Berlin Eine Serie unerwartet schlechter Konjunkturdaten lässt die Sorgen vor einer Rezession in Deutschland wachsen: Nach kräftigen Rückgängen bei Einzelhandelsumsatz, Exporten und Industrieaufträgen gab im März auch die Produktion nach und das so stark wie seit einem Jahr nicht mehr.
Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 3,4 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Rückgang von 1,3 Prozent gerechnet.
„Selbst abnehmende Materialengpässe und gesunkene Energiepreise können die getrübte Weltkonjunktur und die schleppende Nachfrage im Inland nicht ausgleichen“, sagte der Konjunkturexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Jupp Zenzen. „Der Industrie droht eher Stillstand statt der erhofften Erholung.“
Dennoch zog die Produktion im ersten Quartal wegen der kräftigen Zuwächse im Januar und Februar an - um 2,5 Prozent zum Vorquartal. Ökonomen sehen in der zuletzt schwachen Entwicklung sogar Signale für eine womöglich heraufziehende Rezession. „Eine weitere Hiobsbotschaft aus der deutschen Industrie“, kommentierte LBBW-Ökonom Elmar Völker den Produktionseinbruch. „Die heutigen Zahlen unterstreichen, dass die Rezessionsgefahren mitnichten gebannt sind.“
Im ersten Quartal war Europas größte Volkswirtschaft haarscharf an einer Rezession vorbeigeschrammt: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte nach dem Rückgang Ende 2022. Bei zwei Minus-Quartalen in Folge wird von einer Rezession gesprochen. „Anders als die meisten Volkswirte erwarten wir für die zweite Jahreshälfte keine Konjunkturerholung, sondern eher ein Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Die in vielen Regionen der Welt kräftig gestiegenen Zinsen dürften die Nachfrage nach Waren „Made in Germany“ zunehmend bremsen.
Deutscher Industrie droht ein schwieriges Jahr
Das Bundeswirtschaftsministerium ist nicht so pessimistisch. „Die Stimmung in den Unternehmen hat sich zuletzt weiter verbessert, was für eine konjunkturelle Erholung im weiteren Verlauf des Jahres 2023 spricht“, hieß es mit Blick etwa auf das Ifo-Geschäftsklima, das sich zuletzt sechs Monate in Folge aufgehellt hat. Im Gesamtjahr rechnet das Ministerium mit einem Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent.
Definition: Was ist eine Rezession?
Die Industrie allein stellte im März 3,3 Prozent weniger her als im Vormonat. „Einen besonders großen Anteil am Rückgang hatte die Autobranche: Hier brach die Produktion um 6,5 Prozent zum Vormonat ein. Die Maschinenbauer stellten 3,4 Prozent weniger her.
Die besonders energieintensiven Wirtschaftszweige fuhren ihre Fertigung fast durchweg herunter, darunter ist etwa die Chemie-Industrie mit einem Minus von 2,0 Prozent, so das Bundeswirtschaftsministerium. „Der deutliche Rückgang der Industrieproduktion ist auch eine Gegenbewegung zu den starken Anstiegen zuvor – etwa in der Autoindustrie“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer. „Aber im Trend dürfte die Produktion in den kommenden Monaten weiter etwas fallen.“
Die Baubranche meldete einen Produktionsrückgang von 4,6 Prozent. Ihr machen höhere Zinsen und Materialkosten zu schaffen, wegen denen sich viele Projekte nicht mehr lohnen. Die Energieversorger fuhren ihre Erzeugung dagegen um 0,8 Prozent nach oben.
Der deutschen Industrie droht ein schwieriges Jahr. „Der allgemeine Zinsanstieg dürfte Investitionspläne bremsen“, sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. Das Neugeschäft brach im März so stark ein wie seit der Hochphase der Corona-Krise vor drei Jahren nicht mehr: Die Aufträge sanken um 10,7 Prozent zum Vormonat.
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Gestützt werden könnte die Produktion durch die nachlassenden Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten. Im April nahmen die Klagen der Industriebetriebe über Lieferengpässe bereits den siebten Monat in Folge ab. Nur noch 39,2 Prozent der Firmen berichteten von Problemen, der niedrigste Wert seit rund zwei Jahren.
Konjunktur: Unternehmen drosseln Produktion so stark wie seit einem Jahr nicht mehr - Handelsblatt
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