Düsseldorf Über 300 Milliarden US-Dollar sollen weltweit bis 2030 in grünen Wasserstoff fließen. Das Problem: Bislang bleibt es vor allem bei Ankündigungen. Gerade mal 29 Milliarden Dollar sind beschlossene Sache.
Die Unternehmen warten: auf Entscheidungen der Politik, auf kalkulierbare Preise und auf feste Verträge. Auch die Wasserstofftochter von Thyssen-Krupp hat lange gewartet. Jetzt macht Nucera Ernst und bringt das Geschäft mit der Herstellung von Elektrolyseuren für die Produktion des begehrten Moleküls an die Börse.
Im Vergleich zu anderen Herstellern von Elektrolyseuren läuft das aktuell zwar vielversprechend: Nucera liefert Elektrolyseure an den schwedischen Stahlhersteller H2 Green Steel, baut Elektrolyseanlagen für Air Products in Saudi-Arabien, Unigel in Brasilien und für Shell im Hafen von Rotterdam.
Doch obwohl Nucera mit seinen Aufträgen derzeit vor Wettbewerbern liegt, ist die gesamte Produktion von Wasserstoff noch sehr überschaubar. Das wird deutlich, wenn man sich die tatsächlichen Produktionszahlen in Deutschland anguckt. Gerade mal 0,1 Gigawatt an installierter Elektrolysekapazität gibt es Mitte 2023 hierzulande. Geplant sind zehn Gigawatt bis 2030. Davon ist Deutschland jedoch weit entfernt.
Vor allem die fehlenden finalen Investitionsentscheidungen würden die Industrie zurückhalten, berichten Brancheninsider. Unternehmen wie RWE oder Sunfire warten mittlerweile fast zwei Jahre auf den Förderbescheid aus Brüssel. Aber nicht nur in Europa läuft es schleppend.
Nucera ist einer der Global Player auf einem Markt, der eigentlich noch keiner ist. Der Hochlauf der grünen Zukunftstechnologie geht langsamer voran als gedacht. Es herrsche eine große Unsicherheit, gerade für Unternehmen wie Nucera, beobachtet Wasserstoffexperte Michael Sterner von der Technischen Hochschule in Regensburg.
„Reales Risiko,“ Ausbauziele nicht zu erreichen
„Es gibt aktuell sehr viele, die Wasserstoff brauchen, und wenige, die ihn liefern“, sagt Sterner dem Handelsblatt. Angespannte Lieferketten, Arbeitskräftemangel, steigende Inflation und Zinssätze so wie ein Mangel an Fördergeldern in vielen Märkten bremsen die grüne Technologie.
Das zeigen aktuelle Zahlen der Lobbyorganisation „Hydrogen Council“. 38 Millionen Tonnen Kapazität sind bis 2030 weltweit angekündigt. Heute gibt es gerade mal deutlich unter einer Million Tonnen tatsächlich installierte Produktionskapazität für grünen Wasserstoff auf der ganzen Welt. Über 90 Prozent des Wasserstoffbedarfs werden aktuell noch aus fossilen Quellen gedeckt. Dabei soll grüner Wasserstoff ein wichtiger Baustein für die globale Energiewende sein.
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Bei der sogenannten Power-to-X-Technologie zur Herstellung von grünem Wasserstoff wird über das Verfahren der sogenannten Elektrolyse mithilfe von grünem Strom aus Wind und Sonne Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Den größten Bedarf für Wasserstoff sehen Experten derzeit in Industrie, Schiffsverkehr und Luftfahrt: überall dort, wo der Einsatz einer Batterie teurer oder nur schwer möglich ist.
Eine Industrienation wie Deutschland bräuchte für den Umbau hin zu einer grünen Wirtschaft zwischen 29 und 101 Terawattstunden grünen Wasserstoff bis 2030. Bis 2045 könnten es sogar zwischen 200 und 700 Terawattstunden sein. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt, Energie im Auftrag des Landesverbandes Erneuerbarer Energien NRW.
„Es existiert ein reales Risiko, dass wir die angekündigten Ausbauziele für Elektrolyseure nicht erreichen“, warnt Experte Sterner. Das liege zum einen an den fehlenden Rahmenbedingungen und zu langen Genehmigungsprozessen in Europa.
Es herrsche aber auch weltweit eine große Unsicherheit, ob die Klimaziele weiter aufgeweicht oder nicht erreicht werden. „Dann kann die Folge sein, dass sich eine große Ernüchterung in der Gesellschaft breitmacht und wir uns mehr auf Anpassung als Vermeidung konzentrieren. Und da kommen aus Kostengründen viele Maßnahmen vor dem Wasserstoff“, so Sterner.
Kurse von Wasserstoff-Firmen sind unter Druck
An den Börsen zumindest hat der Hype der vergangenen Monate stark nachgelassen. Kurslieblinge wie Wasserstoffkonzern Nel Asa aus Norwegen haben innerhalb von einem Jahr über 23 Prozent eingebüßt. Beim britischen Konkurrenten ITM Power sind es sogar über 60 Prozent. Das gilt auch für US-Unternehmen wie Plug Power. Trotz des milliardenschweren Subventionsprogramms aus Washington verlor der Kurs des Brennstoffzellspezialisten in den vergangenen zwölf Monaten fast 50 Prozent.
Laut Experten findet am Markt für die Herstellung von Wasserstoff aktuell eine Kurskorrektur statt: Die Goldgräberstimmung lasse nach, nachdem viele Unternehmen im Zuge dessen unverhältnismäßig hoch bewertet worden waren. Das versprochene Wachstum sei aber so schnell nicht eingetreten - weil der Wasserstoffhochlauf und betreffende Projekte länger gebraucht haben als anfangs kalkuliert. In der Folge sinken die Kurse nun schon seit Monaten.
Zudem sind für Investoren die USA mittlerweile attraktiver als Europa. In den Staaten lockt das Antiinflationsprogramm Inflation Reduction Act (IRA) mit Subventionen und Steuervorteilen. Auch Nucera will bei der zukünftigen Geschäftsentwicklung vor allem auf den Standort Nordamerika setzen, erklärte eine Sprecherin bei der Ankündigung des Börsengangs.
Nordamerika sei gerade deshalb ein günstiger Standort, weil sich durch das US-amerikanische Antiinflationsprogramm einige Vorteile böten, heißt es vom Unternehmen. „Die gesetzliche Situation ist dort für Elektrolyseurhersteller vorteilhafter als in der restlichen Welt.“
Mehr: Nachfrage bei Börsengang von Thyssen-Krupp-Tochter übertrifft das Angebot.
Börsengang von Nucera: Unsicherer Wasserstoffmarkt bremst Investitionen - Handelsblatt
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