her, so unsicher ist Atomkraft. Aber auch als Argument von Kernkraftbefürwortern: Da Frankreich nicht zuverlässig Atomstrom liefern kann, müssen wir ihn selbst produzieren. Welche Seite hat recht?

Beide. Die französischen Kernkraftwerke zeigen tatsächlich, dass diese Technologie ein großes Klumpenrisiko hat: Passiert ein Fehler, dann multipliziert er sich gleich auf ganze Flotten von Kernkraftwerken und dann ist nicht nur die Versorgungssicherheit eines Landes gefährdet, sondern des ganzen Kontinents. Das ist ein gutes Argument gegen die Kernkraft. Kurzfristig hat auch die andere Seite recht, denn wenn tatsächlich die französischen Kernkraftwerke im Winter zum großen Teil ausfallen, dann brauchen wir jedes Megawatt thermischer Kraftwerksleistung.

Exportiert Deutschland im Saldo nicht mehr Strom nach Frankreich als es von dort importiert?

Beide Länder, Deutschland und Frankreich, sind zwei sehr große Stromexporteure in Europa. Das ist allerdings eine saldierte Betrachtungsweise: Wenn wenig Wind weht und die Stromnachfrage hoch ist, importieren wir Strom, auch aus Frankreich. Wenn der Wind weht, die Sonne scheint und wir wenig Strom verbrauchen, exportieren wir besonders viel Strom.

Die Bundesnetzagentur schreibt in ihrem Bericht zur Versorgungssicherheit, dass Deutschland perspektivisch zu einem Nettoimporteur von Strom werden wird. Ist das ein Problem?

Auch unsere Modelle zeigen, dass der Exportüberschuss über die nächsten Jahre hinweg zunächst abnehmen wird. Das dreht sich allerdings wieder um. In den 2030er Jahren kommt in unseren Szenarien heraus, dass durch den Zubau erneuerbarer Energien die Exporte wieder überhandnehmen.

Wäre es möglich, den Zeitraum zu verkürzen und schneller wieder Netto-Exporteur zu werden?

Das angesprochene Szenario geht davon aus, dass alle Planungen sich erfüllen, das Best-Case-Szenario. Und die Nachfrage nach erneuerbarem Strom wird nicht nur durch den Ausstieg aus Kernenergie, Braun- und Steinkohle steigen, sondern ist auch getrieben von einer steigenden Stromnachfrage, etwa durch Wärmepumpen und Elektromobilität. Unkalkulierbar ist die Geschwindigkeit, mit der sich Technologien durchsetzen. Bei einem schnellen Technologiedurchbruch und daraus resultierender hoher Stromnachfrage müssten wir nicht nur verstärkt Erneuerbare zubauen, sondern auch verstärkt importieren.

Wäre der deutsche Atomausstieg ohne französischen Atomstrom überhaupt möglich?

Die Strommärkte in Europa verlassen sich mittlerweile generell aufeinander. Ohne Importmöglichkeiten aus den jeweiligen Nachbarländern käme kein Land mehr durch eine Notsituation, wie sie beispielsweise Frankreich in diesem Winter erlebt hat. Es ist eine gegenseitige Abhängigkeit, weil es volkswirtschaftlich deutlich günstiger ist, im Bedarfsfall sieben oder acht Gigawatt Strom von den europäischen Nachbarländern zu importieren, als die gleiche Menge an Gaskraftwerken zu bauen, sie aber nur selten zu brauchen.

Die Bundesnetzagentur geht auch davon aus, dass "die sichere Versorgung mit Elektrizität im Zeitraum 2025 bis 2031 gewährleistet ist", jedenfalls in den von ihr untersuchten Szenarien. Ist das aus Ihrer Sicht zutreffend oder zu optimistisch?

In unseren Szenarien ist die Versorgungssicherheit ebenfalls gewährleistet. Sie hat aber Vorbedingungen. Eine Vorbedingung ist, dass der Zubau der erneuerbaren Energien tatsächlich so erfolgt, wie er geplant ist. Die zweite wichtige Vorbedingung: Der Kohleausstieg und der Kernkraftausstieg muss flankiert werden von einem Zubau von Gaskraftwerken. In unseren Berechnungen reichen bis 2030 dafür 17 Gigawatt an neuen Gaskraftwerken. Wenn dies erfüllt ist, können wir die Versorgungssicherheit gut gewährleisten. Ohne den Kraftwerksneubau hingegen nicht.

Wann ist der Zeitpunkt erreicht, an dem wir bei der Stromversorgung allein mit erneuerbaren Energien auskommen?

Mit dem Jahr 2030 werden wir keinerlei feste Brennstoffe mehr verbrauchen müssen, dann sind wir raus aus der Kohle. Die letzte verbliebene fossile Energiequelle, die wir dann noch nutzen, ist Erdgas, das gut durch grünen Wasserstoff substituiert werden kann. Dieser Wechsel kann bereits zwischen 2030 und 2035 erfolgen. Sobald das geschehen ist, ist die Nutzung fossiler Brennstoffe ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte der Energiewirtschaft. Technisch steht dem nichts entgegen - das ist aber abhängig von der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff.

Und die Zeiten ohne Wind und Sonne?

Wir können nicht so viel Photovoltaik- und Windkraftanlagen bauen, dass der Strom auch in einer kalten Dunkelflaute ausreicht, wenn die Stromnachfrage hoch ist. Aber die stundenscharfe Analyse verschiedener Institute zeigt, dass in einer kalten Dunkelflaute eine vergleichsweise geringe Menge an grünem Wasserstoff ausreicht, um die Stromversorgung bis hin zu anderthalb Wochen - die maximale Länge einer kalten Dunkelflaute - mit Gaskraftwerken sicherzustellen. Das ist ein Szenario, das volkswirtschaftlich gut funktioniert. Technisch und ökonomisch ist die Versorgung auch einer großen Volkswirtschaft wie Deutschland mit ausschließlich erneuerbaren Quellen gelöst. Sie ist nur auf der regulativen Seite noch nicht gelöst, und sie ist in der gesellschaftlichen Akzeptanz noch nicht gelöst.

Sie sagten, das Szenario sei abhängig von der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff. Was bedeutet das?

Es gibt einen sehr großen Bedarf an grünen Wasserstoff, vor allem aus der Industrie, auch aus dem Mobilitätssektor; allein der Luftverkehr wird große Mengen von grünem Wasserstoff für die Herstellung von synthetischem Kerosin brauchen. Die Frage ist: Schaffen wir es, genug grünen Wasserstoff zu produzieren und zu importieren, um diese Menge zur Verfügung zu stellen und zusätzlich die Gaskraftwerke mit grünem Wasserstoff zu beliefern?

Und, bis wann schaffen wir das?

Sichere Prognosen sind da schwierig. Ich vermute, dass wir das bis 2040 schaffen.

Ist durch den Atomausstieg mit höheren Strompreisen zu rechnen?

Der Kernkraftausstieg ist ja schon seit langem bekannt, damit ist er in den aktuell gehandelten Strompreisen und -Tarifen bereits eingepreist.

Es gab einen Atomausstiegsbeschluss von 2002, der 2010 rückgängig gemacht wurde, dann einen weiteren Atomausstiegsbeschluss 2011. Man sollte meinen, dass genügend Zeit war, das Ende der Kernenergie vorzubereiten. Ist das auch passiert?

Zu weiten Teilen ja. Seit 2011 erzeugen erneuerbare Energieanlagen mehr Strom als Kernkraftwerke. Etwa im Jahr 2000 lag der Anteil von Kernkraft am Stromverbrauch in Deutschland bei rund 30 Prozent. Mittlerweile ist das mit erneuerbaren Energien bereits überkompensiert. Im selben Zeitraum hat sich übrigens auch die Versorgungssicherheit verbessert. Es gibt einen Index, der die Versorgungssicherheit misst, den SAIDI-Index. Der lag 2006 bei 21,53 Minuten durchschnittlichen Stromausfalls in Deutschland, heute liegt er bei 12,7 Minuten. Und Netzbetreiber brauchten in den vergangenen Jahren sogar immer weniger Regelleistung, also weniger reguliertes Nachsteuern. Das Stromsystem hat also gelernt, mit den fluktuierenden Mengen aus Wind- und Photovoltaikstrom gut zurechtzukommen.

Was hingegen noch fehlt, ist die richtige Menge an erneuerbarem Strom. Denn wir steigen ja nicht nur aus der Kernkraft aus, sondern auch aus der Kohle. Beim Kohleausstieg fehlen uns jetzt die Anlagen, die wir in den letzten Jahren vergessen haben zu bauen.

War es sinnvoll, mit den drei letzten AKWs bis Mitte April noch in den Streckbetrieb zu gehen, statt sie wie ursprünglich geplant Ende Dezember abzuschalten?

Das befürchtete Szenario einer Gasmangellage ist nicht eingetreten. Aber das wussten wir vorher nicht.

Wäre es so gesehen nicht auch sinnvoll, die AKWs weiter am Netz zu lassen und neue Brennstäbe zu besorgen?

Das Risiko einer Gasmangellage ist für den nächsten Winter so sehr geschrumpft, dass man damit einen Weiterbetrieb aus meiner Sicht nicht mehr rechtfertigen kann. Zumal ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke nicht nur Risiken hätte, sondern auch sehr teuer wäre. Für den Weiterbetrieb in diesem Jahr wollten die Erzeuger zwischen neun und elf Cent pro Kilowattstunde haben. Ein noch längerer Weiterbetrieb wäre mit noch höheren Kosten verbunden.

Mit Fabian Huneke sprach Hubertus Volmer

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