München Der Dax-Konzern Siemens Energy hat wegen schwerwiegender Qualitätsprobleme bei seiner Krisentochter Gamesa die Prognose für das laufende Jahr kassiert. Die Probleme bei bestimmten Windkraftplattformen könnten Kosten von voraussichtlich mehr als einer Milliarde Euro verursachen, warnte Siemens Energy am Donnerstagabend.
Siemens Gamesa zieht seit Jahren den gesamten Konzern mit hohen Verlusten und immer neuen negativen Überraschungen nach unten. Seit der Abspaltung von Siemens hat der junge Konzern daher nur Verluste gemacht.
Um besser durchgreifen zu können, schickte Siemens Energy zunächst Vorstand Jochen Eickholt als Sanierer nach Madrid und übernahm das Unternehmen dann komplett.
Doch Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Aufgrund deutlich überhöhter Ausfallraten bei Windturbinen-Komponenten habe man die installierte Windradflotte und das Produktdesign überprüft, hieß es nun. Laut dem Zwischenstand müsse man davon ausgehen, dass „für die Erreichung der angestrebten Produktqualität bei bestimmten Onshore-Plattformen wesentlich höhere Kosten anfallen werden als bisher angenommen.“ Die Belastungen lägen voraussichtlich bei mehr als einer Milliarde Euro.
Siemens-Energy-Chef Christian Bruch hatte die Ertragsprognose bereits mehrmals senken müssen. Ursprünglich hatte der Konzern im laufenden Geschäftsjahr 2022/23, das am 30. September endet, den Vorjahresverlust von 647 Millionen Euro deutlich verringern wollen.
Siemens Energy will keine neue Prognose abgeben
Nach einem schwachen ersten Quartal rechnete Bruch zwischenzeitlich mit einem Nettoverlust auf Vorjahresniveau. Im Mai dann ging er davon aus, dass der Verlust „das Niveau des Vorjahres um bis zu einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag übersteigen wird“. Nun ist auch diese Prognose Makulatur.
Eine neue Prognose wollte Siemens Energy noch nicht abgeben. Eine genaue Einschätzung der möglichen finanziellen Folgen der Qualitätsprobleme sei noch nicht möglich. Der Konzern betonte, dass die übrigen Geschäfte, zum Beispiel mit Stromnetzen und Gaskraftwerken, weiter gut laufen. Auch die Umsatzprognose für den Gesamtkonzern gelte weiter.
Die Probleme bei Siemens Gamesa haben viele Ursachen. Die ganze Branche kämpft damit, dass die gestiegenen Kosten zum Beispiel für Stahl nicht an die Kunden weitergegeben werden können, weil die alten Verträge dies nicht vorsahen.
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Seit Jahren herrscht auf dem Markt zudem ein ruinöser Preiskampf, vor allem ausgelöst durch die Umstellung von festen staatlichen Vergütungen auf freie Ausschreibungssysteme. Seitdem bekommt nur noch der günstigste Anbieter den Zuschlag.
Experten zweifeln an Sanierungsfähigkeit von Gamesa
Bei dem Turbinenhersteller kommen viele hausgemachte Probleme dazu. So wurden nur wenige Synergien zwischen der Onshore-Sparte mit den Windrädern an Land und dem Offshore-Segment genutzt. Zudem gelang der Anlauf der ersten gemeinsam entwickelten Plattform 5.X nur schlecht. Auch gibt es Schwierigkeiten beim Hochlauf der Fertigungskapazitäten im Onshore-Bereich, mit dem die hohe Nachfrage bedient werden soll.
Manche Experten fragen sich inzwischen, ob Siemens Gamesa überhaupt sanierungsfähig ist. Bruch hatte betont: „Der Erfolg des Windgeschäfts bleibt die Grundvoraussetzung dafür, dass wir ein profitabler Marktführer im Bereich der Energiewende werden.“
Laut Industriekreisen ist Bruch wegen der immer neuen Hiobsbotschaften aus Madrid stark verärgert. Noch sei die vollständige Integration der Tochter nach der Komplettübernahme aber nicht vollzogen. Erst dann habe die Zentrale in München vollen Durchgriff.
Vor knapp zwei Wochen hatten die verbliebenen Minderheitsaktionäre von Gamesa einer Kapitalherabsetzung zugestimmt. Dadurch können die außenstehenden Anteile – ähnlich wie bei einem Squeeze-Out in Deutschland – eingezogen werden.
Siemens Gamesa war im Jahr 2016 aus der Fusion der Siemens-Windkraftsparte mit dem börsennotierten Konkurrenten Gamesa entstanden. Die Münchener waren bei den Offshore-Windrädern auf hoher See Weltmarktführer, die Spanier auf die Onshore-Windräder an Land fokussiert. Allerdings misslang die Integration, Synergien zwischen den beiden Teilen wurden kaum genutzt. Auch mehrere Wechsel an der Vorstandsspitze von Siemens Gamesa haben bislang keinen Erfolg gezeigt.
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