Ende einer Ära: Nach fast 16 Jahren als wohl Deutschlands mächtigster VW-Betriebsrat wechselt Bernd Osterloh auf die Arbeitgeberseite. Wie erwartet wird er Personalvorstand bei Traton. Seine Nachfolgerin hat einst als Bürokauffrau im Konzern angefangen - und zieht nun wohl in den Vorstand ein.
Mit den Worten "Macht es gut!" verabschiedet sich der langjährige Betriebsratschef Bernd Osterloh von der Belegschaft - es ist der letzte Arbeitstag nach 44 Jahren bei VW und fast 16 Jahren an der Betriebsratsspitze. "Ich weiß, das überrascht", schreibt der mächtige Mitarbeitervertreter, auch Mitglied des Aufsichtsratspräsidiums von Deutschlands größtem Industriekonzern. Ihm folgt Daniela Cavallo. Ganz verabschiedet sich der 64-Jährige indes nicht: Zum 1. Mai wird er Personalchef der VW-Nutzfahrzeug-Holding Traton in München. Ähnliche Angebote gab es schon früher, bisher hatte Osterloh stets abgelehnt.
Er richte sich auf drei weitere Jahre bei Traton ein, sagt Osterloh und sprach vom Reiz der neuen Aufgabe. Sein Abschied bereits jetzt hängt mit den Betriebsratswahlen bei VW im kommenden Jahr zusammen. "Wenn ich jetzt nicht gehen würde, stünde ich dort wieder auf der Kandidatenliste", sagte er. Außerdem müsse Traton die seit Mitte 2020 freie Position des Arbeitsdirektors möglichst bald besetzen - daher auch die konkrete Offerte aus Bayern.
Von der Bürokauffrau in den Vorstand
Ablösen soll ihn die 46-jährige Cavallo. Sie trat mit ihm zuletzt oft gemeinsam auf, gilt als stiller, aber taktisch versiert und vernetzt. Laut Betriebsrat soll Cavallo Osterlohs Mandat im Aufsichtsratspräsidium "so schnell wie möglich" ausüben. Die Tochter eines italienischen Gastarbeiters begann bei VW als Bürokauffrau, qualifizierte sich zur Betriebswirtin weiter und beteiligte sich früh an der Belegschaftsarbeit. Seit 2002 ist sie im Betriebsrat, Anfang 2019 wurde sie Osterlohs Stellvertreterin.
2005 hatte Osterloh die Leitung des Betriebsrats übernommen. Er folgte Klaus Volkert, der über eine Lustreisen-Affäre stolperte. Der Skandal war ein Tiefpunkt auch für die bei VW sehr stark organisierte IG Metall. Es folgten etliche schwierige Phasen: Die Abschaffung der 1994 eingeführten Vier-Tage-Woche, der Übernahmekampf mit Porsche, die Suche nach der Verantwortung für "Dieselgate" und die Corona-Krise. Das Braunschweiger Landgericht will prüfen, ob einige VW-Personalmanager womöglich lange überzogene Gehälter an hohe Betriebsräte genehmigten.
Osterloh trat immer wieder auch als scharfer Kritiker von Vorstandschef Herbert Diess auf. So lieferten sich beide harte Auseinandersetzungen zum Umbau- und Sparkonzept "Zukunftspakt" oder um den teils stockenden Anlauf wichtiger Modelle wie Golf 8 oder ID.3. Die mit schöner Regelmäßigkeit, aber intern wie extern von viel Stirnrunzeln begleiteten Duelle mit dem schneidig auftretenden "Onkel Herbert" (Osterloh über Diess) schaukelten sich voriges Jahr derart hoch, dass der Vorstandschef angeblich kurz vor dem Rauswurf stand.
Ende der "Klassenkämpfer-Attitüde" bei VW?
Der Betriebsratsvorsitzende habe "maßgeblich zum nachhaltigen Wandel zur E-Mobilität und zum softwaregetriebenen Mobilitätskonzern beigetragen", ließ Diess nun erklären. Er habe dabei "das Management konstruktiv hinterfragt". Die Vertreter des Porsche/Piëch-Clans, VW-Mehrheitseigner, betonen: "Es versteht sich von selbst, dass wir bei bestimmten Themen andere Schwerpunkte setzten als Herr Osterloh als Betriebsratsvorsitzender. Aber es steht auch außer Frage, dass er für diese Vorstandsposition (bei Traton) qualifiziert ist."
Osterloh hatte bereits zuvor Angebote erhalten, ins Management zu gehen. Nach dem Ausbruch von "Dieselgate" im Herbst 2015 hätte er beispielsweise VW-Personalvorstand werden können, schlug das damals aber aus. "Gereizt hat mich das immer", erklärt er den Mitarbeitern. "Wenn ich gerade damals gegangen wäre, wäre das für Betriebsrat und Belegschaft das absolut falsche Zeichen gewesen. Und danach gab es ja auch noch einiges zu tun." Die Umstellung der Standorte auf die E-Mobilität, Digitalisierung - "und einiges mehr".
Hilfreich für Osterlohs späten Entschluss, nun doch vom Co- zum Vollzeit-Manager zu werden, könnte auch sein enges Verhältnis zu Gunnar Kilian gewesen sein. Dieser war lange sein Sprecher, wurde dann 2018 VW-Personalvorstand. Inzwischen ist Kilian auf Konzernebene für die Betreuung des Traton-Geschäfts zuständig, aus seiner früheren Tätigkeit im Betriebsrat und von Terminen der VW-Belegschaftsstiftung ist er weltweit auch bei den schweren "Nutzis" gut verdrahtet.
Der von vielen als heimlicher Herrscher im "System Wolfsburg" angesehene Osterloh dürfte indes auch fehlen. Einerseits hatte sein bissiger Ton Gewicht. Manch einer sieht aber auch die sich wiederholenden Rivalitäten als erstarrte Rituale. "Vielleicht gibt es nun die Möglichkeit, aus Konfrontation und Klassenkämpfer-Attitüde herauszukommen", sagt einer. Umgekehrt gefällt Osterlohs plötzlicher Wolfsburg-Abtritt gerade jetzt und im fortgeschrittenen Dienstalter nicht jedem. Im Endeffekt - eine von Osterlohs am häufigsten benutzten Wendungen - geht es nun aber doch auf die andere Seite.
"Gereizt hat mich das immer":VW-Betriebsratschef wechselt die Seiten - n-tv NACHRICHTEN
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