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Sunday, September 17, 2023

Automatische Entschädigung? Dann hat die Lufthansa ein gewaltiges Problem - WELT

Ausgerechnet die Lufthansa steht an der Spitze eines unrühmlichen Rankings von Flugstornierungen in Europa. Mit ihrer Cityline soll die größte deutsche Fluggesellschaft in diesem Sommer mehr als drei Prozent ihrer Flüge ausfallen lassen haben – mehr als jede andere große Fluglinie. Die Ausfälle, die sich auch bei anderen Unternehmen häufen, sind nicht nur für die Passagiere ärgerlich. Auch die Fluggesellschaften könnte sie teuer zu stehen kommen. Die Branche könnte vor Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe stehen.

Zwar hat sich das große Flugchaos nach der Pandemie in diesem Jahr nicht wiederholt. Doch trotz des scheinbar reibungslos laufenden Flugverkehrs kam es im Sommer zu Abertausenden von Flugstreichungen. Die Quote liegt um gut 33 Prozent höher als vor Corona.

Laut einer in dieser Woche veröffentlichten Analyse des Fluggastrechte-Anbieters Flightright taten sich unter den größten europäischen Fluggesellschaften ausgerechnet die Premium-Anbieter mit einer Vielzahl stornierter Flüge hervor. Cancel-Königin ist demnach nicht etwa eine Billiglinie wie Ryanair oder Wizz Air, sondern die Lufthansa-Gruppe, die es in dem Negativ-Ranking gleich zweimal in die Spitzengruppe geschafft hat.

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Ein Drittel aller Lufthansa-Flüge startete in den Sommermonaten demnach verspätet, 1,8 Prozent wurden komplett gestrichen. Bei der Kurzstrecken-Tochter Lufthansa Cityline fielen sogar 3,11 Prozent der Flüge aus – das bedeutete Platz 1 in der Storno-Tabelle. „Aktuell treten insbesondere kurzfristige Ereignisse wie etwa Kapazitätsengpässe auch bei den Systempartnern wie Flughäfen und Abfertigungsgesellschaften, Streiks oder Wettereinflüsse auf“, rechtfertigt man bei der Lufthansa. „Dadurch lassen sich Streichungen nicht komplett verhindern.“ Bei einer vergleichsweise kleinen Flotte wie der Cityline mit nur 50 Flugzeugen fielen Annullierungen prozentual stärker ins Gewicht.

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Wenn Fluggesellschaften nicht fliegen, ist das nicht nur sehr schlecht fürs Renommee. Nach EU-Recht stehen den sitzen gelassenen Passagieren hohe Ausgleichszahlungen zu. Schon für kurze Flüge bis 1500 Kilometer können sie – neben der Ticketerstattung – 250 Euro an Entschädigung verlangen, für lange Flüge sogar bis zu 600 Euro. Flightright und andere Fluggast-Portale leben davon, diese Rechtsansprüche mit automatisierten Prozessen wahrzunehmen. Ihre Kundenakquise scheint gut zu laufen.

Prozesswelle überfordert Gerichte

Die Folge der Entwicklung ist schon jetzt ein sprunghafter Anstieg von Schadenersatzverfahren. Laut einer Recherche der Deutschen Richterzeitung gingen an deutschen Amtsgerichten allein bis Juli dieses Jahres 70.000 Verbraucherklagen wegen verspäteter oder ausgefallener Flüge ein. Setzt sich die Entwicklung so fort, werden sich bis Jahresende voraussichtlich 120.000 Fälle türmen. Die Gerichte sehen sich von der Prozesswelle zunehmend überfordert, beim Richterbund stöhnt man über „Fließbandklagen“.

Nach der Veröffentlichung der jüngsten Stornierungszahlen wird in Berlin nun erneut die Möglichkeit diskutiert, Fluggesellschaften dazu zu zwingen, Passagiere sozusagen proaktiv und automatisch zu entschädigen. „Die Möglichkeit automatisierter Entschädigungen muss auf ihre technische Machbarkeit hin überprüft werden“, forderte der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion im „Handelsblatt“, während man in der FDP vor einem nationalen Alleingang warnt.

Die Branche reagiert alarmiert auf einen Zahlungsautomatismus. „Die antraglose Auszahlung eines Entschädigungsanspruchs wäre ein kompletter Systemwechsel im deutschen Wirtschaftsleben und -recht“, verwehrt man sich auf WELT-Anfrage beim Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL).

Quelle: Infografik WELT

Die im BDL organisierten Fluggesellschaften böten auf ihren Webseiten schon länger automatisierte Verfahren an, über die Fluggäste Ausgleichsleistungen beantragen könnten. Zudem stehe ihnen kostenfrei der Gang zur SÖP frei, der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr. Fluggäste können die SÖP kontaktieren, wenn ihre Airline mindestens zwei Monate lang nicht auf eine Forderung reagiert hat.

Doch vielen Fluggästen scheint dieser Weg offensichtlich zu umständlich. Wesentlich unkomplizierter wäre es für sie, wenn die Fluggesellschaften nach Ausfällen einfach automatisch die Entschädigungsansprüche überweisen würden. Hiergegen wehren sich die Airlines. Der Flugablauf sei „komplex“, begründet dies der BDL. Oft sei nicht eindeutig, „ob eine Unregelmäßigkeit einen außergewöhnlichen Umstand darstellt“.

Die Aussage bezieht sich auf Einzelfälle, in denen Airlines keine Entschädigung zahlen müssen, weil sie zum Beispiel aufgrund von Naturkatastrophen oder Luftraumsperrungen nicht für einen Ausfall verantwortlich waren. Die Abgrenzung im Einzelfall ist mitunter Auslegungssache und beschäftigt häufig die Gerichte. So zählt nach einem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt die Kollision eines Flugzeugs mit einem Treppenfahrzeug nicht als Ausrede, keine Entschädigung zu zahlen, eine Beschädigung durch Vogelschlag hingegen schon.

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Eine weitgehend automatisierte Entschädigung könnte für Fluggesellschaften aber vor allem sehr teuer werden. Dies zeigen Zahlen von Airhelp, der eigenen Angaben zufolge weltweit größten Organisation für Fluggastrechte. Der Dienst will in den Monaten Januar bis Juli 2023 allein am Frankfurter Flughafen 488.000 entschädigungsberechtigte Passagiere festgestellt haben, sowie 310.000 in München und 200.000 in Berlin.

Würden sie alle automatisch auch nur zum Kurzstreckensatz kompensiert, müssten die Airlines rein rechnerisch 250 Millionen Euro zahlen, und das nur für die Ausfälle an drei Flughäfen in sieben Monaten. Um mit solchen Ausfallkosten noch profitabel operieren zu können, müssten die Airlines ihre Preise massiv erhöhen und wohl auch von vornherein deutlich weniger Flüge anbieten.

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